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Fusionskontrolle
Fusionskontrolle,
 
Zusammenschlusskontrolle, 1973 in das Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) eingeführtes Instrument der Wettbewerbspolitik, das dazu dienen soll, wettbewerbspolitisch unerwünschte Unternehmenszusammenschlüsse zu untersagen, um den Prozess der wirtschaftlichen Konzentration zu begrenzen. Das GWB in der Fassung vom 26. 8. 1998 unterscheidet Anzeigepflichten, Aufgreifkriterien (nur bestimmte, v. a. größere Unternehmenszusammenschlüsse sind wettbewerbspolitisch bedenklich) und Untersagungskriterien. Zusammenschlüsse sind vor dem Vollzug beim Bundeskartellamt anzumelden, wenn die beteiligten Unternehmen im letzten Geschäftsjahr insgesamt weltweit Umsatzerlöse von mehr als 1 Mrd. DM und mindestens ein beteiligtes Unternehmen im Inland Umsatzerlöse von mehr als 50 Mio. DM erzielt haben (§ 35 GWB). Bei Kreditinstituten und Bausparkassen treten an die Stelle des Umsatzes die Bilanzsumme, bei Versicherungen die Prämieneinnahmen.
 
Ein Zusammenschluss, von dem zu erwarten ist, dass er eine marktbeherrschende Stellung begründet oder verstärkt, ist zu untersagen (§ 36 GWB). Als marktbeherrschend gilt ein Unternehmen, wenn es ohne Wettbewerber ist oder keinem wesentlichem Wettbewerb ausgesetzt ist oder eine überragende Marktstellung innehat. Bei der Beurteilung der Marktstellung finden Marktanteil und -zugang, Finanzkraft, Verflechtungen mit anderen Unternehmen und die Wahlmöglichkeiten von Abnehmern und Lieferanten Berücksichtigung. Als marktbeherrschend gilt danach ein einzelnes Unternehmen, wenn es einen Marktanteil von mindestens einem Drittel hat. Marktbeherrschung wird ferner vermutet, wenn bis zu drei Unternehmen zusammen die Hälfte des Umsatzes auf dem betreffenden Markt oder bis zu fünf Unternehmen zusammen zwei Drittel des Marktumsatzes erzielen (§ 19 GWB).
 
Weisen die Unternehmen nach, dass durch den Zusammenschluss auch eine Verbesserung der Wettbewerbsbedingungen (z. B. auf anderen Märkten) eintritt und dass diese die Nachteile der Marktbeherrschung überwiegt, ist der Zusammenschluss zulässig (§ 36 Absatz 1 GWB). Wird dieser Nachweis nicht erbracht, kann der Bundesminister für Wirtschaft und Technologie auf Antrag die Erlaubnis dennoch erteilen, wenn die Wettbewerbsbeschränkung von gesamtwirtschaftlichen Vorteilen des Zusammenschlusses aufgewogen oder dieser durch ein überragendes Interesse der Allgemeinheit gerechtfertigt wird (§ 42 Absatz 1 GWB, »Ministererlaubnis«).
 
Seit Bildung der EG gab es eine Fusionskontrolle für Montanunternehmen (Art. 66 EGKS-Vertrag). Der EWG-Vertrag sah keine ausdrückliche Fusionskontrolle vor, jedoch konnte nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs ein den grenzüberschreitenden Wettbewerb beschränkender Zusammenschluss als Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung (Art. 86 EWG-Vertrag) interpretiert werden. Mit Blick auf die Vollendung des Europäischen Binnenmarktes wurde im Rahmen der EG eine Fusionskontroll-VO (VO Nummer 4064 vom 21. 12. 1989) erlassen, die am 21. 9. 1990 in Kraft trat. Die Fusionskontrolle gilt für Zusammenschlüsse von gemeinschaftsweiter Bedeutung. Diese liegt vor bei einem weltweiten Gesamtumsatz der beteiligten Unternehmen von mehr als 5 Mrd. Euro und einem gemeinschaftsweiten Gesamtumsatz von mindestens zwei der beteiligten Unternehmen von jeweils mehr als 250 Mio. Euro. Ausgenommen sind Zusammenschlüsse von Unternehmen, die jeweils mehr als zwei Drittel ihres Umsatzes in nur einem Mitgliedstaat erzielen. Zusammenschlüsse von gemeinschaftsweiter Bedeutung unterliegen nicht mehr der nationalen Fusionskontrolle der Mitgliedländer und müssen bei der Europäischen Kommission angemeldet werden. Sie werden von dieser untersagt, wenn sie eine beherrschende Stellung begründen oder verstärken, durch die wirksamer Wettbewerb auf dem gemeinsamen Markt oder auf einem wesentlichen Teil desselben erheblich behindert wird. Prüfungskriterien sind Marktanteile und -stellung (z. B. Finanzkraft, Marktzutrittsschranken, Wahlmöglichkeiten für Abnehmer und Lieferanten). Ferner berücksichtigt die Europäische Kommission bei ihrer Entscheidung die Entwicklung des technischen und wirtschaftlichen Fortschritts, sofern diese dem Verbraucher dient und den Wettbewerb nicht behindert. Anders als bei der Fusionskontrolle nach dem GWB werden also wettbewerbs- und industriepolitische Argumente von der gleichen Instanz geprüft und entschieden.
 
Literatur:
 
Bundeskartellamt: Tätigkeitsberichte (1959 ff.);
 
Bericht über die Wettbewerbspolitik, hg. von der Kommission der Europ. Gemeinschaften (1973 ff., früher u. a. T.);
 
Monopolkommission: Hauptgutachten (1976 ff);
 J. Neiser: Die Praxis der dt. F. (1981);
 K. Herdzina: Wettbewerbspolitik (41993);
 C. H. A. Jung: Subsidiarität im Recht der Wettbewerbsbeschränkungen (1995);
 Ingo Schmidt: Wettbewerbspolitik u. Kartellrecht (51996).
 
Hier finden Sie in Überblicksartikeln weiterführende Informationen:
 
Wettbewerb: Wettbewerbspolitik
 

Universal-Lexikon. 2012.