Beckett
['bekɪt], Samuel Barclay, irisch-französischer Schriftsteller, * Dublin 13. 4. 1906, ✝ Paris 22. 12. 1989; stammte aus einer protestantischen Familie, studierte 1923-27 am Trinity College in Dublin (besonders Romanistik), war 1928-30 Lektor für Englisch an der École normale supérieure in Paris, gehörte dort bald zum Kreis um J. Joyce; 1931-32 Dozent für Französisch am Trinity College, 1933-36 in London; seit 1937 meist in Paris.
Die ersten literarischen Werke zeigen zum Teil den Einfluss von Joyce. Erst auf den Roman »Molloy« (1951) wurde die Kritik aufmerksam; das Theaterstück »En attendant Godot« (1953 in Paris von R. Blin inszeniert), eines der wichtigsten Werke des absurden Theaters, machte Beckett berühmt. Beckett schrieb entweder erst in englischer (frühe Werke, Hörspiele u. a.) oder erst in französischer Sprache (Prosa seit 1945, mit einigen Ausnahmen; Dramen »Godot« und »Fin de partie«) und übersetzte dann jeweils selbst in die andere Sprache.
In seinen - die Romanform zusehends auflösenden - Romanen, besonders in den durch Thematik und Anlage eng verbundenen: »Molloy«, »Malone meurt«, »L'innomable«, »Comment c'est«, und seinen Erzählungen erscheint das Ich als weitgehend isoliert, seine Identität als fragwürdig; es wird häufig in mehrere Figuren aufgelöst und damit entpersönlicht. Die Vorgänge scheinen sich mitunter nur im Bewusstsein der Hauptfigur abzuspielen. In den Arbeiten für Theater (auch Pantomimen) und Rundfunk (Hör- und Fernsehspiele) werden diese inneren Projektionen als Schwundstufen menschlicher Existenz sichtbar, die sich allmählich dem Nichts annähern. Die Entwicklung verläuft dabei von den auf einen Ort fixierten Figuren in »Godot« sowie in »Fin de partie« und »Happy days« über die an Krüge gefesselten Restfiguren in »Play« und den sprechenden Mund in »Not I« bis zu dem 30-Sekunden-Stück »Breath« und den radikal handlungsentleerten späten Fernsehspielen.
In allen Werken stellt Beckett das menschliche Dasein als absurd, als Leerlauf und sinnloses Warten, als Enden-Wollen und Nicht-Enden-Können dar; mitunter verbindet sich damit eine Neigung zum Grotesken. Kreisläufe und Wiederholungen mit Variationen sind kennzeichnend für den äußeren Ablauf. Zum Ausdruck kommt ein Protest, dagegen zu sein. Die Tendenz zum Symbolisch-Bildhaften macht sowohl die Prosatexte wie auch die Stücke vielfältig deutbar. Der radikale Pessimismus Becketts findet eine Grenze im Bestehen der Sprache, die in den Spätwerken mit ihrer Darstellung eines allmählichen Erlöschens aller menschlichen Ausdrucksmöglichkeiten allerdings zurücktritt. - Beckett hat einige seiner Werke selbst inszeniert. - 1969 erhielt er den Nobelpreis für Literatur.
Werke: Romane: More pricks than kicks (1934; deutsch Mehr Prügel als Flügel); Murphy (englisch 1938; französisch; deutsch); Malone meurt (1951; englisch Malone dies; deutsch Malone stirbt); Molloy (französisch 1951; englisch; deutsch); L'innomable (1953; englisch The unnamable; deutsch Der Namenlose); Watt (englisch 1953; französisch; deutsch); Comment c'est (1961; englisch How it is; deutsch Wie es ist); Mercier et Camier (1970; englisch Mercier and Camier; deutsch Mercier und Camier).
Andere Prosa: Nouvelles et textes pour rien (1955; englisch Stories and texts for nothing; deutsch Erzählungen und Texte um Nichts); Imagination morte imaginez (1965; englisch Imagination dead imagine; deutsch Ausgeträumt träumen); Le dépeupleur (1970; englisch The lost ones; deutsch Der Verwaiser); Company (1980; französisch Compagnie; deutsch Gesellschaft); Mal vu mal dit (1981; englisch Ill seen ill said; deutsch Schlecht gesehen schlecht gesagt); Stirrings Still. Immer noch nicht mehr. Soubresauts (1988; englisch, französisch, deutsch); Nohow on (1989).
Theater: En attendant Godot (1952; englisch Waiting for Godot; deutsch Warten auf Godot); Acte sans paroles I (1957; englisch Act without words I; deutsch Spiel ohne Worte I); Fin de partie (1957; englisch Endgame; deutsch Endspiel); Act without words II (1959; französisch Acte sans paroles II; deutsch Spiel ohne Worte II); Krapp's last tape (1959; französisch La dernière bande; deutsch Das letzte Band); Happy days (1961; französisch Oh les beaux jours; deutsch Glückliche Tage); Play (1963; französisch Comédie; deutsch Spiel); Breath (1969; französisch Souffle; deutsch Atem); Not I (1973; französisch Pas moi; deutsch Nicht ich); That time (1974; deutsch Damals); Footballs (1975; französisch Pas; deutsch Tritte); Three occasional pieces - Drei Gelegenheitsstücke (englisch und deutsch 1983); What where (1983; deutsch Was Wo).
Hörspiele: Tous ceux qui tombent (1957; englisch All that fall; deutsch Alle, die da fallen); Embers (1959; französisch Cendres; deutsch Aschenglut).
Fernsehspiele: He Joe (1966; französisch Dis Joe; englisch Eh Joe);. .. but the clouds. .. (1977; deutsch. .. nur noch Gewölk. ..); Ghost trio (1977; deutsch Geister-Trio); Quadrat I + II (1981).
Proust (englisch 1931, Essays; deutsch).
Ausgaben: Gedichte (englisch, französisch, deutsch, 1959); Dramatische Dichtungen in drei Sprachen, 2 Bände (1963-64); The collected works, auf mehrere Bände berechnet (1970 folgende); Werke, herausgegeben von E. Tophoven und K. Birkenhauer, 10 Bände und 1 Supplementband (1976-86).
A. Marissel: B. (Paris 1963, mit Bibliogr.);
J. Fletcher: The novels of S. B. (London 1964);
H. Kenner: S. B. Eine krit. Studie (a. d. Engl., 1965);
S. B. A collection of critical essays, hg. v. M. Esslin (1965);
J. Knowlson u. J. Pilling: Frescoes of the skull. The later prose and drama of S. B. (New York 1980);
U. Pothast: Die eigentlich metaphys. Tätigkeit (1982);
A. Simon: S. B. (Paris 1983);
J. Kalb: B. in performance (Cambridge 1989);
K. Birkenhauer: S. B. (36.—38.Tsd. 1990);
V. Mercier: B., B. The classic study of a modern genius (Neuausg. London 1990);
D. Bair: S. B., eine Biogr. (dt. Übers., Neuausg. 1994).
Universal-Lexikon. 2012.