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analytische Geometrie
analytische Geometrie,
 
Teilgebiet der Mathematik, in dem geometrischen Gebilde und Sachverhalte mit algebraischen Mitteln (v. a. Mengen von Zahlenpaaren, -tripeln usw. und algebraische Gleichungen) beschrieben und behandelt werden. Wesentliches Hilfsmittel ist dabei die Einführung von Koordinaten und (zumeist kartesischen) Koordinatensystemen.
 
In der analytischen Geometrie der Ebene (ebene analytische Geometrie) ordnet man den Punkten einer Ebene mithilfe eines ebenen kartesischen Koordinatensystems die geordneten Paare reeller Zahlen (x, y ) zu, entsprechend in der analytischen Geometrie des Raumes (räumliche analytische Geometrie) den Punkten des dreidimensionalen Raumes mithilfe eines räumlichen kartesischen Koordinatensystems die geordneten Tripel reeller Zahlen (x, y, z ) und, verallgemeinert, in der analytischen Geometrie der n -dimensionalen Räume deren Punkten die geordneten n -Tupel reeller Zahlen (x1, x2,. .., xn ). Durch Anwendungen des pythagoreischen Lehrsatzes lässt sich der Abstand zweier Punkte der Ebene oder des Raumes angeben. Geometrische Figuren (z. B. Geraden, Kreise u. a. Kurven in der Ebene, Ebenen, Kugeln u. a. Flächen im Raume) werden durch Mengen von Zahlenpaaren beziehungsweise Zahlentripeln beschrieben, die in der Regel Lösungsmengen von algebraischen Gleichungen in zwei beziehungsweise drei Variablen (die jeweiligen Koordinaten) sind. Man kann auf diese Weise geometrische Figuren durch Zahlen und Gleichungen beschreiben sowie geometrische Aussagen in algebraische Aussagen und umgekehrt übersetzen. So werden allgemein die Kegelschnitte (Kreis, Ellipse, Hyperbel und Parabel) durch Gleichungen zweiten Grades beschrieben; z. B. kann man die Parabel durch den Ursprung des Koordinatensystems mithilfe der Gleichung y = x2 beschreiben. Weitere Beispiele: Die Punkte (x, y ) der Ebene, die der Ungleichung x2 + y2 16 genügen, sind genau die Punkte der Ebene, die innerhalb eines Kreises mit dem Radius 4 um den Nullpunkt des Koordinatensystems liegen. Löst man das Gleichungssystem y = x2 und y = x nach x und y auf, so erhält man als Lösungen die Koordinaten der Schnittpunkte der durch y = x2 dargestellten Parabel mit der durch y = x dargestellten Geraden zu (0,0) und (1,1). Im dreidimensionalen Fall liegen im Allgemeinen gekrümmte, durch algebraische Gleichungen beschriebene Flächen im Raum oder - als Schnittflächen solcher algebraischen Flächen - Raumkurven (algebraische Kurven) vor. Die Ebenen im Raum lassen sich durch lineare Gleichungen der Form ax + by + cz = d darstellen. Den Kegelschnitten in der Ebene entsprechen im Raum die Flächen zweiter Ordnung oder Quadriken (Kugel, Ellipsoid, Hyperboloid, Paraboloid, hyperbolischer und parabolischer Zylinder). Entsprechend werden in n -dimensionalen Räumen Hyperflächen u. a. algebraische Mannigfaltigkeiten betrachtet. - Von besonderem Nutzen sind in der analytischen Geometrie die Methoden der Vektor- und Tensorrechnung (Vektor, Tensor). Daher ist die lineare Algebra als Theorie der Vektorräume in ihr von wesentlicher Bedeutung. Außer der Berechnung von Schnittpunkten, Tangenten und deren Berührungspunkten u. a. behandelt die analytische Geometrie auch Transformationen oder Abbildungen (z. B. Affinitäten) und ihre Invarianten. Durch Anwendung geeigneter Transformationen der Koordinaten können Probleme der analytischen Geometrie oft vereinfacht werden.
 
Geschichte:
 
Die analytische Geometrie reicht in ihren Anfängen bis in die 1. Hälfte des 17. Jahrhunderts zurück, als P. de Fermat und R. Descartes durch Anwendung der Buchstabenrechnung (Algebra, damals auch »ars analytica« genannt) auf geometrische Probleme unter Bezug auf zunächst eine Achse in der Ebene einen beachtlichen Fortschritt gegenüber der rein synthetischen Geometrie, wie sie aus dem Altertum überliefert war, erzielten. Erst allmählich erkannten ihre Nachfolger die Vorteile der Verwendung von zwei gleichberechtigten Achsen in der Ebene (oder eines dreiachsigen Systems im Raum), wie sie heute üblich ist. Seit Erfindung der Infinitesimalrechnung durch J. Gregory, I. Newton und G. W. Leibniz in der 2. Hälfte des 17. Jahrhunderts wurde neben der Algebra auch die Differenzialrechnung besonders bei der Untersuchung gekrümmter Kurven und Flächen mit herangezogen. Daraus entstand als selbstständiges Gebiet der Mathematik die Differenzialgeometrie.
 
Neben Descartes' »Géométrie« von 1637 (de Fermats maßgebliche Abhandlung erschien erst 1679 postum) bildeten Newtons Schrift »Enumeratio linearum tertii ordinis« (1704), worin die ebenen Kurven 3. Ordnung nach ihren Gleichungen klassifiziert und grafisch dargestellt sind, und L. Eulers große »Introductio in analysin infinitorum« (1748), deren zweiter Band die analytische Geometrie in der Ebene und im Raum behandelt, Marksteine in der Geschichte der analytischen Geometrie. Gegen Ende des 18. Jahrhunderts wurde sie durch französische Mathematiker (G. Monge, L. Carnot, J. de Lagrange) weiter ausgearbeitet; erst bei ihnen werden beide Achsenkoordinaten in der Ebene völlig gleichwertig verwendet. Neue Ideen und Methoden, die durch A. F. Moebius, J. Plücker u. a. in Verbindung mit der zeitgenössischen geometrischen Entwicklung in die analytische Geometrie Eingang fanden, führten im 19. Jahrhundert zur fortschreitenden Durchdringung der geometrischen Arbeitsrichtungen. Die Einbeziehung von Vektor- und Tensorrechnung und der Übergang zu Räumen höherer Dimensionen wurde von H. Grassman, W. R. Hamilton und A. Cayley vollzogen.
 
Literatur:
 
K. Leichtweiss u. L. Profke: A. G. (1972);
 K. Fladt u. A. Baur: A. G. spezieller Flächen u. Raumkurven (1975);
 H. Schaal u. E. Glässner: Lineare Algebra u. a. G., 3 Bde. (1-21976-81);
 M. Koecher: Lineare Algebra u. a. G. (31992);
 Gerd Fischer: A. G. (61992);
 M. Andrié u. Paul Meier: Lineare Algebra u. a. G. (71992).

Universal-Lexikon. 2012.