Nie|der|sach|sen; -s:
deutsches Bundesland.
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Niedersachsen,
Land im Nordwesten Deutschlands, mit 47 614 km2 das flächenmäßig zweitgrößte, der Bevölkerungszahl nach mit (1999) 7,899 Mio. Einwohnern das viertgrößte Bundesland, die durchschnittliche Bevölkerungsdichte beträgt 166 Einwohner je km2. Niedersachsen grenzt im Norden an die Nordsee, an Schleswig-Holstein und Hamburg, im Nordosten und Osten an Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen-Anhalt und Thüringen, im Süden und Südwesten an Hessen und Nordrhein-Westfalen, im Westen an die Niederlande. Die beiden Gebietsteile des Landes Bremen (die Städte Bremen und Bremerhaven) werden von niedersächsischem Gebiet umschlossen. Hauptstadt ist Hannover.
Staat und Recht:
Nach der Verfassung vom 19. 5. 1993 (letzte Änderung vom 12. 11. 1997) ist der Landtag gesetzgebendes Organ; er besteht aus 157 Abgeordneten und wird seit 1998 alle fünf Jahre neu gewählt. Das Parlament besitzt ein Selbstauflösungsrecht. An plebiszitären Elementen enthält die Verfassung Volksinitiative, Volksbegehren und Volksentscheid. Durch Volksinitiative können 70 000 Wahlberechtigte verlangen, dass sich der Landtag mit einer bestimmten Frage befasst. 10 % der Wahlberechtigten können durch Volksbegehren eine Gesetzesinitiative ergreifen. Folgt der Landtag der Gesetzesinitiative nicht, kann er per Volksentscheid überstimmt werden, wenn der vorliegende Gesetzentwurf von der Mehrheit der Abstimmenden, wenigstens aber von einem Viertel der Wahlberechtigten gebilligt wird. Die vollziehende Gewalt liegt bei der Landesregierung unter Vorsitz des vom Landtag gewählten Ministerpräsidenten. Der Ministerpräsident ernennt und entlässt die Mitglieder seines Kabinetts und besitzt Richtlinienkompetenz. Die Landesregierung bedarf zur Amtsübernahme der Bestätigung durch den Landtag. Das Parlament kann dem Regierungschef das Vertrauen entziehen, indem es mit Mehrheit seiner Mitglieder einen Nachfolger wählt (konstruktives Misstrauensvotum). Seit 1997 sind die Staatsziele Arbeit, Wohnen, Tierschutz und Sport sowie das Verbot der Diskriminierung von Behinderten in der Verfassung verankert.
Das Landeswappen, am 3. 4. 1951 durch den niedersächsischen Landtag angenommen, zeigt in rotem Feld ein weißes, im Sprung steigendes Pferd (»Sachsen«-, »Welfen«- oder »Westfalenross«). - Das Pferd erscheint nach der Mitte des 14. Jahrhunderts (ältester farbiger Nachweis von 1379/80) - in unterschiedlichen Formen neben den alten Wappenfiguren in den Siegeln einiger Glieder des Welfenhauses. Gegen Ende des 15. Jahrhunderts nahmen die Erzbischöfe von Köln als Herzöge von Westfalen das Ross als Wappenbild an und setzten es ab 1530 regelmäßig in eines der Felder ihres Wappens. Erst um die Mitte des 17. Jahrhunderts steht das Pferd als Wappentier des niedersächsischen Reichskreises im Wappen einiger und bald aller Linien des Welfenhauses. Als bevorzugtes »Stammwappen« kam es ins kurfürstlich (später königlich) hannoversche und von 1714 bis 1837 ins englische Königswappen, im Herzogtum Braunschweig hatte es zuletzt die älteren Wappen völlig verdrängt.
Nach der Neugliederung der Landkreise (Kreisreform vom 1. 8. 1977) enthalten die vier (früher acht) Regierungsbezirke Hannover, Braunschweig, Lüneburg und Weser-Ems 38 Landkreise, neun kreisfreie Städte und 1 030 Gemeinden.
