Thü|rin|gen; -s:
deutsches Bundesland.
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Thüringen,
Freistaat Thüringen, Land in der Mitte Deutschlands, 16 172 km2, (1999) 2,5 Mio. Einwohner; grenzt im Westen an Hessen, im Nordwesten an Niedersachsen, im Norden an Sachsen-Anhalt, im Nordosten und Osten an Sachsen und im Süden an Bayern; Hauptstadt ist Erfurt.
Staat und Recht:
Nach der Verfassung vom 25. 10. 1993 liegt die Gesetzgebung beim Landtag (88 Abgeordnete, auf fünf Jahre gewählt). Gesetzesvorlagen können aus der Mitte des Landtags, von der Staatsregierung oder durch Volksbegehren (Quorum: mindestens 14 % der Stimmberechtigten) eingebracht werden. Die vollziehende Gewalt liegt bei der Landesregierung unter Vorsitz des vom Landtag gewählten Ministerpräsidenten. Dieser ernennt und entlässt die Mitglieder seines Kabinetts und besitzt Richtlinienkompetenz. Er kann vom Landtag durch konstruktives Misstrauensvotum gestürzt werden. In der Verfassung sind neben einem Grundrechtskatalog eine Reihe von Staatszielen fixiert: u. a. Umweltschutz, Schutz von Kindern und Jugendlichen, Recht auf Wohnraum und Arbeit. - Das seit 1994 existierende Verfassungsgericht besteht aus dem Präsidenten und acht weiteren Mitgliedern (vom Landtag für fünf Jahre gewählt).
Das 1991 gesetzlich festgelegte Wappen lehnt sich in der Gestaltung an das von 1945 an, greift aber auf die traditionellen thüringischen Wappenfarben zurück. Zentrales Wappenbild ist der goldgekrönte, achtfach von Rot und Silber quer gestreifte Löwe der Thüringer Landgrafen, umgeben von acht sechseckigen Sternen, die sich auf die sieben Kleinstaaten, aus denen Thüringen nach dem Ersten Weltkrieg gebildet wurde, sowie auf die 1944 faktisch, 1945 juristisch dem Territorium zugeschlagenen preußischen Landesteile beziehen.
Thüringen ist in 17 Landkreise und sechs kreisfreie Städte gegliedert. Die Kommunalverfassung (1993) folgt den Linien der »süddeutschen Ratsverfassung« (Gemeinde).
In Thüringen gibt es ein OLG (Jena), vier Land- und 29 Amtsgerichte, ein Landesarbeitsgericht (Erfurt) und sieben Arbeitsgerichte, ein Oberverwaltungsgericht (Weimar) und drei Verwaltungsgerichte, ein Landessozialgericht (Erfurt) und vier Sozialgerichte sowie ein Finanzgericht (Gotha).
Landesnatur und Bevölkerung:
Thüringen liegt im Bereich der Deutschen Mittelgebirgsschwelle. Der zentrale und nordwestliche Teil wird vom fruchtbaren Thüringer Becken eingenommen, das von zahlreichen Flüssen (besonders Unstrut) durchflossen wird und dessen Ränder aus zertalten Muschelkalkhöhenzügen und im Südosten von stark zergliederten Randplatten (Ilm-Saale- und Ohrdrufer Muschelkalkplatte, Saale-Elster-Buntsandsteinplatte) gebildet werden. Südlich des Thüringer Beckens liegen der Thüringer Wald (der Große Beerberg bildet mit 982 m über dem Meeresspiegel die höchste Erhebung Thüringens) und das auf der Linie Gehren-Schleusingen unmittelbar angrenzende Thüringer Schiefergebirge, das ohne deutliche Grenze in den Frankenwald übergeht, dessen Nordteil in Thüringen liegt. Dem östlichen Thüringer Schiefergebirge ist die 30 km lange, fruchtbare Orlasenke vorgelagert. Im Südwesten erstreckt sich zwischen Thüringer Wald, der nach Thüringen hineinziehenden Kuppenrhön und Hohen Rhön (Rhön) und dem Grabfeld die hügelige, in Buntsandstein und Muschelkalk angelegte Werrasenke. Im Norden gehören Teile des Südharzes (Unterharzes), der Kyffhäuser sowie der Westteil der fruchtbaren Goldenen Aue zu Thüringen. Im äußersten Nordwesten liegt das Eichsfeld. Der Osten wird von der Ostthüringisch-Vogtländischen Hochfläche (Oberland), die von der Saale mit den größten Stauanlagen Thüringens (Bleiloch-, Hohenwartetalsperre) und von der Weißen Elster durchflossen wird, eingenommen. Ein kleines Gebiet im Nordosten liegt in der Leipziger Tieflandsbucht.
