Spa|ni|en; -s:
Staat im Südwesten Europas.
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Spani|en,
Fläche: 504 750 km2
Einwohner: (2000) 40,0 Mio.
Hauptstadt: Madrid
Amtssprache: Spanisch
Nationalfeiertag: 12. 10.
Zeitzone: MEZ
spanisch España [ɛs'paɲa], amtlich Rẹino de España, deutsch Königreich Spanien, Staat in Südwesteuropa, auf der Iberischen Halbinsel, einschließlich der Balearen, Kanarischen Inseln und der nordafrikanischen Besitzungen (Ceuta, Melilla u. a.) 504 750 km2 groß mit (2000) 40,0 Mio. Einwohner; Spanien grenzt im Nordosten an Frankreich und Andorra, im Westen an Portugal. Hauptstadt ist Madrid. Amtssprache Spanisch; Katalanisch, Galicisch und Baskisch sind als »Nationalsprachen« anerkannt. Währung: 1 Euro (EUR, ) = 100 Cents. Zeitzone: MEZ.
Staat und Recht:
Nach der Verfassung vom 29. 12. 1978 ist Spanien eine parlamentarische Erbmonarchie. Als Staatsoberhaupt und Oberbefehlshaber der Streitkräfte fungiert der vorwiegend mit repräsentativen Befugnissen ausgestattete König. Volksvertretung und Gesetzgebungsorgan ist das Zweikammerparlament, die Cortes Generales (Cortes), bestehend aus dem Abgeordnetenhaus (zwischen 300 und 400, derzeit 350 auf vier Jahre im Verhältniswahlsystem gewählte Abgeordnete) und dem Senat (255 Senatoren, davon 208 in den Provinz auf vier Jahre direkt gewählt, 47 von den Parlamenten der autonomen Gemeinschaften ernannt) als Gebietsvertretung. Die Gesetzesinitiative steht beiden Kammern und der Regierung zu. Der Senat verfügt über ein aufschiebendes Vetorecht gegen Gesetzesbeschlüsse; es besteht auch die Möglichkeit eines Referendums. Der König kann das Parlament auf Vorschlag des Ministerpräsidenten vorzeitig auflösen. Die Exekutive liegt bei der Regierung unter Vorsitz des Ministerpräsidenten, der vom Abgeordnetenhaus mit absoluter Mehrheit gewählt wird. Die Minister werden vom König auf Vorschlag des Regierungschefs ernannt. Als konsultatives Gremium existiert ein 23-köpfiger Staatsrat.
Die Verfassung enthält ausführliche Grundrechtsbestimmungen; eine Staatsreligion existiert nicht. Gewerkschaftliche Organisationen und Streikrecht sowie die Freiheit der Unternehmen im Rahmen der Marktwirtschaft werden garantiert. Die Todesstrafe ist abgeschafft. Eine Besonderheit ist die Möglichkeit der Bildung autonomer Gemeinschaften (Comunidades Autónomas) aus einzelnen homogenen oder aus benachbarten Provinzen mit historischen, kulturellen und wirtschaftlichen Gemeinsamkeiten, die mehr oder weniger weitgehende innere Selbstverwaltung erlangen (eigene Parlamente und Regierungen). Damit will die Verfassung Autonomiebestrebungen - v. a. der Basken und Katalanen - entgegenkommen.
Parteien:
Neben den auf gesamtspanische Belange ausgerichteten Parteien besteht eine Vielzahl regionaler Parteien, die sich jedoch an der politischen Willensbildung auf Landesebene (Teilnahme an den allgemeinen Wahlen zu den Cortes) beteiligen. Gesamtspanische Parteien sind v. a. der konservative Partido Popular (PP, deutsch Volkspartei), der sozialdemokratische Partido Socialista Obrero Español (PSOE, deutsch Sozialistische Arbeiterpartei) und die Izquierda Unida (IU, deutsch Vereinigte Linke; umfasst die KP Spaniens und kleinere Linksparteien). Zu den wichtigsten regionalen Parteien zählen die katalanische Convergeńcia i Unió (CiU, deutsch Konvergenz und Union), der baskische Euzko Alderdi Jetzalea -Partido Nacionalista Vasco (EAJ-PNV, deutsch Baskische Nationalistische Partei), die Coalición Canaria (CC, deutsch Kanarische Koalition, ein Vierparteienbündnis), der Bloque Nacionalista Galego (BNG, deutsch Galicischer Nationalistischer Block) und die baskische Herri Batasuna (HB, deutsch Einiges Volk, politischer Arm der ETA).