Über Verfassungsstreitigkeiten entscheidet der Staatsgerichtshof in Bückeburg. Die ordentliche Gerichtsbarkeit wird durch drei OLG (Braunschweig, Celle, Oldenburg/Oldenburg), elf Landgerichte und 80 Amtsgerichte ausgeübt; die Verwaltungsgerichtsbarkeit durch das Oberverwaltungsgericht in Lüneburg und sieben Verwaltungsgerichte; die Sozialgerichtsbarkeit durch das Landessozialgericht in Celle und acht Sozialgerichte; die Arbeitsgerichtsbarkeit durch das Landesarbeitsgericht in Hannover und 15 Arbeitsgerichte; die Finanzgerichtsbarkeit durch ein Finanzgericht in Hannover.
Landesnatur und Bevölkerung:
Der größte Teil von Niedersachsen gehört dem Norddeutschen Tiefland an (weniger als 200 m über dem Meeresspiegel). Im Süden geht das Tiefland in die Lössbördenzone über, und mit den Bergländern an Weser und Leine sowie dem westlichen Oberharz hat Niedersachsen Anteil am Mittelgebirgsraum; dazu zählt auch das Gebiet um Osnabrück mit Teilen vom Wiehengebirge und Teutoburger Wald. - Der nördliche Tieflandteil wird bei vorherrschend ärmeren sandigen, zum Teil auch lehmigen Böden als Geest weithin von eiszeitlichen Moränen-, Sander- und Talsandbildungen (Lüneburger Heide) aufgebaut, darin eingeschaltet sind vermoorte Niederungen und ausgedehnte Hochmoorgebiete (Bourtanger Moor, Teufelsmoor). Zwischen Geest und Küstensaum sowie entlang den Unterläufen der zur Nordsee entwässernden Hauptflüsse Ems, Weser und Elbe liegen deichgeschützte Marschengebiete (Marsch), zum Teil unter dem Meeresspiegel (der tiefste Oberflächenpunkt Deutschlands befindet sich in der Krummhörn, 2,3 m unter dem Meeresspiegel). Außerhalb der Deiche schließt sich das von den Gezeiten bestimmte Wattenmeer an (Niedersächsisches Wattenmeer), dem im ostfriesischen Raum die Ostfriesischen Inseln vorgelagert sind.
Der Südteil von Niedersachsen leitet von den fruchtbaren Lössbörden zwischen Hannover und Helmstedt mit eiszeitlich angewehtem Bodenmaterial in die zahlreichen aus mesozoischen Gesteinen aufgebauten, meist bewaldeten Höhenzüge der Berg- und Hügelländer zwischen Weser und Harz über. Hier ergibt sich mit Schichtstufen- und Schichtkammlandschaften (Bückeberge, Deister, Süntel, Osterwald, Hildesheimer Wald, Sieben Berge, Sackwald, Ith, Hils) und dazwischen eingeschalteten Becken und Mulden, mit der sich scharf von ihrer Umgebung abhebenden, weit gespannten Buntsandsteinaufwölbung des Solling und mit dem tektonisch angelegten Leinegraben ein sehr differenziertes Landschaftsbild. Die höchsten Erhebungen von Niedersachsen weist der überwiegend aus paläozoischen Gesteinen aufgebaute Harz auf (Wurmberg 971 m über dem Meeresspiegel).
Der Küstenbereich ist ozeanisch beeinflusst, mit gemäßigten Temperaturen im Sommer und Winter. Im Binnenland nimmt der kontinentale Einfluss bei der Temperatur nach Osten zu. In gleicher Richtung nehmen die jährlichen Niederschlagsmengen ab, sie steigen jedoch in den westwindexponierten Bergländern und besonders im Harz von 600-700 mm im Tiefland bis nahezu 2 000 mm in den Gipfellagen an.