Das ozeanisch geprägte Klima wird durch die Vielseitigkeit des Reliefs modifiziert. Wärmebegünstigt sind das Thüringer Becken, die Orla- und Werrasenke sowie das Unstrut- und Saaletal. Der Thüringer Wald hat ein raues, niederschlagsreiches (bis 1 300 mm im Jahr) Klima. Im Januar liegen die mittleren Temperaturen in Thüringen zwischen —0,2 und —2,2 ºC, im Juli zwischen 15,5 und 17,8 ºC, in den Gipfellagen des Thüringer Waldes entsprechend bei —4,0 ºC beziehungsweise 12,5 ºC. Im Winter sind Inversionswetterlagen häufig, die negative Temperaturwerte in den Beckenlandschaften und Senken und positive in den Gebirgskammlagen bringen. Relativ niederschlagsarm ist das Thüringer Becken (450-600 mm im Jahr); das im Regenschatten des Harzes liegende Gebiet um Artern (zum Teil unter 450 mm im Jahr) zählt zu den trockensten Gebieten in Deutschland.
Thüringen gehört mit einem Waldanteil von 28,6 % zu den waldreichen Bundesländern. Große Waldgebiete weisen die Mittelgebirge, besonders der Thüringer Wald, die Ostthüringisch-Vogtländische Hochfläche (Holzland um Stadtroda) und die Ränder des Thüringer Beckens auf. Vorherrschend ist Laub- (Buchen-, zum Teil auch Birken-Stieleichen-Wälder), in den höheren Lagen der Mittelgebirge Nadelwald (Fichten-, zum Teil Tannen-Kiefern-Wälder). - Thüringen besitzt 202 Naturschutz- (Gesamtfläche 20 955 ha), 66 Landschaftsschutzgebiete (378 247 ha), zwei Biosphärenreservate (Rhön, Vessertal; 65 573 ha) und einen Nationalpark (Hainich; 7 500 ha).
Mit 151 Einwohnern/km2 gehört Thüringen zu den schwächer besiedelten Bundesländern. Von den Bewohnern sind 1,7 % Ausländer. Die Geburtenrate betrug (1999) 6,9 ‰, die Sterberate 10,8 ‰. Ende 1998 waren 14,1 % der Bevölkerung bis 15 Jahre alt, 70,1 % 15 bis 65 Jahre alt und 15,8 % 65 Jahre und älter. Am geringsten sind die landwirtschaftlich strukturierten Kreise des Thüringer Beckens und die Gebiete im äußersten Südwesten besiedelt, am stärksten die wirtschaftlichen Kernräume zwischen Eisenach und Weimar, die Gebirgsrandzone längs des Thüringer Waldes und Thüringer Schiefergebirges sowie des Südharzes und die Täler von Saale und Weißer Elster. Den verhältnismäßig wenigen größeren Städten (Erfurt, 201 300 Einwohner; Gera, 114 700 Einwohner; Jena, 99 800 Einwohner; Weimar, 62 500 Einwohner; Suhl, 49 200 Einwohner) steht ein kleingliedriges ländliches Siedlungsnetz und eine relativ große Zahl von Kleinstädten zwischen 2 000 und 5 000 Einwohner gegenüber. Ende 1999 lebten 11,9 % der Bevölkerung in Dörfern mit weniger als 1 000 Einwohner, 39,3 % in Orten von 1 000 bis 10 000 Einwohner, 35,9 % in Gemeinden von 10 000 bis 100 000 Einwohner und 12,9 % in Städten mit mehr als 100 000 Einwohnern. Die bäuerlichen Gehöfte sind, soweit sie in der ursprünglichen Anlage noch vorhanden sind, fränkisch. Drei- und Vierseithöfe; bei den Häusern im Frankenwald ist Schieferverkleidung typisch. Die Bauernhöfe bilden in der Ebene und im Hügelland meist Haufendörfer, oft um einen Dorfteich oder Anger gruppiert. In den engen Gebirgstälern überwiegen Reihendörfer. Der Altstadtgrundriss der meisten Städte zeigt einen viereckigen Marktplatz und sich rechtwinklig schneidende Straßen.
