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Moralisten
Moralịsten,
 
im weiteren Sinn Bezeichnung für Philosophen und Schriftsteller, die - im Unterschied zur (theoretischen) Ethik - das konkrete menschliche Verhalten in seiner Vielfalt und Einmaligkeit beschreiben und es in seinen gesellschaftlich-sozialen oder persönlichen Motiven zu verstehen versuchen, wobei die künstlerische Darstellung auch der Belehrung dienen soll; im engeren Sinn wird der Begriff für jene französischen Autoren des 17. Jahrhunderts verwendet, die sich im Anschluss an M. de Montaigne im Rahmen der Salonliteratur besonders der Analyse der menschlichen Psyche widmeten und in rhetorisch wirkungsvollen Formen (besonders Maximen, Aphorismen, Essays) ihren Zeitgenossen ihre pessimistisch-misanthropischen Lebenserfahrungen darboten. Zu den Moralisten gehörten F. de La Rochefoucauld (»Maximes«, 1664), J. de La Bruyère (»Les caractères ou les mœurs de ce siècle«, 1688), auch B. Pascal; im 18. Jahrhundert setzte sich die Tradition u. a. bei Vauvenargues und N. de Chamfort fort. Die Wurzeln moralistischer Literatur reichen bis in die Antike (Theophrast, »Charaktere«; Seneca, Plutarch); Parallelen zu den französischen Moralisten finden sich z. B. in Spanien bei F. G. de Quevedo und B. Gracián y Morales (»Oráculo manual y arte de prudencia«, 1647), in Deutschland bei G. C. Lichtenberg. Ihr Einfluss ist auch noch u. a. bei P. Valéry, A. Schopenhauer, F. Nietzsche und O. Wilde spürbar.
 
Literatur:
 
H. P. Balmer: Philosophie der menschl. Dinge. Die europ. Moralistik (Bern 1981);
 L. van Delft: Le moraliste classique. Essai de définition el de typologie (Genf 1982);
 J. von Stackelberg: Frz. Moralistik im europ. Kontext (1982);
 D. Steland: Moralistik u. Erzählkunst (1984).

Universal-Lexikon. 2012.