Niedersachsen liegt fast ganz im Bereich der niederdeutschen Sprache; im äußersten Nordwesten spielt Friesisch eine Rolle. Im Harz haben Bergleute aus dem Erzgebirge und dem Mansfelder Raum die hochdeutsche (oberdeutsche) Sprache eingeführt. Größere Bevölkerungsveränderungen brachte die Ansiedlung von Vertriebenen und Flüchtlingen. 1961 waren 24,3 % der 6,64 Mio. Einwohner Vertriebene, 5,4 % Flüchtlinge. Seitdem werden diese nicht mehr statistisch erfasst. Sie sind auch zum Teil wieder abgewandert. Den stärksten Anteil unter den Neueinwanderern hatten mit 720 000 die Schlesier, mit 410 000 die Ostpreußen, mit 350 000-400 000 die Mitteldeutschen, mit 270 000 die Pommern und mit 170 000 die Westpreußen.
Die Verteilung der Bevölkerung ist in Niedersachsen sehr unterschiedlich. Relativ hohen Bevölkerungsdichten im stärker industrialisierten und verdichteten südlichen Landesteil, besonders im Großraum Hannover (1996: 486 Einwohner/km2), stehen sehr geringe Dichten im Nordteil des Landes gegenüber, wo der Regierungsbezirk Lüneburg 104 Einwohner, der Landkreis Lüchow-Dannenberg sogar nur 43 Einwohner/km2 hat.
Die ländlichen Siedlungsformen sind in den einzelnen Landesteilen unterschiedlich. Unregelmäßige Grundrissformen sind für die altbesiedelten Gebiete charakteristisch; sie erscheinen in den Lössbörden und den Bergländern, aber auch in den altbesiedelten Marschen (Wurtendörfer in der Krummhörn) enger geschlossen, hingegen in den nördlichen Geestgebieten weitläufiger. Planmäßige Grundrissformen finden sich als Reihendörfer beziehungsweise Wald-, Hagen- und Moorhufendörfer in seit etwa dem 12. Jahrhundert jung besiedelten Landschaften, besonders in den großen Stromniederungen, in küstennahen Niederungsmoorgebieten und um Stadthagen und im Sackwald. Rundlinge als frühe Dorfform der deutschen Ostsiedlung sind in der Ostheide zwischen Aller und Elbe bestimmend, besonders gut erhalten im Hannoverschen Wendland. Frühneuzeitliche Hochmoorkolonien erscheinen meist als schematisch-planmäßige Zeilenanlagen (z. B. Fehndörfer). Westlich der Weser sind Einzelhofsiedlungen besonders verbreitet.
Unter den traditionellen ländlichen Hausformen ist im nördlichen Niedersachsen das niederdeutsche Hallenhaus (fälschlich auch Niedersachsenhaus genannt) beherrschend, ein Fachwerkbau mit unterschiedlicher Ausführung als Zwei-, Vier-, vereinzelt auch als Dreiständerhaus; im ostfriesischen Raum tritt an seine Stelle das Gulfhaus, zum Teil als Ziegelbau ausgeführt. In den Lössbörden und Bergländern bestimmen quer geteilte Hausbauten und Gehöftformen, die zum mitteldeutschen Gehöft überleiten, das traditionelle dörfliche Siedlungsbild. Im Oberharz gehen erzgebirg. Hausformen auf Zuwanderung von Bergleuten im 16. Jahrhundert zurück.
Wichtige Städte wie Hannover, Braunschweig und Osnabrück liegen an der Grenze von Geest und Lössbördenzone oder am Rande des Berglandes, die meisten sind alte Gründungen. In diesem Bereich finden sich auch die Neubildungen Salzgitter und Wolfsburg. In der Geest liegt z. B. Oldenburg (Oldenburg). Im Küstengebiet entwickelten sich als Hafenstandorte Wilhelmshaven, Cuxhaven, Emden, Brake (Unterweser). Städtisches Gepräge zeigen vielfach die Bade- und Kurorte (zum Teil frühere Salzstädte).