28,2 % der Bevölkerung gehören einer evangelischen Landeskirche an, 8,6 % (besonders im Eichsfeld) der katholischen Kirche. Thüringen umfasst das Kirchengebiet der »Evangelisch-Lutherischen Kirche in Thüringen«, Teile des Kirchengebietes der Evangelischen Kirche der Kirchenprovinz Sachsen und das Dekanat Schmalkalden der »Evangelischen Kirche von Kurhessen-Waldeck« sowie seitens der katholischen Kirche das Bistum Erfurt, das Dekanat Geisa des Bistums Fulda, in Ostthüringen Teile des Bistums Dresden-Meißen und eine Pfarrei des Bistums Magdeburg. Die »Jüdische Landesgemeinde Thüringen« zählt rd. 500 Mitglieder (Gemeinde Erfurt).
Das Schulwesen ist im Thüringer Schulgesetz vom 6. 8. 1993 geregelt. Es gibt folgende Schularten: Grundschule, Regelschule, Gymnasium, Förderschule und berufsbildende Schule. Die Regelschule fasst in der fünften und sechsten Klasse alle Schüler zusammen, ab der siebten Klasse können auf den Haupt- beziehungsweise Realschulabschluss bezogene Klassen gebildet werden, oder es kann eine Differenzierung nach Kursen erfolgen. Auch ein Wechsel in Klasse 7 des Gymnasiums ist möglich. Das Abitur wird nach zwölf Schuljahren abgelegt. Alle Schullaufbahnen schließen mit zentral vorgegebenen Prüfungen ab. Auf Hochschulebene gibt es Universitäten in Erfurt, Ilmenau (TU), Jena (Friedrich-Schiller-Universität) und Weimar (Bauhausuniversität), Fachhochschule in Erfurt, Jena, Nordhausen und Schmalkalden, eine PH in Erfurt, eine Hochschule für Musik in Weimar sowie ein Philosophisch-Theologisches Studium in Erfurt.
Wirtschaft und Verkehr:
Für Thüringen haben industrielle Produktion, Landwirtschaft einschließlich Gartenbau und Fremdenverkehr ein besonderes Gewicht. Der Übergang von der sozialistischen Plan- zur sozialen Marktwirtschaft war mit einer tief greifenden Anpassung und Umwandlung der Wirtschaftsstruktur verbunden. Der starke Rückgang einzelner Branchen, besonders in industriell monostrukturierten Gebieten in Nord- (Kali-, Textilindustrie) und Ostthüringen (Braunkohlen-, Uranbergbau, Maschinenbau) führte zu erheblicher Arbeitslosigkeit und zu einem Rückgang der Zahl der Erwerbstätigen von (1989) 1,6 Mio. auf (1999) 1,1 Mio. Der wirtschaftliche Aufschwung ab 1992, besonders durch deutliche Zuwächse im verarbeitenden Gewerbe und Dienstleistungssektor und die Entwicklung des Handwerks, liegt hinsichtlich des realen Zuwachses des Bruttoinlandsprodukts (BIP) von (1998) 2,4 % um 0,4 % über dem Durchschnitt der neuen Bundesländer. Von den Erwerbstätigen waren 1999 4,1 % in der Landwirtschaft, 29,7 % im produzierenden Gewerbe, 20,1 % im Handel, Gastgewerbe und Verkehr sowie 38,8 % im übrigen Dienstleistungsbereich tätig; 7,8 % waren selbstständig. Das BIP je Erwerbstätigen stieg 1991-98 von 24 400 auf 68 400 DM; Thüringen liegt damit leicht unter dem Durchschnitt der neuen Bundesländer und Berlin-Ost (70 900 DM) und bei 67 % des Durchschnittswertes für Deutschland.