Zwei Richtungen prägten die im letzten Drittel des 19. Jahrhunderts entstandene spanische Gewerkschaftsbewegung bis zur frankistischen Diktatur: die anarchosyndikalistische Confederación National del Trabajo (CNT, gegründet 1910) und die sozialistische Unión General de Trabajadores (UGT, gegründet 1888). Das Franco-Regime errichtete nach Zerschlagung der Gewerkschaften vertikale Staatssyndikate (Centrales Nacional-Sindicalistas, CNS), die 1940-76 Arbeitnehmer und Unternehmer zwangsweise erfassten. Daneben entwickelten sich 1956 als Gewerkschaftsopposition die Comisiones Obreras. Mit der Demokratisierung Mitte der 1970er-Jahre wurden die Staatssyndikate durch freie Gewerkschaften ersetzt. Neben regionalen Verbänden wie den baskischen Euzko Langilleen Alkartasuna/Solidaridad de Trabajadores Vascos (ELA/STV; gegründet 1911; 1996: 110 000 Mitglieder) formierten sich v. a. die anfangs der PSOE nahe stehende UGT (1997: 672 000 Mitglieder) und die Confederación Sindical de Comisiones Obreras (CCOO; 1994: 930 000 Mitglieder) mit engen Kontakten zur kommunistischen Partei (PCE). Seit Mitte der 80er-Jahre bemühen sich beide Organisationen aufgrund von Vertrauens- und Mitgliederverlusten um gewerkschaftliche Autonomie. Die nach dem Industriegewerkschaftsprinzip aufgebauten Dachverbände verfügen über regionale und lokale Organisationsstrukturen. International sind UGT und ELA/STV dem IBFG und EGB angeschlossen; dem EGB gehört seit 1991 auch die CCOO an.
Das Wappen (1981) zeigt im gevierten Schild die traditionellen Wappenbilder der historischen spanischen Kernlandschaften. Das goldene Kastell auf rotem Grund steht für Kastilien, der purpurne Löwe auf silbernem Grund für León; die vier roten Pfähle in Gold (eigentlich heraldische Zeichen der Grafschaft Barcelona) symbolisieren Aragonien und Katalonien, das goldene »Kettennetz« (ein stilisiertes Kettenhemd) Navarra; in der unten eingepfropften Spitze ein an das ehemalige maurische Königreich Granada erinnernder Granatapfel. Der dem Schildzentrum aufgelegte Herzschild zeigt die heraldischen Lilien der regierenden spanischen Dynastie der Bourbonen. Die beiden Säulen seitlich des Schildes (»Säulen des Herkules«, die Bilddevise Kaiser Karls V.) tragen das Motto »plus ultra« (»noch weiter«, »darüber hinaus«), in Anspielung auf die Fahrten des C. Kolumbus.
Nationalfeiertage:
12. 10. (Día de la Hispanidad), an dem der Entdeckung Amerikas durch Kolumbus gedacht wird.
Es bestehen 17 autonome Regionen, die 50 Provinzen sowie zahlreiche Gemeinden umschließen. Die autonome Regionen verfügen über eigene Regierung und jeweils für vier Jahre gewählte Parlamente.