55,7 % der Bevölkerung gehören einer evangelischen Landeskirche an, 18,8 % der katholischen Kirche und etwa 1 % evangelischen Freikirchen (darunter die »Selbständige Evangelisch-Lutherische Kirche« und die »Altreformatorische Kirche in Niedersachsen«) an. Das Land Niedersachsen umfasst die Territorien der evangelisch-lutherischen Landeskirchen von Braunschweig, Hannover, Oldenburg und Schaumburg-Lippe und der »Evangelischen-reformierten Kirche« (in Nordwest-Deutschland) sowie die katholischen Bistümer Hildesheim und Osnabrück und einen Teil des Bistums Münster. Der Landesverband der Jüdischen Gemeinden von Niedersachsen hat rd. 6 200 Mitglieder (acht Gemeinden).
Auf die vierjährige Grundschule folgt die zweijährige Orientierungsstufe (5. und 6. Klasse), die schulformunabhängig geführt wird. Hierauf bauen Hauptschule, Realschule und Gymnasium sowie die jeweiligen Schulzweige der kooperativen Gesamtschule auf. Die integrierte Gesamtschule beginnt mit dem 5. Schuljahr. Die berufsbildenden Schulen umfassen Berufsschulen, Berufsfachschulen, Berufsaufbauschulen, Fachoberschulen, Fachgymnasien, Berufsoberschulen und Fachschulen. Die Berufsschule gliedert sich in die Grundstufe und in die Fachstufe. Die Grundstufe dauert ein Jahr und wird geführt als Berufsgrundbildungsjahr mit Vollzeitunterricht (schulisches Berufsgrundbildungsjahr) oder, bei Berufsausbildung, als Berufsgrundbildungsjahr in Kooperation mit betrieblichen Ausbildungsstätten (kooperatives Berufsgrundbildungsjahr) oder in Form von Teilzeitunterricht, wie in den weiteren Jahren der Berufsausbildung. Ein Berufsvorbereitungsjahr soll Schülern, die noch eine besondere Förderung brauchen, den Eintritt in das Berufsleben erleichtern. Mit dem Bestehen der Abschlussprüfung an der zweijährigen Fachschule, deren Besuch eine berufliche Erstausbildung oder eine mehrjährige einschlägige praktische Berufstätigkeit voraussetzt, kann neben der Weiterbildungsqualifikation die Fachhochschulreife erworben werden. Im Hoch- und Fachhochschulbereich bestehen dreizehn Hochschulen mit Universitätsrang (u. a. zwei TU, eine medizinische, eine tierärztliche Hochschule, eine für bildende Künste und eine für Musik und Theater) sowie acht staatliche Fachhochschulen und fünf staatlich anerkannte Fachhochschulen in kirchlicher und privater Trägerschaft, ferner die Niedersächsische Fachhochschule für Verwaltung und Rechtspflege.
Wirtschaft und Verkehr:
Mit den Stadtstaaten Bremen und Hamburg ist Niedersachsen Teil des norddeutschen Wirtschaftsraumes südlich der Elbe mit ausgeprägten strukturellen Unterschieden in den Teilräumen Hannover-Braunschweig, dem Umland der Stadtstaaten, Südostniedersachsen, Mittel-Oberweser, Osnabrück-Emsland und der Nordwestregion (Ostfriesland, Oldenburg, Lüneburg-Uelzen). Das niedersächsische Wirtschaftsgebiet ist durch die politische und wirtschaftliche Öffnung in Mittel- und Osteuropa seit 1989 aus seiner bisherigen Randlage ins Zentrum des Europäischen Hauses gerückt.
