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Göttingen
Gọ̈t|tin|gen:
Stadt an der Leine.

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Gọ̈ttingen,
 
1) Kreisstadt in Niedersachsen, 138 m über dem Meeresspiegel, im Leinetalgraben, 133 000 Einwohner. Die Stadt erhält ihr Gepräge durch die Georg-August-Univesität sowie durch zahlreiche weitere wissenschaftliche Einrichtungen, insbesondere die Göttinger Akademie der Wissenschaften, vier Instituten der Max-Planck-Gesellschaft, drei Institute der Deutschen Forschungs- und Versuchsanstalt für Luft- und Raumfahrt e. V., Ibero-Amerikanisches Institut für Wirtschaftsforschung, Institut für den wissenschaftlichen Film, Fachhochschule Forstwirtschaft, Fachhochschule für Physik, Mess- und Feinwerktechnik, Niedersächsische Staats- und Universitätsbibliothek. Zu den kulturellen Einrichtungen gehören zwei Theater (Deutsches und Junges Theater), Goethe-Institut, Kunstsammlung der Universität, Museum für Völkerkunde, Städtisches Museum, botanischer Garten, Händelfestspiele. Den wissenschaftlichen Institutionen folgte die Ansiedlung zahlreicher Industriebetriebe, besonders aus den Bereichen Feinmechanik/Optik, Lebensmittelherstellung, Kunststoffverarbeitung, Laboreinrichtung, Chemie, Elektro- und Messtechnik, Orgelbau sowie Verlage und Druckereien. Göttingen ist Kongressstadt und hat eine günstige Verkehrslage (mehrere ICE-Linien).
 
Stadtbild:
 
Die alte Stadtbefestigung ist in Wallanlagen umgewandelt worden. Bürgerhäuser des 15.-18. Jahrhundert haben zum Teil Fachwerk. Bei den Kirchenbauten herrscht der Typ der Hallenkirche vor, z. B. Sankt Johannis mit ungegliedertem Westbau (Mitte 14. Jahrhundert auf Vorgängerbauten) und ungleichem barockem Turmpaar; Sankt Jacobi (1350 ff.) mit 74 m hohem Westturm (1426-33) und Flügelaltar (1402); Sankt Albani (1423-67 auf Vorgängerbau); Sankt Marien (14.-16. Jahrhundert auf Vorgängerbau). Gotisches Rathaus (Kernbau um 1270, erweitert 1369-1444), davor der Gänselieselbrunnen (1901). Die Universität wurde im ehemaligen Dominikanerkloster (1294 gegründet) eingerichtet, 1782-87 Erweiterungsbauten; 1803 und 1808-12 Umbau der ehemaligen Klosterkirche zur Universitätsbibliothek, 1878-80 großer Erweiterungsbau. 1785-91 entstand die Frauenklinik (heute Seminargebäude) mit großem Treppenhaus, 1835-37 die klassizistische Aula. In den 1970er-Jahren entstand im Norden der Stadt ein neues Universitätsviertel. Im Hardenberger Hof (1592) und in der Alten Post (1739-80) das Städtische Museum. Bauten des 20. Jahrhunderts sind ferner Christuskirche (1954/55, Diez Brandi), Kreuzkirche (1960-62, derselbe), Christophoruskirche (1962-64, Entwurf Olaf Andreas Gulbransson) sowie die neue Universitätsbibliothek (1986-92, Burghard Gerber).
 
Geschichte:
 
Die westlich des 953 erstmals erwähnten Dorfes Gutingi vor einer Leinefurt entstandene Kaufmannssiedlung, eine planmäßig angelegte landesherrliche Gründung, erhielt vermutlich um 1200 Stadtrecht. Durch Tuchmacher- und Gewandschneidergewerbe nahm sie einen raschen wirtschaftlichen Aufschwung; 1351-1572 war Göttingen Mitglied der Hanse. Durch Kauf der 1293 angelegten Neustadt vergrößerte Göttingen 1391 sein Territorium; 1286 kam die Stadt vom Herzogtum Braunschweig-Lüneburg an das Fürstentum (Braunschweig-)Göttingen, 1584 an Braunschweig-Wolfenbüttel und 1635 an Calenberg(-Göttingen), ab 1692 Kurhannover. Dem Niedergang nach dem Dreißigjährigen Krieg (1618-48) folgte Anfang des 18. Jahrhunderts ein Aufschwung. Mit Hannover kam Göttingen 1866 an Preußen, 1946 zu Niedersachsen. - Die Georg-August-Univesität (Georgia Augusta), nach Erteilung des kaiserlichen Privilegs (1733) 1734 gegründet und am 17. 9. 1737 von Kurfürst Georg II. August eingeweiht, entwickelte sich nach den Befreiungskriegen (1813-15) zu einer Hochburg liberalen Gedankenguts (u. a. 1831 »Göttinger Revolution«, 1837 Protest der Göttinger Sieben) und im 19./20. Jahrhundert zu einem Zentrum mathematisch-naturwissenschaftlicher Forschung (u. a. C. F. Gauss, F. Wöhler; M. Born, W. Heisenberg).
 
Literatur:
 
K. Haubner: Die Stadt G. im Eisenbahn- u. Industriezeitalter (1964);
 
G. Materialien zur histor. Stadtgeographie u. zur Stadtplanung, bearb. v. D. Denecke (1979);
 
G. Gesch. einer Univ.-Stadt, hg. v. D. Denecke: u. a., auf 3 Bde. ber. (1987 ff.).
 
 2) Landkreis im Regierungsbezirk Braunschweig, Niedersachsen, 1 117 km2, 265 800 Einwohner; reicht von der Weser und der Grenze des Landes Niedersachsen im Westen bis an Thüringen im O. Die Berg- und Hügelländer des Kreisgebietes sind aus Gesteinen der Trias, v. a. Buntsandstein und Muschelkalk, aufgebaut. Der tektonisch gebildete, in Nord-Südrichtung verlaufende Leinetalgraben ist mit wichtigen Verkehrsträgern (Eisenbahn Hannover-Frankfurt am Main, Autobahn) Einfallstor in den deutschen Mittelgebirgsraum. Die Universitäts- und Industriestadt Göttingen verdankt dem Leinetalgraben ihre Lagegunst. Hingegen wird die wirtschaftliche Entwicklung von Hann. Münden (an Werra, Fulda und Weser) und Duderstadt (Hauptort des Unteren Eichsfelds) durch die Randlage beider Städte beeinträchtigt; mit ihren historischen Stadtbildern sind sie viel besuchte Fremdenverkehrsorte. Auf verbreitet im Kreisgebiet vorhandenen fruchtbaren Lössböden besteht ertragreiche Landwirtschaft, v. a. Anbau von Weizen, Gerste und Zuckerrüben.
 
 3) (Braunschweig-)Göttingen, wegen seiner Lage oberhalb von Harz und Solling auch Overwald genannt, Fürstentum, bestand als Besitz einer Linie des Welfenhauses 1286-1463; Residenz war zeitweilig Göttingen. Im Verlauf der welfischen Erbteilungen ging es im Fürstentum Calenberg (ab 1463; 1513-84 Calenberg-Göttingen) und dann in Hannover auf (1692; endgültig 1705).
 

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Gọ̈t|tin|gen: Stadt an der Leine.

Universal-Lexikon. 2012.