Das Rechtssystem beruht im Wesentlichen auf römischem Recht; Rechtsquellen sind u. a. kodifiziert im »Código civil« von 1889. Das Familienrecht ist noch stark von der katholischen Kirche beeinflusst. 1980 wurde ein Arbeitsgesetz verabschiedet, das dem deutschen Betriebsverfassungsrecht ähnelt, 1996 trat ein neues Strafgesetzbuch in Kraft (ersetzt das aus dem Jahre 1848 stammende Strafrecht). - An der Spitze der Organisation der Gerichtsverwaltung steht der unabhängige Allgemeine Rat der Judikative (»Consejo General del Poder Judicial«), dessen 20 Mitglieder von den Cortes gewählt und vom König ernannt werden. Der Gerichtsaufbau ist im Prinzip dreistufig. Höchstes Gericht ist der Oberste Gerichtshof (»Tribunal Supremo«). Ein Verfassungsgericht mit 12 vom König auf Vorschlag beider Häuser der Cortes und der Regierung auf neun Jahre ernannten Richtern entscheidet über die Verfassungsmäßigkeit von Gesetzen, über Kompetenzstreitigkeiten zwischen Zentralstaat und Autonomen Gemeinschaften sowie über Verfassungsbeschwerden (»recurso de amparo«) Einzelner. Auf nationaler Ebene ist ein Hochgericht (Nationalgericht, »Audiencia Nacional«), auf der Ebene der Autonomen Gemeinschaften und Provinzen sind Obere Gerichte (»Audiencias Superiores de Justicia de las Comunidades Autónomas« beziehungsweise »Audiencias Provinciales«) eingerichtet. Die untere Stufe der Gerichtsbarkeit bilden fachlich ausgerichtete Gerichte sowie Amtsgerichte. 1995 wurden per Gesetz Schwurgerichte geschaffen.
Die Gesamtstärke der Wehrpflichtarmee (Dienstzeit neun Monate) beträgt etwa 210 000 Mann. Die paramilitärische »Guardia Civil« (rd. 70 000 Mann) ist v. a. für Grenzschutz, innere Sicherheit sowie Bekämpfung von Terrorismus und Drogenschmuggel zuständig.
Das Heer (rd. 146 000 Soldaten) ist in Manöver-, Mobilisierungs-, Unterstützungs- und Territorialkräfte unterteilt. Die Manöverkräfte verfügen über die mechanisierte »Brunete«-Division, bestehend aus einer Panzerbrigade, zwei mechanisierten Infanteriebrigaden und einem Panzeraufklärungsregiment, sowie über die Schnelle Eingreiftruppe FAR (Fuerza de Acción Rapidá), die sich aus je einer Luftlande-, luftbeweglichen und Gebirgsjägerbrigade, einem gepanzerten Aufklärungsregiment sowie der ursprünglich nach dem Vorbild der französischen Fremdenlegion aufgebauten »Spanischen Legion« zusammensetzt. Für die Mobilisierungskräfte sind im Bedarfsfall zwei Infanterie-, eine Gebirgsjäger- sowie eine Panzeraufklärungsbrigade vorgesehen. Jeweils ein Artillerie-, Pionier-, Fernmelde-, Hubschrauber- sowie Logistikkommando bilden die Unterstützungskräfte. Die Territorialkräfte sind in den spanischen Enklaven Ceuta und Melilla (rd. 10 000 Mann) sowie auf den Balearen (rd. 2 500 Mann) und den Kanarischen Inseln (rd. 6 500 Mann) stationiert. Die Luftwaffe verfügt über etwa 29 000, die Marine über rd. 35 000 Mann (einschließlich 6 200 Marineinfanteristen). - Die Ausrüstung besteht im Wesentlichen aus etwa 750 Kampfpanzern (v. a. AMX-30, M-48, M-60), rd. 200 Kampfflugzeugen (v. a. F-18, Mirage F1 C), einem Flugzeugträger, 21 Fregatten, 25 Kleinen Kampfschiffen über 100 ts sowie acht U-Booten.
Spanien ist seit 1982 Mitglied der NATO (1986-96 Austritt aus der militärischen Struktur) und seit 1988 (faktisch seit 1990) Mitglied der WEU. Bis 2003 soll die Wehrpflichtarmee durch ein Berufsheer von etwa 175 000 Mann abgelöst werden. Gleichzeitig wird die Ausrüstung reduziert und umfassend modernisiert; so sollen u. a. etwa 300 Kampfpanzer Leopard 2 (dann insgesamt rd. 650 Kampfpanzer), etwa 450 Schützenpanzer, 87 Eurofighter 2000 und vier Fregatten (dann insgesamt 16 Fregatten) veraltete Typen ersetzen sowie neue Artillerie-, Küstenschutz-, Luftabwehr-, Luftüberwachungs- und Führungssysteme eingeführt werden.