Land- und Fortswirtschaft sind mit (1998) 1,8 % an der Bruttowertschöpfung beteiligt. Die Privatisierung volkseigener und genossenschatlicher Betriebe nach 1990 war mit einem starken Anstieg der Arbeitslosigkeit verbunden (Rückgang der Arbeitskräfte 1989-98 von 130 000 auf 28 200). Die landwirtschaftliche Nutzfläche (LN) umfasst (1999) 49,8 % der Gesamtfläche Thüringens; sie wird von 5 120 Betrieben bewirtschaftet, zu denen 568 juristische Personen (darunter 278 GmbH und 213 eingetragene Genossenschaften) mit einer durchschnittlichen Wirtschaftsfläche von 947,5 ha und 4 552 natürlichen Personen (davon 4 182 Einzelpersonen und 306 Gesellschaften des bürgerlichen Rechts) mit 58,6 ha durchschnittliche Wirtschaftsfläche gehören. Das Pachtland umfasst etwa 93 %. Von der landwirtschaftlichen Nutzfläche sind 77,6 % Ackerland, 22,0 % Dauergrün- und 0,4 % Obstbauland. Die Ackerfläche, verbreitet von höchster Bodengüte, wurde 1999 zu 59,2 % mit Getreide (besonders Weizen, Gerste, Roggen), 11,7 % mit Futterkulturen, 2,0 % mit Zuckerrüben, 0,6 % mit Kartoffeln und 15,7 % mit Winterraps bestellt. Hauptgebiete des Ackerbaus sind das Thüringer Becken, die Orlasenke und das Gebiet südlich von Altenburg; im Eichsfeld und Werragebiet zusätzlich Tabakanbau. In den höheren Lagen der Mittelgebirge dominiert die Grünlandnutzung (verbunden mit Jungrinderaufzucht), in den Tälern von Saale und Weißer Elster sowie am Kyffhäuser Obstbau und Gemüseanbau, um Erfurt Gemüseanbau und Blumenzucht (Saatzuchtbetriebe). Im Vergleich zu 1992 nahmen die Viehbestände bis 1999 bei Rindern um 28 % auf 564 600 (bei Milchkühen Abnahme um 6 % auf 147 000) und Schweinen um 17 % auf 650 800 ab, bei Schafen um 5 % auf 233 600 und Geflügel um 32 % auf 4,68 Mio. zu.
Die Waldfläche wird von (1999) 2 772 Betrieben mit Waldfläche bewirtschaftet, davon sind 1 382 Forstbetriebe. Sie ist zu 14,4 % im privaten Besitz, 19,0 % gehören Körperschaften und 66,6 % dem Staat. 42 % der Bäume sind schwach, 29 % starke geschädigt (besonders die Eichen).
Durch die relative Armut an natürlichen Seen spielt die Binnenfischerei eine untergeordnete Rolle. Intensive Fischzucht wird nur im Gebiet der Schleizer Seenplatte mit dem Plothener Teichgebiet im Saale-Orla-Kreis betrieben.
Thüringen besitzt mannigfaltige Bodenschätze, besonders Stein- und Kalisalze (Südharzrevier um Bleicherode, Sondershausen und Roßleben sowie das Werrarevier um Merkers-Kieselbach bei Bad Salzungen), Nichteisenmetall- (besonders Kupfer-) und Eisenerze, Uranpechblende, Flussspat, Erdgas (in geringen Mengen bei Bad Langensalza und Mühlhausen/Thüringen), Braunkohle (zwischen Altenburg und Meuselwitz) sowie verschiedene Baustoffe. Von dem bis 1990 umfangreichen Kalibergbau blieb nur ein Kalischacht in Unterbreizbach bei Vacha (Werrarevier) in Betrieb (Bischofferode); der Kaliabbau in den übrigen Gebieten wurde wie der Uranerzbergbau, die Gewinnung von Braunkohle und der Erzbergbau eingestellt. Im Gebiet Probstzella-Lehesten-Wurzbach befinden sich die größten Schieferbrüche Europas.
