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Verwandtschaft
Blutsverwandtschaft; Klan; Angehörige; Clan (umgangssprachlich); Familie; Sippe

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Ver|wandt|schaft [fɛɐ̯'vantʃaft], die; -, -en:
1.
a) gleiche Abstammung; das Verwandtsein:
die Verwandtschaft zwischen ihnen bindet sie eng aneinander.
b) alle Verwandten von jmdm:
die ganze Verwandtschaft war gekommen.
Syn.: Clan, Familie, Sippe (meist scherzh. oder abwertend), Sippschaft (meist abwertend).
2. Übereinstimmung in wichtigen Merkmalen:
zwischen den beiden Plänen bestand eine gewisse Verwandtschaft.
Syn.: Ähnlichkeit, Analogie, Gemeinsamkeit.

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Ver|wạndt|schaft 〈f. 20
1. 〈i. w. S.〉 Gesamtheit aller Verwandten
2. 〈i. e. S.〉 die Familienangehörigen außerhalb der engsten Familie
3. das Verwandtsein
4. 〈fig.〉 Ähnlichkeit in der Art, verbindende Ähnlichkeit auf geistigem od. seel. Gebiet (Geistes\Verwandtschaft, Seelen\Verwandtschaft)
● die \Verwandtschaft zu Besuch haben; zwischen beiden Sprachen, Eigenschaften besteht eine gewisse \Verwandtschaft

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Ver|wạndt|schaft, die; -, -en:
1. das 2Verwandtsein (1).
2. Gesamtheit der Verwandten, Angehörigen, die jmd. hat:
eine große V. haben;
die [ganze] V. einladen;
zur V. gehören;
die bucklige V. (ugs.; die als lästig empfundene Verwandtschaft).
3. Ähnlichkeit, Gleichartigkeit:
zwischen den beiden Plänen, Problemen besteht eine gewisse V.

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Verwandtschaft
 
[zu spätmittelhochdeutsch verwant, eigentlich Partizip Perfekt von verwenden »hinwenden«],
 
 1) Biologie: die phylogenetischen Beziehungen zwischen Arten und Artengruppen, die durch die Aufspaltung von Stammarten entstanden sind, wobei dies sowohl Beziehungen zwischen den Arten einer geschlossenen Abstammungsgemeinschaft als auch Beziehungen zwischen verschiedenen Abstammungsgemeinschaften einschließt. Phylogenetische Verwandtschaften haben eine hierarch. Struktur, die durch die zeitliche Aufeinanderfolge gemeinsamer Stammarten festgelegt wird. Eine enge Verwandtschaft ist dabei durch eine relativ späte genetische Trennung der verwandten Arten oder Gattungen gekennzeichnet. Bei der Untersuchung von Verwandtschaftsbeziehungen spielt die Ermittlung homologer Merkmale eine zentrale Rolle; dies können u. a. morphologische Strukturen, Entwicklungsabläufe, physiologische Abläufe, Verhaltensweisen sein, die auf gemeinsame Vorfahren zurückgeführt werden können; die ermittelten verwandschaftlichen Beziehungen können in einem natürlichen System dargestellt werden, besonders deutlich in einem Stammbaumschema.
 
 2) Recht: das auf Abstammung von einem gemeinsamen Vorfahren (Blutsverwandtschaft, natürliche Verwandtschaft) beruhende Verhältnis zweier Personen zueinander; oft auch diese Personengesamtheit selbst. Ein Verwandtschaftsverhältnis wird auch durch die auf einem Gerichtsbeschluss beruhende Annahme als Kind begründet (juristischeVerwandtschaft). Von der Verwandtschaft zu unterscheiden ist die Schwägerschaft. Ehegatten sind nicht miteinander verwandt. In gerader Linie verwandt sind die Personen, bei denen die eine von der anderen abstammt (Vorfahren, Eltern, Abkömmlinge), und zwar je nach dem Ausgangspunkt in aufsteigender Linie (Aszendenz) und absteigender Linie (Deszendenz). Die in der Seitenlinie verwandten Personen (Geschwister, Cousins) stammen zwar von einer gemeinschaftlichen dritten Person ab, jedoch nicht in gerader Linie (§ 1589 BGB). Die Nähe der Verwandtschaft wird nach Verwandtschaftsgraden bestimmt. Der Grad der Verwandtschaft bestimmt sich in der geraden Linie wie in der Seitenlinie nach der Zahl der dazwischenliegenden Zeugungen oder Geburten. So ist z. B. der Großvater mit dem Enkel im zweiten Grad verwandt, der Neffe mit dem Onkel im dritten Grad. Geschwister sind im zweiten Grad miteinander verwandt. Das Kind von nicht miteinander verheirateten Eltern ist mit beiden Elternteilen verwandt. Die Verwandtschaft ist u. a. von Bedeutung für die Unterhaltspflicht, als Eheverbot, im Erbrecht und für das Zeugnisverweigerungsrecht im Prozess.
 
