Akademik

Tribalismus
Tri|ba|lịs|mus 〈m.; -; unz.〉 Stammesbewusstsein, Zugehörigkeitsgefühl zu einem Stamm [<engl. tribalism.; zu tribe „Volksstamm“]

* * *

Tri|ba|lịs|mus, der; - [zu lat. tribus, Tribus]:
stärkeres Orientiertsein des kulturellen, politischen u. gesellschaftlichen Bewusstseins auf den eigenen Stamm in afrikanischen Staaten.

* * *

Tribalịsmus
 
[zu lateinisch tribus »Bezirk«, »Gau«, eigentlich »einer der drei ältesten Stämme Roms«] der, -, Bezeichnung für Tendenzen, den Belangen der jeweils eigenen ethnischen Gruppe den Vorrang einzuräumen vor der Zugehörigkeit zur »Staatsnation«; besonders in Hinsicht auf die Staaten Afrikas verwendet. Als Erscheinungsformen des Tribalismus in Afrika gelten z. B. die Sezessionsbestrebungen der Ibo in Nigeria oder die Bemühungen, die Ewe in Ghana und Togo sowie die Somal in Somalia und Äthiopien unter Aufhebung bestehender Grenzen in einem Staat zu vereinigen. Die OAU bekämpft den Tribalismus als mögliche Ursache von Kriegen zwischen und innerhalb von Staaten Afrikas und lässt dabei die von den Kolonialmächten gezogenen Grenzen unangetastet.
 
Der Begriff Tribalismus ist wissenschaftlich und politisch fragwürdig, da es sich zum einen bei vielen »Stämmen« nicht um »natürliche« oder aufgrund langer historischer Entwicklung vorgegebene Größen handelt, sondern um Ergebnisse sehr unterschiedlicher sozialer, geschichtlicher oder politischer Differenzierungen. Zum anderen stellen die unter Tribalismus zusammengefassten Orientierungen zumeist die Reaktion auf komplexe wirtschaftliche, historische und soziale Probleme dar: Migration, Wirtschaftskrise, Unterprivilegierung, konfessionelle Differenzen, unterschiedliche Modernisierungsgrade, nicht zuletzt die durch die Kolonialmächte im eigenen Interesse gezogenen Grenzen, die vielfach ältere Zuordnungen und Verbindungen durchschnitten. - Der Tribalismus ist jedoch nicht allein auf Afrika speziell bezogen; die nach den weltpolitischen Umbrüchen seit dem Beginn der 1990er-Jahre allenthalben aufflammenden Regionalkonflikte entwickelten sich vielfach entlang vorgeblich ethnischen Grenzen.
 
Literatur:
 
Die Völker Afrikas u. ihre traditionellen Kulturen, hg. v. H. Baumann, 2 Tle. (1975-79);
 
The democratic theory and practice in Africa, hg. v. W. O. Oyugi u. a. (Nairobi 1987);
 
The precarious balance. State and society in Africa, hg. v. D. Rothchild u. a. (Boulder, Col., 1988);
 G. Elwert: Nationalismus u. Ethnizität, in: Kölner Ztschr. für Soziologie u. Sozialpsychologie, Jg. 41 (1989); C. Lentz: »T.« u. Ethnizität in Afrika. Ein Forschungsüberblick (1994);
 F. Ansprenger: Polit. Gesch. Afrikas im 20. Jh. (21997);
 
The invention of tradition, hg. v. E. Hobsbawn u. a. (Neudr. Cambridge 1997).

* * *

Tri|ba|lịs|mus, der; - [zu lat. tribus, ↑Tribus]: stärkeres Orientiertsein des kulturellen, politischen u. gesellschaftlichen Bewusstseins auf den eigenen Stamm in afrikanischen Staaten: Deshalb kämpft die Partei unerbittlich ... gegen die auf Spaltung unseres Volkes zielenden Faktoren, namentlich gegen T., Regionalismus und Rassismus (horizont 12, 1977, 25).

Universal-Lexikon. 2012.