Sie ist seit 1990 von einem tief greifenden Strukturwandel geprägt, dessen Hauptmerkmale ein Rückgang des Energieverbrauchs und die Abkehr von der einseitigen Ausrichtung auf Braunkohle zugunsten des Einsatzes von Mineralöl und Erdgas sind. An der oberen Saale Pumpspeicherwerke.
Nach 1989/90 gingen durch Strukturwandel und Marktanpassung die industriellen Kapazitäten drastisch zurück, wenngleich sich die generellen Strukturproportionen nicht wesentlich veränderten. Die Zahl der Beschäftigten im produzierenden Gewerbe verringerte sich 1989-99 von 817 000 auf 186 600, davon sind 65,8 % im verarbeitenden Gewerbe und 29,1 % in der seit 1996 rückläufigen Bauwirtschaft tätig. Die Industrie ist v. a. im südlichen Thüringer Becken entlang der Städtelinie Eisenach-Gotha-Erfurt-Weimar, an den Rändern und im Vorland des Thüringer Waldes sowie in den Tälern von Saale und Weißer Elster konzentriert. Gemessen am Umsatz hat die Nahrungsmittel- und Genussmittelindustrie mit den Hauptstandorten Erfurt, Gotha, Weimar, Mühlhausen/Thüringen und Nordhausen (Spirituosen, Tabakwaren) die größte Bedeutung, gefolgt vom Straßenfahrzeugbau (größte Zuwachsraten durch den Ausbau des Hauptstandortes Eisenach; umfangreiche umliegende Zulieferindustrie), von der Glasindustrie (Glasinstrumente, Thermometer, Christbaumschmuck) in und um Ilmenau und Lauscha, der Porzellanherstellung in Kahla und Triptis und dem Maschinenbau (Erfurt, Arnstadt, Nordhausen, Gera, Saalfeld/Saale, Zeulenroda). Bedeutungsvoll sind außerdem die Kleineisen- und Werkzeugproduktion (Werkzeuge und Jagdwaffen in Suhl, Schmalkalden und Zella-Mehlis), die elektronische Industrie und der Gerätebau in Jena (traditionsreiches Zentrum des wissenschaftlichen Präzisionsgerätebaus in zwei Nachfolgeunternehmen des ehemaligen Großbetriebs Carl Zeiss Jena), Sömmerda, Erfurt, Hermsdorf, Eisenach, Arnstadt, Ruhla (Uhren), Zella-Mehlis, Suhl, Sonneberg, Meiningen und Neuhaus am Rennweg; Sonneberg ist Zentrum der Spielzeugindustrie, Zeulenroda, Triebes und Eisenberg des Möbelbaus. In Ostthüringen (Gera, Zeulenroda) und dem Eichsfeld ist die Textilindustrie verbreitet. Bedeutung haben auch die Produktion von Pharmazeutika (Jena, Weimar), Zement (Deuna), Stahl (Unterwellenborn) und Chemiefasern (Rudolstadt-Schwarza) sowie die Druckereien in Pößneck, Gotha (kartographische Erzeugnisse) und Altenburg (Spielkarten).
Dank der Modernisierung und dem Ausbau der Fremdenverkehrseinrichtungen stieg die Zahl der Übernachtungen bei einer durchschnittlichen Aufenthaltsdauer von drei Tagen 1991-99 von 2,87 Mio. auf 8,66 Mio. an, davon waren 0,4 Mio. Gäste aus dem Ausland. Die bedeutendsten Fremdenverkehrsregionen sind Thüringer Wald, Thüringer Schiefergebirge mit dem vorgelagerten Saaletal, Kyffhäuser und Südharz; der Thüringer Wald ist für den Wintersport (Zentrum Oberhof) wichtig. Thüringen hat bedeutende Kurorte wie Bad Liebenstein, Bad Berka, Bad Sulza und Bad Langensalza. Beiderseits der Klassikerstraße Thüringens liegen kulturhistorische und kulturelle Anziehungspunkte, besonders die Goethe- und Schillergedenkstätten in Weimar, die Luther- und Bachgedenkstätten in Eisenach (mit der Wartburg) und Arnstadt sowie die Thomas-Müntzer-Gedenkstätten in Mühlhausen/Thüringen, außerdem Sehenswürdigkeiten in Erfurt, Gotha, Jena und Suhl.