Das österreichische (§§ 40 f. ABGB) und das schweizerische Recht (Art. 20 ZGB) bestimmen den Begriff der Verwandtschaft ebenso wie das deutsche Recht.
 
 3) Völkerkunde: soziale Beziehungen, die sich aus Zeugung und Geburt ergeben (durch Heiratsbindung entsteht Affinalverwandtschaft). Um die beteiligten Personen in dauerhafte, geregelte Beziehungen zu bringen, müssen diese natürliche Vorgänge kulturell überformt werden. Verwandtschaft enthält daher stets ein ideelles Moment, das die mit ihr verbundenen Verhaltensweisen mitprägt. Die primär aus Beziehungen von Zeugung und Geburt gebildete Gruppe, die Familie, ist in allen menschlichen Gesellschaften in ein Netzwerk von weiteren Verwandtschaftsbeziehungen und -gruppen eingebettet, das schwer abgrenzbar ist und oft noch künstlich erweitert wird (Exogamie, Stamm, Klan). Dies ist ein wichtiges Organisationsprinzip aller Gesellschaften, besonders wichtig ist es jedoch in jenen Gesellschaften, wo andere Organisationsprinzipien, wie Staat, Recht und Markt, wenig ausgebildet sind. Daher bildet die Verwandtschaftsforschung seit L. H. Morgan (1870) ein wichtiges Anliegen der Ethnologie. Zu deren Interessengebieten gehören etwa die Verwandtschaftsterminologien, d. h. die Systeme der Bezeichnungen, mit denen in einer bestimmten Gesellschaft die Arten und Grade der Verwandtschaft erfasst werden; die Verwandtschaftsbeziehungen, in denen diese kulturellen Modelle in konkretes soziales Verhalten umgesetzt werden; die Verwandtschaftsgruppen und -Institutionen, in denen solche Beziehungen zusammengefasst und auf Dauer gestellt werden (Heirat, Abstammung 3), und schließlich die Verwandtschaftssysteme, das Gesamte dieser Faktoren für einzelne Gesellschaften.
 
Literatur:
 
C. A. Schmitz: Grundformen der V. (Basel 1964);
 R. Fox: Kinship and marriage (Harmondsworth 1967, Nachdr. Cambridge 1994);
 Ernst W. Müller: Der Begriff »V.« in der modernen Ethnosoziologie (1981);
 C. Lévi-Strauss: Die elementaren Strukturen der V. (a. d. Frz., Neuausg. 1993).

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Ver|wạndt|schaft, die; -, -en: 1. das 2Verwandtsein (1). 2. Gesamtheit der Verwandten, Angehörigen, die jmd. hat: eine große V. haben; die, seine ganze V. war gekommen; Hierhin zog er sich zurück, wenn ihm ... die noble V., die Damen der guten Gesellschaft und das Telefon auf die Nerven gingen (Erich Kästner, Fabian 37); die [ganze] V. einladen; das Familienleben, das Leben in Paaren, -en, ... (Kronauer, Bogenschütze 243); zur V. gehören; *die bucklige V. (ugs.; die als lästig empfundene Verwandschaft). 3. Ähnlichkeit, Gleichartigkeit: zwischen den beiden Plänen, Problemen besteht eine gewisse V.; ... weisen ebenfalls auf die V. dieses Lebensraumes mit den Alpen hin (natur 5, 1991, 56); Dies unterschied ihn von Lessing, mit dem er im Übrigen die größte V. besaß (Friedell, Aufklärung 48); Das Liberale Manifest ... lässt die nahe V. zu den Auffassungen der Neoliberalen erkennen (Fraenkel, Staat 188).

Universal-Lexikon. 2012.