Landesnatur und Bevölkerung:
Das Gebiet des festländischen Spanien (492 463 km2) nimmt über vier Fünftel der Iberischen Halbinsel ein und ist daher in geologischer Aufbau, Oberflächengestalt und Klima - bis auf den portugiesischen Westteil - mit dieser identisch. Spanien (660 m mittlere Höhe über dem Meeresspiegel) ist nach der Schweiz (1 300 m mittlere Höhe) das gebirgigste Land Europas. Seine durch überwiegend weitflächige Großkammerung gekennzeichneten Naturräume stehen in enger Beziehung zu den historischen Landschaften. Das Kernland Kastilien nimmt etwa zwei Drittel der Gesamtfläche ein und erstreckt sich über weite, von randschwellenartigen Gebirgszügen umgebene, dünn besiedelte, nach Westen zu schwach geneigte Hochflächen (Mesetas), die durch das Kastilische Scheidegebirge in die kleinere Nord-Meseta mit Altkastilien und León und in die größere Süd-Meseta mit Neukastilien und der Extremadura geteilt werden. Die Nord-Meseta (800-850 m mittlere Höhe über dem Meeresspiegel) wird vom Flusssystem des Duero, die Süd-Meseta (500-700 m mittlere Höhe, im Südwesten 300-150 m) von den Flusssystemen des Tajo und des Guadiana entwässert. Randlandschaften sind demgegenüber das Galicische Bergland (Galicien) im Nordwesten, Asturien und das Baskenland (mit Anteilen am Kantabrischen Gebirge) im Norden, das Ebrobecken mit Navarra, La Rioja und Aragonien sowie das ans Mittelmeer grenzende Katalonien (mit dem Katalonischen Randgebirge) im Nordosten, ferner das vom Guadalquivir entwässerte Andalusien (mit dem gebirgigen Hochandalusien und Niederandalusien im Guadalquivirbecken) im Süden, sodann die Küstenlandschaften Valencia und Murcia, die im Osten und Südosten an das Mittelmeer grenzen. Den äußersten Rand bilden die beiden höchsten Gebirge, die Pyrenäen im Nordosten und die Betischen Kordilleren (mit der Sierra Nevada) im Süden. Die Küstenlänge (ohne Inseln) beträgt 3 144 km, davon 1 663 km am Mittelmeer; die Atlantikküste im Norden und Nordwesten hat Riasküsten mit guten Naturhäfen, die Küstenstreifen am Mittelmeer und die Atlantikküste im Südwesten sind Anschwemmungsküsten mit bogenförmigen weitgespannten Küstenhöfen zwischen steilen, felsigen Vorgebirgen und wenig geschützten Häfen.
Nur der schmale Nordsaum, vom Galicischen Bergland im äußersten Nordwesten über die Kantabrischen und Asturischen Küstengebirge bis zum Ostende der Pyrenäen, hat immerfeuchtes, gemäßigtes Klima, ist ganzjährig (trotz eines geringen sommerlichen Niederschlagsminimums) ohne Wasserdefizit und hat daher auch keine mediterranen Vegetationsformationen. Der weitaus überwiegende Teil des Landes ist dagegen geprägt vom subtropisch-mediterranen Klima mit langer sommerlicher Dürre, hohen Temperaturen, starker Sonneneinstrahlung, hoher Verdunstung sowie Niederschlagsmaxima größtenteils im Spätherbst und Frühjahr bei insgesamt stark schwankender Niederschlagsperiodizität. Die Mesetahochflächen weisen dabei kontinentale Züge auf (Temperaturen im Sommer bis über 40 ºC, im Winter bis —8 ºC), ihre weiten Tafel- und Beckenlandschaften erhalten Jahresniederschläge von 300-500 mm, nur die Hochlagen der zentralen Gebirge bis zu 2 000 mm. Ein küstenparalleler Streifen im Südosten (zwischen Almería und Alicante) hat bei Jahresniederschlägen von 110-290 mm Halbwüstencharakter.