Die Zahl der Erwerbstätigen hat sich von 1960 (3,0 Mio.) bis Ende der 80er-Jahre kaum verändert. Im Zuge des Booms infolge der deutschen Vereinigung stieg die Zahl der Erwerbstätigen zu Beginn der 90er-Jahre stark an und betrug 1996 3,4 Mio. Dahinter stehen allerdings erhebliche Umschichtungen bei der Verteilung der Erwerbstätigen auf die einzelnen Wirtschaftsbereiche. So sank die Zahl der Erwerbstätigen in der Land- und Forstwirtschaft von (1960) 568 000 auf (1996) 145 700. Auch die Zahl der Erwerbstätigen im produzierenden Gewerbe ging im gleichen Zeitraum von 1,27 Mio. auf 1,10 Mio. zururück. Zugenommen hat die Zahl der Erwerbstätigen im Bereich Handel, Verkehr und Nachrichtenübermittlung von 595 000 auf 780 000. Die Zahl der Erwerbstätigen im sonstigen Dienstleistungssektor hat sich von 523 000 auf 1,33 Mio. deutlich mehr als verdoppelt. Im Vergleich der Bundesländer ist Niedersachsen überdurchschnittlich von Arbeitslosigkeit betroffen. Die Arbeitslosenquote lag mit (1975) 5,4 %, (1980) 4,7 %, (1985) 12,3 %, (1990) 9,4 % und (1996) 12,1 % zum Teil deutlich über dem westdeutschen Durchschnitt mit besonders hohen Arbeitslosenquoten in den Arbeitsamtsbezirken Helmstedt und Wilhelmshaven. Von 1990 bis 1992 stieg das Bruttoinlandsprodukt (BIP) real um 10,0 % (Westdeutschland: 6,9 %). Aber auch von 1992 bis 1996 erreichte Niedersachsen mit +4,6 % überdurchschnittliche reale Wachstumsraten des BIP (Westdeutschland: +3,2 %). Dennoch liegen auch 1996 das BIP je Erwerbstätigen mit 101 747 DM und das BIP je Einwohner mit 40 424 DM unter dem westdeutschen Durchschnitt von 111 520 DM beziehungsweise 47 317 DM. Am BIP Westdeutschlands hat Niedersachsen seit 1970 einen fast konstanten Anteil von (1996) 10,0 %, der Anteil Niedersachsens am BIP von Deutschland insgesamt beträgt (1996) 8,9 %.
Mit (1996) 2,69 Mio. ha werden rd. 57 % der Gesamtfläche landwirtschaftlich genutzt (1,77 Mio. ha Ackerland, 0,91 Mio. ha Dauergrünland, 16 172 ha Obstanlagen und Baumschulen). Diese Flächen werden von (1996) 77 263 Betrieben bewirtschaftet. Die strukturellen Voraussetzungen der Landwirtschaft sind im Vergleich zu den übrigen alten Bundesländern günstig. Die durchschnittliche Betriebsgröße liegt bei rd. 34 ha, die der Haupterwerbsbetriebe bei rd. 53 ha. Auf den nährstoffreichen Marschböden der Küstenregion werden hohe Getreideerträge erzielt. Sonst prägen Wiesen und Weiden mit Milchvieh- und Rindermastbetrieben das Landschaftsbild. Mehr als zwei Drittel Niedersachsens sind von Geestlandschaften bedeckt, die weniger fruchtbar sind. In deren östlichem Teil, im Regierungsbezirk Lüneburg, ist der Kartoffelanbau verbreitet, im westlichen Teil, im Raum zwischen Oldenburg und Osnabrück, Lingen und Nienburg, hat sich eine starke Veredelungswirtschaft mit Schweine- und Geflügelhaltung entwickelt. Intensiver Ackerbau findet sich dagegen auf den guten Lössböden um Hannover und Hildesheim sowie Braunschweig. Der Gemüsebau (zum Teil auch unter Glas) konzentriert sich auf Südoldenburg, um Hannover, Braunschweig und Lüneburg. Der Obstbau hat seinen Schwerpunkt im Alten Land an der Unterelbe. Niedersachsen ist im Vergleich der Bundesländer führend bei Kartoffeln (1995: 4,4 Mio. t; Anteil an der Erzeugung in Deutschland: 44,3 %) und Zuckerrüben (6,5 Mio. t; 25,0 %). Darüber hinaus ist Niedersachsen zweitwichtigster Getreideproduzent (6,3 Mio. t; 15,9 %) und Obsterzeuger (149 600 t; 18,9 %) sowie wichtigster Baumschulerzeuger; Viehzucht und -mast bestimmen weite Teile des Tieflandes. Milch, Milchprodukte und Fleisch sowie Zuchttiere kennzeichnen die leistungsfähige niedersächsische Viehwirtschaft. Niedersachsen hat unter den Bundesländern den höchsten Bestand an Schweinen (1996: 6,95 Mio.) und Geflügel (z. B. 36,3 Mio. Lege- und Masthühner) sowie den zweithöchsten an Rindern (2,99 Mio.). Bekannt ist auch die Pferdezucht (Hannoveraner).