Verkehr:
Die zentrale Lage macht Thüringen zu einem wichtigen Durchgangsland im West-Ost- und Nord-Süd-Verkehr. Das Verkehrsnetz umfasst etwa 1 950 km Eisenbahnstrecken und (1999) 310 km Bundesautobahnen, 1 953 km Bundes-, 5 642 km Landes-, 2 443 km Kreis- und 13 630 km Gemeindestraßen. Die infolge der Spaltung Deutschlands teilweise unterbrochenen Eisenbahn-, Autobahn- und Straßenverbindungen nach Hessen und Bayern wurden neu geknüpft und das Verkehrsnetz im großen Umfang modernisiert, darunter der Ausbau mehrerer Eisenbahnstrecken im Rahmen der Verkehrsprojekte Deutsche Einheit sowie der Ausbau der Autobahnen Frankfurt am Main-Erfurt-Dresden und Berlin-Hermsdorfer Kreuz-München; begonnen wurde der Bau der Südharzautobahn Halle (Saale)-Göttingen und der Thüringer-Wald-Autobahn Erfurt-Schweinfurt/Suhl-Lichtenfels. Umstritten zwischen Sachsen und T. ist die ICE-Trassenführung der Bahnstrecke Nürnberg-Halle (Saale)/Leipzig-Berlin. Wichtigster Eisenbahnknotenpunkt ist Erfurt, wo sich auch ein internationaler Flughafen (1999: 532 000 Fluggäste) befindet.
Das heutige Thüringen war schon lange germanisches Siedlungsland gewesen, als Anfang des 5. Jahrhunderts die Thüringer, deren Name dem Land fortan anhaftete, ihr Siedlungsgebiet weit über den landläufig als Thüringen bezeichneten Raum hinausschoben und ein Königreich gründeten. Es wurde 531 bei Burgscheidungen (?) von den Franken und (nach Widukind von Corvey) ihnen verbündeten Sachsen besiegt. Der auf das Gebiet zwischen Harz und Unstrut sowie Thüringer Wald, Werra und Saale eingeengte Stamm der Thüringer kam unter fränkischen Einfluss und wurde im 8. Jahrhundert missioniert (u. a. Bonifatius). Im 9. Jahrhundert bildete das thüringische Grenzland an der Saale einen wichtigen Abschnitt an der Ostgrenze des Fränkischen Reiches. Umfangreichen Besitz erwarben die (hessischen) Reichsklöster Fulda und Hersfeld. Erfurt, stets der zentrale Ort von Thüringen, kam an das Erzbistum Mainz (Kurmainz). Seit dem Übergang des (deutschen) Königtums auf die sächsischen Liudolfinger, die um 900 in Thüringen Fuß gefasst hatten, gehörte das Land zum Kerngebiet des (späteren) Heiligen Römischen Reiches (Pfalzen in Erfurt, Tilleda, Wallhausen, Allstedt; Kloster Memleben). Nach 933 (Schlacht bei Riade) kam es zur Eroberung slawischen Siedlungsraumes im Osten. Im 11. und 12. Jahrhundert traten mächtige Adelsgeschlechter hervor, deren bedeutendstes, die Ludowinger, auch reichen hessischen Besitz erworben hatte und um 1130 von König Lothar III. mit der Landgrafenwürde ausgezeichnet wurde (seit 1122 Herrschaftsverbindung mit Hessen). Sie taten sich sowohl als Reichsfürsten als auch als Kreuzfahrer, Förderer des Kirchenwesens (v. a. Ludwig IV., Gemahl der heiligen Elisabeth) und des Minnesangs (v. a. Hermann I.) hervor. Der Aufbau eines einheitlichen Territorialstaates gelang ihnen jedoch nicht. Als sie mit Heinrich Raspe, ab 1246 Gegenkönig von Friedrich II., 1247 im Mannesstamm ausstarben, kam es zum Thüringer