Wegen der großen Höhenunterschiede zwischen Küstenebenen und Hochgebirgen ist die Vegetation entsprechend abgestuft: Über der für niedrigere Lagen typische Ölbaum- und Macchien- (oder Garrigue-)Stufe mit immergrünen Eichen (Kork-, Steineichen) folgt inselhaft eine Stufe mit Nadel- (Kiefern) oder Laubwald (Buchen); die Hochzonen haben karge Grasfluren und Zwergwacholderbestände. Intensiver Anbau von Kulturpflanzen erfordert im gesamten sommertrockenen Spanien Bewässerung.
Von den großen Strömen fließen nur Ebro und Guadalquivir gemäß der Oberflächenneigung ihrer Becken auf ganzer Länge in Spanien; im Einzugsbereich des Mesetablocks münden wegen dessen leichter Westabdachung Miño, Duero und Tajo auf portugiesisches Territorium, der Guadiana ist Grenzfluss; die Hauptwasserscheide verläuft hier weit im Osten in Nord-Süd-Ausrichtung, daher sind die ostwärts fließenden Flüsse Turia, Júcar und Segura wesentlich kürzer. Die jahreszeitlich stark schwankende Wasserführung mit früher veheerenden Schmelzhochwässern im Frühjahr ist durch Staustufen weitgehend ausgeglichen worden.
Die ethnische Herkunft der Bevölkerung ist vielfältig; deutliche stammesmäßige Unterschiede bestehen zwischen Kastiliern, Asturiern, Aragoniern und Andalusiern (mit stärkerem afrikanisch-orientalischen Einschlag). Basken (mit eigener vorindogermanischer Sprache), Katalanen (mit eigener romanischer Schrift- und Literatursprache) und in geringerem Maß auch die den Portugiesen nahe stehenden Galicier (mit eigenem romanischen Idiom) nehmen in Volkskultur und Sprache eine Sonderstellung ein. Die Amtssprache Spanisch beruht auf der kastilischen Mundart (castellano); Katalanisch, Baskisch und Galicisch sind seit der Nach-Franco-Zeit als regionale »Nationalsprachen« anerkannt und werden in den jeweiligen Gebieten als Pflichtsprachen unterrichtet. Die regionale Verteilung der Bevölkerung ist äußerst ungleichmäßig; während weite Gebiete des Landesinnern nur geringe Bevölkerungsdichte (10-25 Einwohner/ km2) aufweisen, haben städtische Ballungsräume, Talzonen und Küstenebenen zum Teil sehr hohe Dichtewerte. Am dichtesten besiedelt sind die Hauptstadtregion, die Provinz Barcelona und die baskischen Provinzen Vizcaya und Guipúzcoa, die geringsten Dichtewerte haben die Regionen Kastilien-La Mancha, Aragonien und Extremadura. Die starke Landflucht der 1960er- und 70er-Jahre hat sich in den 80er-Jahren leicht abgeschwächt; 1995 lebten 76,5 % der Gesamtbevölkerung in Orten über 10 000 Einwohner (1970 erst 66 %) und nur noch 23,5 % in Landgemeinden. Die Gesamtbevölkerung hatte 1990-98 eine durchschnittliche jährliche Wachstumsrate von 0,2 %; die Geburtenziffer sank von 1970 (19,5 Geborene auf 1 000 Einwohner) bis 1998 (9,2 Geborene auf 1 000 Einwohner) deutlich ab, ebenso die Säuglingssterblichkeit (von 26,5 auf 5,7 Gestorbene im 1. Lebensjahr je 1 000 lebend Geborene). Durch (illegale) Einwanderer aus Nordafrika (v. a. Marokko) und Südamerika (v. a. Ekuador) dürfte die Geburtenziffer wieder ansteigen. 2000 waren 15,3 % der Einwohner unter 15 Jahre (1970: 27,8 %) und 16,6 % 65 Jahre und älter (1970: 9,7 % über 65 Jahre).