Wald bedeckt (1995) 1 074 300 ha, das sind 22,6 % der Landesfläche; geschlossene Ausdehnung im Harz, auf den Höhen des Niedersächsischen Berglandes und in einigen Teilen der Geest (Lüneburger Heide, Göhrde). Der Holzeinschlag beträgt (1996) 2,8 Mio. m3.
Etwa ein Viertel der bundesdeutschen Fangmenge wird in den niedersächsischen Häfen angelandet. Außer der großen und der kleinen Hochseefischerei wird Küstenfischerei im Wattenmeer (Krabben, Muscheln, Fische) betrieben.
Der niedersächsische Anteil an der Erdgasförderung in Deutschland beträgt derzeit rd. 94 % (1996: 19,4 Mrd. m3), an der Erdölförderung rd. 67 % (1996: 1,9 Mio. t). Die Schwerpunkte der Fördergebiete liegen für Erdgas in den Räumen Emsland, Südoldenburg, Sulingen, Söhlingen, Rotenburg (Wümme) und Walsrode, für Erdöl im Emsland und Celle-Gifhorn. In den Räumen Hannover und Helmstedt werden Stein- und Kalisalze und im Raum Helmstedt außerdem Braunkohle (1996: 3,9 Mio. t) abgebaut.
Elektrische Energie wird in 42 Kraftwerken erzeugt, darunter in den Kernkraftwerken Stade, Unterweser, Grohnde und Emsland.
Die Industrie ist überwiegend mittelständisch strukturiert. Nur 52 der rd. 5 900 Betriebe haben mehr als 1 000 Beschäftigte. In diesen Großbetrieben arbeiten (1995) rd. 33 % aller Industriebeschäftigten. In den knapp 5 400 Betrieben mit bis zu 199 tätigen Personen sind rd. 32 % aller Industriebeschäftigten tätig. Die wichtigsten Branchen sind, gemessen am Anteil an den Industriebeschäftigten, Automobilbau/Autozulieferer (1996: rd. 25 %), Nahrungsmittelgewerbe (13 %), Elektronik/Elektrotechnik sowie Maschinenbau (je 10 %) und Gummi-/Kunststoffgewerbe (7,5 %).
Eine besondere Stellung nimmt Wolfsburg (Sitz der VW AG) ein; wichtig für den Kraftfahrzeugbau sind auch Hannover, Emden, Braunschweig, Salzgitter und Osnabrück. Hannover ist der Sitz internationaler Industriekonzerne wie Preussag, Continental, Bahlsen und Varta. Um Osnabrück konzentriert sich die Nahrungsmittelindustrie, im Raum Göttingen Feinmechanik und Optik. An der Küste dominieren neben dem Schiffbau die Fisch- und Importgüterverarbeitung und hafengebundene Industrien (Verhüttung, Chemie, Petrochemie); hierbei treten Wilhelmshaven (Mineralölumschlag mit Pipelines in das Ruhrgebiet) und Nordenham in den Vordergrund. Wichtige Standorte der Stahlerzeugung befinden sich in Salzgitter, Peine und im Raum Osnabrück.
Hier ist das Handels- und Finanzzentrum Hannover hervorzuheben. Hannover richtet die Weltausstellung EXPO 2000 aus und ist Sitz der größten Industriemesse und der größten Messe für Computer- und Bürotechnik (CeBIT) der Erde.
Die bekanntesten Fremdenverkehrslandschaften sind die Nordseeküste mit den Ostfriesischen Inseln, der Harz, die Lüneburger Heide und das Weserbergland. In Niedersachsen gibt es 49 Heilbäder und Kurorte (20 Seebäder, 17 Mineral- und Moorbäder sowie 12 heilklimatische Kurorte und Kneippbäder). In (1996) rd. 5 500 Beherbergungsbetrieben stehen 230 000 Betten zur Verfügung. In Betrieben mit mindestens neun Gästebetten wurden 1996 rd. 33 Mio. Übernachtungen erzielt, auf Campingplätzen rd. 3,5 Mio.