Erbfolgekrieg (bis 1263/64); der hessische Anteil der Ludowinger fiel an die Grafen von Brabant (Heinrich I., das Kind), Thüringen kam an die Wettiner Markgrafen von Meißen (Heinrich III.). Das bisher nach Westen orientierte Thüringen trat damit in enge Verbindung zum mitteldeutschen Osten, der gerade der deutschen Ostsiedlung erschlossen war. Die Wettiner setzten sich gegen die heimischen Herrengeschlechter durch (Grafenkrieg 1342-46), nur Schwarzburg, Reuß (beide später in zum Teil mehrere Linien verzweigt) und südlich des Thüringer Waldes Henneberg stiegen zu eigener Landesherrschaft auf. Erfurt, wo 1379 eine Universität gegründet wurde, blieb in loser Abhängigkeit vom Erzbistum Mainz, dem ab 1334/42 auch das Untere Eichsfeld gehörte. Mühlhausen und Nordhausen waren Reichsstädte. 1294 verkaufte Markgraf Albrecht der Entartete von Meißen Thüringen an König Adolf von Nassau, der aber den Besitz so wenig wie sein Nachfolger Albrecht I. halten konnte. In der Schlacht bei Lucka 1307 konnten die meißnischen Wettiner die Mark Meißen sowie Thüringen zurückgewinnen. 1353 gewannen die Wettiner Coburg, 1372 die Grafschaft Weimar-Orlamünde, 1583 die Grafschaft Henneberg und brachten auch die Vogtei über die Reichsstädte Mühlhausen und Nordhausen an sich; doch auch ihnen gelang die Bildung eines geschlossenen Territoriums nicht. Neben den Territorien der Schwarzburger, Henneberger, Gleichen und Reußen bestanden im 16. Jahrhundert noch die Landgebiete der Städte Erfurt, Mühlhausen und Nordhausen; durch die Leipziger Teilung von 1485 hatten die Wettiner ihren Besitz in Thüringen selbst zersplittert: Die Hauptmasse von Eisenach im Westen bis Zwickau im Osten, von Coburg im Süden bis Buttstädt im Norden war an die Ernestiner gekommen (Kursachsen; mit Hessen ab 1526 protestantische Führungsmacht, 1531 Schmalkaldischer Bund), der Norden von Groitzsch im Osten bis östlich von Treffurt im Westen an die albertinische Linie. Das ernestinische Thüringen wurde ab 1572 durch häufige Teilungen (bis zu zehn Linien) stark zersplittert; besonders das (Groß-)Herzogtum Sachsen-Weimar-Eisenach war Ende des 18. Jahrhunderts ein geistiger Mittelpunkt Deutschlands (Weimarer Klassik). Am Ende des 17. Jahrhunderts bestanden neben zehn Linien der Ernestiner neun der Reußen, drei der Schwarzburger; das Erzbistum Mainz hatte 1664 die Landesherrschaft über Erfurt gewonnen und war seit 1423 im Eichsfeld zu einem größeren Territorium gelangt; Brandenburg hatte sich mit dem Saalkreis nach Thüringen vorgeschoben.
Die albertinischen Teile, seit 1547 (Wittenberger Kapitulation) kursächsisch (Thüringer Kreis, Kreis Schleusingen), seit 1806 königlich sächsisch, fielen 1815 an Preußen (Provinz Sachsen [Sachsen-Anhalt, Geschichte]), das schon 1803 Erfurt, das Eichsfeld, Nordhausen und Mühlhausen gewonnen hatte. Seit 1826 gab es vier ernestinische Sächsische Fürstentümer; außerdem bestanden noch die Fürstentümer Schwarzburg (Rudolstadt und Sondershausen) und Reuß (jüngere und ältere Linie).
