Ionesco
[jɔnɛs'ko], Eugène, rumänisch Eugen Ionẹscu, französischer Schriftsteller rumänischer Herkunft, * Slatina 26. 11. 1909, ✝ Paris 28. 3. 1994, Sohn eines Rumänen und einer Französin; studierte in Bukarest und Paris Romanistik, war Gymnasialdirektor in Bukarest und lebte seit 1938 in Frankreich. Ursprünglich Journalist, wirkte er später als Korrektor und freier Schriftsteller; ab den 1980er-Jahren wandte er sich verstärkt der Malerei zu.
Ionesco war v. a. Dramatiker. Mit seinem ersten Stück, »La cantatrice chauve« (1953, deutsch »Die kahle Sängerin«) setzte sich das absurde Theater auf der Bühne durch. In Ionescos Werk sind Wesenszüge der Dramen A. Jarrys und A. Artauds sowie Dichtungskonzeptionen G. Apollinaires und der Surrealisten, daneben auch Elemente der Farce und des Puppentheaters eingegangen. Indem er auf herkömmliche szenische und sprachliche Formen verzichtete, an die Stelle dramatischer Charaktere und Handlungsabläufe austauschbare Figuren setzte, die in banalen Situationen in Sprachklischees aneinander vorbeireden, machte er die Sinnleere konventionell geprägter gesellschaftlicher Normen deutlich. Der Zerfall sprachlicher Kommunikation hat tödliche Konsequenzen (»La leçon«, 1953, deutsch »Die Unterrichtsstunde«; »Les chaises«, 1954, deutsch »Die Stühle«). Seit Ende der 50er-Jahre nutzte Ionesco die Mittel des absurden Theaters, um existenzielle Probleme zu verarbeiten. Die immer wiederkehrende Hauptgestalt Bérenger (kleiner Angestellter in »Les rhinocéros«, 1959, deutsch »Die Nashörner«; Schriftsteller in »Le piéton de l'air«, 1963, deutsch »Fußgänger der Luft«; König in »Le roi se meurt«, 1963, deutsch »Der König stirbt«) unterliegt im Kampf gegen Massenwahn und Tod. Ionesco wollte sein Theater nicht als Instrument zur Vermittlung von Ideologie verstanden wissen. Unter dem Einfluss C. G. Jungs zielt es vielmehr auf eine Erweiterung des Realitätsbegriffs, der ein kollektives Unterbewusstsein mit archetypisch wiederkehrenden Konstellationen voraussetzt. Diese philosophischen Positionen werden auch in den Tagebüchern Ionescos deutlich.
Weitere Werke: Dramen: Jacques ou la soumission (1953; deutsch Jacques oder Sichfügen); Le nouveau locataire (1953; deutsch Der neue Mieter); Amédée ou Comment s'en débarrasser (1954; deutsch Amédée oder Wie wird man ihn los); Victimes du devoir (1954; deutsch Opfer der Pflicht); Tueur sans gages (1958; deutsch Mörder ohne Bezahlung); Le salon de l'automobile (1966); La soif et la faim (1966; deutsch Hunger und Durst); Jeux de massacre (1970; deutsch Das große Massakerspiel, auch unter dem Titel Der Triumph des Todes); Macbett (1972; deutsch); L'homme aux valises (1975; deutsch Der Mann mit den Koffern); Voyages chez les morts (1981; deutsch Reisen zu den Toten).
Essays: Antidotes (1977; deutsch Gegengifte); Un homme en question (1979; deutsch Ein Mann stellt sich); Pourquoi j'écris (1986; deutsch Warum ich schreibe?).
Roman: Le solitaire (1973; deutsch Der Einzelgänger, dramatisiert unter dem Titel Le formidable bordel!; deutsch Welch gigantischer Schwindel!).
Tagebücher: Journal en miettes (1967; deutsch Tagebuch); Présent passé, passé présent (1968; deutsch Heute und gestern, gestern und heute); La quête intermittente (1988).
Ausgaben: Théâtre, 6 Bände (1954-81).
Werke, herausgegeben von F. Bondy und anderen, 6 Bände (1985).
C. Petersen: E. I. (1976);
L. Schirmer: Avantgardist. u. traditionelle Aspekte im Theater von E. I. (1977);
C. Abastado: E. I. (Neuausg. Paris 1978);
I.: Situation et perspectives, hg. v. M.-F. I. (ebd. 1980);
F. Bondy: E. I. (19.-21. Tsd. 1991);
P. Vernois: La dynamique théâtrale d' E. I. (Paris 21991);
E. Cleynen-Serghiev: La jeunesse littéraire d'E. I. (ebd. 1993).
Universal-Lexikon. 2012.