Verkehr:
Niedersachsen weist drei Hauptrichtungen des Durchgangsverkehrs auf: Der West-Ost-Verkehr verläuft v. a. am Nordsaum der Mittelgebirgsschwelle, der Nord-Süd-Verkehr, der von den Nordseehäfen ausgeht, benutzt v. a. das Leinetal als Verkehrsträger, eine Diagonale durch die norddeutsche Tiefebene verbindet die deutschen Häfen mit dem nordrhein-westfälischen Verdichtungsraum. Zur umfangreichen Verkehrsinfrastruktur zählt neben dem Straßennetz (1996: 28 282 km Straßen des überörtlichen Verkehrs, davon 1 334 km Bundesautobahnen) und dem Eisenbahnnetz (Länge rd. 4 900 km, davon 1 599 km elektrifiziert) auch ein beachtliches Netz von Binnenwasserstraßen (Länge 1 680 km, davon 35 % Kanäle). Dortmund-Ems-Kanal, Elbeseitenkanal, Mittellandkanal und Küstenkanal sind für Europaschiffe (1 350 t) befahrbar. Die wichtigsten schiffbaren Flüsse sind Elbe, Weser und Ems. Wichtige Binnenhäfen sind Braunschweig, Dörpen, Bramsche, Peine, Salzgitter, Hildesheim, Hannover, Lüneburg, Uelzen und Osnabrück. Die bedeutenden Binnenhäfen Oldenburg, Leer und Papenburg haben auch Seeschiffsverkehr. In den Seehäfen Emden, Nordenham, Brake, Cuxhaven und Stade-Bützfleth findet in erheblichem Umfang Umschlag auf Binnenschiffe statt. Die Überseehäfen liegen zum Teil hinter der Küstenlinie an den Unterläufen der Nordseezuflüsse. Die wichtigsten Seehäfen nach dem Warenumschlag (1996) sind Wilhelmshaven (37,2 Mio. t), Brake (4,3 Mio. t), Stade-Bützfleth (3,5 Mio. t), Emden (2,5 Mio. t) und Cuxhaven (1,3 Mio. t). Im Luftverkehr hat der Flughafen Hannover überregionale Bedeutung. Es wurden 1996 4,2 Mio. Fluggäste abgefertigt und rd. 11 000 t Fracht umgeschlagen. Die Hauptverkehrsstrecken werden nach der Vereinigung vorwiegend um Neu- und Ausbaumaßnahmen sowie Lückenschlüsse in West-Ostrichtung ergänzt (Ausbau der Bundesautobahn, der Schnellbahnstrecke und der Kanalverbindung Hannover-Berlin).
Nach dem staatlichen Zusammenbruch Deutschlands im Mai 1945 kam Nordwest-Deutschland mit Ausnahme der »Enklave Bremen« zur britischen Besatzungszone. Mit der VO vom 1. 11. 1946 bildete die britische Militärregierung aus den Ländern Hannover (gegründet am 23. 8. 1946; die frühere preußische Provinz Hannover), Braunschweig, Oldenburg, Schaumburg-Lippe und Lippe-Detmold (1947 zu Nordrhein-Westfalen) das Land Niedersachsen und ernannte am 23. 11. 1946 H. W. Kopf (SPD) zum Ministerpräsident; Verfassungs-Grundlage war zunächst das »Gesetz zur vorläufigen Ordnung der Landesgewalt« vom 11. 2. 1947. 1947 kamen Teile des Landes Bremen zu Niedersachsen, 1949 wurde Niedersachsen Land der Bundesrepublik Deutschland. Am 3. 4. 1951 verabschiedete der Landtag die »Vorläufige Niedersächsische Verfassung«.