In einem unblutigen Umsturz während der Novemberrevolution 1918 bildeten sich nach Abdankung der Fürsten die acht Fürstentümer zu »Freistaaten« auf der Basis von Arbeiter- und Soldatenräten um. Nach den Landtagswahlen (bis März 1919) konstituierten sich parlamentarisch-demokratische Regierungen. Von Februar bis August 1919 tagte in Weimar die deutsche Nationalversammlung. Auf der Grundlage eines Gemeinschaftsvertrages (20. 6. 1919 schlossen sich die thüringischen Freistaaten - mit Ausnahme Coburgs - am 4. 1. 1920 zu einem Bundesstaat, am 1. 5. 1920 zum »Land Thüringen« mit der Hauptstadt Weimar zusammen. Coburg hatte sich zuvor in einer Volksabstimmung am 30. 11. 1919 für eine Vereinigung mit Bayern ausgesprochen. Am 12. 5. 1920 erhielt Thüringen eine »vorläufige«, am 11. 3. 1921 eine »endgültige« Verfassung. Zwischen 1921 und 1932 verschoben sich die politischen Akzente von sozialdemokratisch geführten Regierungen (1921-23/24 unter August Fröhlich, * 1877, ✝ 1966) über bürgerlich-konservative Kabinette (1924-32) zu einer nationalsozialistischen bestimmten Regierung (seit 1932; 1. NSDAP-Regierung in Deutschland); nach der Gleichschaltung der deutschen Länder mit dem Reich (1933) unterstand Thüringen einem Reichsstatthalter (F. Sauckel), der am 1. 7. 1944 auch die Zuständigkeit über den Regierungsbezirk Erfurt (bisher: preußische Provinz Sachsen) und den Kreis Schmalkalden (bisher preußische Provinz Hessen-Nassau) erhielt.
Am 9. 6. 1945 setzte die amerikanische Militärregierung (seit April 1945) H. Brill (SPD) als Regierungspräsident ein. Nach Besatzungswechsel und Abzug der amerikanischen Truppen (1. bis 6. 7. 1945) kam das Land zur SBZ; Hauptstadt wurde Weimar, der Regierungssitz aber 1948-52 nach Erfurt verlegt. Die sowjetische Militäradministration ernannte am 16. 7. 1945 Rudolf Paul (* 1893, ✝ 1978; parteilos, ab 1946 SED) zum Ministerpräsidenten, der die Umwandlung Thüringens im Sinne der sowjetischen Besatzungsmacht und der von ihr geförderten SED einleitete. Bei den Landtagswahlen vom 20. 10. 1946 wurde die SED stärkste Partei (50 Sitze); die LDP erhielt 28, die CDU 19 und die Vereinigung der gegenseitigen Bauernhilfe (VdgB) drei Sitze. Auf der Grundlage des von der SED gelenkten Blocksystems bildeten Paul im Dezember 1946 und (nach dessen Flucht in den Westen, 1. 9. 1947) Werner Eggerath (* 1900, ✝ 1977; SED) im September 1947 Landesregierungen. Am 20. 12. 1946 erhielt Thüringen eine Verfassung (die erste der SBZ). 1949 wurde Thüringen Land der DDR, das im Juli 1952 auf die drei DDR-Bezirke Erfurt, Gera und Suhl aufgeteilt wurde; der Raum Altenburg kam zum Bezirk Leipzig.
Durch das Ländereinführungsgesetz vom 22. 7. 1990 wurde das Land Thüringen zum 3. 10. 1990 wiederhergestellt (seit 1993 Freistaat). Aus Landtagswahlen ging die CDU bisher als stärkste Partei hervor und stellte, 1990-94 in Koalition mit der FDP, seit 1994 in Koalition mit der SPD, die Ministerpräsidenten Josef Duchač (* 1938; 1990-92) und B. Vogel (ab Februar 1992).
H. Patze: Die Entstehung der Landesherrschaft in T. (1962);
Gesch. T.s, hg. v. H. Patze: u. a., 9 Tle. (1-21967-85);
U. Hess: Gesch. der Behördenorganisation der thüring. Staaten u. des Landes T. von der Mitte des 16. Jh. bis zum Jahr 1952 (1993);
J. John u. a.: Gesch. in Daten - T. (1995);
Geologie von T., hg. v. G. Seidel (1995).
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Thü|rin|gen; -s: Bundesland der Bundesrepublik Deutschland.
Universal-Lexikon. 2012.