Aus den ersten Landtagswahlen (20. 4. 1947) war die SPD als stärkste Partei hervorgegangen, gefolgt von CDU, DP, FDP, KPD und Zentrum. Später gewannen zeitweilig der GB/BHE Bedeutung für die Landespolitik. Aufsehen erregte 1951 der Wahlerfolg der Sozialistischen Reichspartei (SRP; 1952 als Nachfolgeorganisation der NSDAP vom Bundesverfassungsgericht für verfassungswidrig erklärt). Bis zu den Landtagswahlen von 1963 konzentrierte sich das Parteienfeld auf SPD, CDU, FDP. Bei den Wahlen von 1967 konnte die NPD Abgeordneten in den Landtag entsenden. 1970-74 und 1978-82 war die FDP nicht im Landtag vertreten. 1982 zogen die Grünen erstmals in den Landtag ein. 1947-55 und 1959-61 führten Kopf (SPD), 1955-59 H. Hellwege (DP), 1961-70 Georg Diederichs (* 1900, ✝ 1983; SPD) und A. Kubel (SPD) Koalitionsregierungen unterschiedlicher Zusammensetzungen. Für die ersten Nachkriegsregierungen standen v. a. die Eingliederung der Vertriebenen, die Verbesserung der Ernährungslage sowie die Beseitigung von Arbeitslosigkeit und Wohnraumknappheit im Vordergrund. 1965 schloss die Regierung Diederichs ein Konkordat mit dem Heiligen Stuhl und beendete damit den seit 1954 dauernden Streit mit der katholischen Kirche um die Einführung der christlichen Gemeinschaftsschule.
Bei den Landtagswahlen von 1974 löste die CDU die SPD als stärkste Partei ab. Nach dem Rücktritt Kubels (1976) wählte der Landtag 1976 E. Albrecht (CDU) zum Ministerpräsidenten (bis 1990); seine Regierung stützte sich 1977/78 und 1982-86 allein auf die CDU, 1978-82 und 1986-90 auf eine Koalition von CDU und FDP. Nach den Landtagswahlen von 1990 übernahm die SPD - bis 1998 unter Ministerpräsident G. Schröder (SPD) - wieder die Regierung, 1990-94 in Koalition mit den Grünen, ab 1994 in Alleinregierung, die 1998 bestätigt wurde. Zum Ministerpräsidenten wurde 1998 Gerhard Glogowski (* 1943; SPD; 1990-98 Innenminister von Niedersachsen) gewählt. Er trat am 26. 11. 1999 wegen Vorwürfen finanzieller Begünstigung durch Wirtschaftsunternehmen zurück; sein Nachfolger wurde Anfang Dezember 1999 der SPD-Fraktionsvorsitzende im Landtag S. Gabriel.
G. Uelschen: Die Bev. in N. 1821-1961 (1966);
W. Meibeyer: Das Unterems-Jade-Gebiet (1977);
K. Mittelhäusser: Ländl. u. städt. Siedlung, in: Gesch. N.s, hg. v. H. Patze, Bd. 1 (1977);
H. H. Seedorf u. Hans-Heinrich Meyer: Landeskundlich-statist. Übersichten (1982);
E. Wassermann: Aufstrecksiedlungen in Ostfriesland (1985);
H. Wachendorf: Der Harz. Varisz. Bau u. geodynam. Entwicklung (1986);
N. Polit. Landeskunde, hg. v. der Niedersächs. Zentrale für polit. Bildung (1987);
Stadtgesch., N., hg. vom Informationszentrum Raum u. Bau der Fraunhofer-Gesellschaft (1987);
K.-H. Striezel: Verz. niedersächs. Ortsgeschichten (1988);
T. Vogtherr: Aus Aufsätzen u. Beitrr. zur niedersächs. Landesgesch., in: Niedersächs. Jb. für Landesgesch., Bd. 61 (1989);
H.-W. Krumwiede: Kirchengesch. N.s 2 Bde. (1995-96);
Niedersächs. Gesch., hg. v. U. Hucker u. a. (1997).
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Nie|der|sach|sen; -s: Bundesland der Bundesrepublik Deutschland.
Universal-Lexikon. 2012.