Die in der Vergangenheit starke Auswanderung nach Übersee ist sehr zurückgegangen und wird durch Rückwanderung mehr als ausgeglichen (1993: 2 300 Auswanderer, 17 700 Einwanderer). Groß ist nach wie vor die Zahl der Erwerbspersonen, die zeitweilig im europäischen Ausland, besonders in der Schweiz, in Deutschland (rd. 160 000) und Frankreich beschäftigt sind.
Die Sozialstruktur war seit der Reconquista gekennzeichnet durch den Gegensatz von besitzender Oberschicht (Adel, Militär, Kirche) und verarmten Kleinbauern, Pächtern und Tagelöhnern und ist es zum Teil noch. Rd. drei Fünftel aller landwirtschaftlichen Betriebe sind kleiner als 5 ha; in Mittel- und Südspanien herrscht Großgrundbesitz vor (Latifundien). Ein ausgleichender Mittelstand entwickelt sich erst langsam.
Es besteht Religionsfreiheit. Die Verfassung garantiert die rechtliche Gleichstellung der Religionsgemeinschaften und schließt eine Staatsreligion aus. Grundlage der Beziehungen zwischen dem Staat und der katholischen Kirche als der größten Religionsgemeinschaft bilden vier 1979 zwischen dem Staat und dem Heiligen Stuhl abgeschlossene Abkommen; diese lösten das Konkordat von 1953 ab, das der katholischen Kirche die Rolle der Staatskirche einräumte. An die Stelle des vom Staat gezahlten Finanzausgleichs für den Unterhalt der Geistlichen ist 1988 die Eigenfinanzierung der Kirche durch steuerlich begünstigte Spenden in Höhe von 5,239 ‰ der Lohn- oder Einkommensteuer getreten. - Rd. 91 % der Bevölkerung gehören (bezogen auf die Taufe) der katholischen Kirche an; die Zahl der praktizierenden Katholiken wird kirchlicherseits mit etwa 30 % angegeben. Die Zahl der aktiven (»eingeschriebenen«) Mitglieder protestantischer Kirchen (»Spanische Evangelische Kirche«, »Spanische Reformierte Bischöfliche Kirche«, Adventisten, Baptisten) beträgt rd. 40 000; die Gesamtzahl der Protestanten wird auf 250 000-350 000 (überwiegend Pfingstler [»Iglesia de Filadelfia«]) geschätzt. - Die Zahl der Muslime (Arbeitsmigranten aus Nordafrika) wird auf 100 000-300 000 geschätzt. Die jüdische Gemeinschaft (als Religionsgemeinschaft seit 1868 wieder offiziell anerkannt) zählt rd. 15 000 Mitglieder - Weitere Religionsgemeinschaften sind die Zeugen Jehovas (über 80 000) und die Mormonen (rd. 12 000).
Es besteht allgemeine Schulpflicht bei kostenlosem Unterricht für Kinder zwischen dem 6. und 16. Lebensjahr (sechs Jahre Grund-, vier Jahre Sekundarstufe). Die Analphabetenquote beträgt 2,8 %. Etwa knapp ein Drittel der Schüler besucht private, schulgeldpflichtige (50 % kirchliche) Lehreinrichtungen, die zusätzlich staatlich subventioniert werden. Der Staat besitzt daher eine gewisse Schulaufsicht über Privatschulen. Auf die Sekundarschule bauen die Berufsschule und die vereinheitlichte Oberschule auf, wobei Letztere nach zwei Jahren zum Abitur (»Bachillerato«) und damit zur Hochschulreife führt. Eine ein- bis zweijährige berufsbildende höhere Stufe berechtigt ebenfalls zum Studium. Der Aufnahme an einer Universität geht eine Aufnahmeprüfung voran. Es gibt 36 Universitäten, davon 30 staatliche (u. a. acht technische Universitäten). Die Universität in Salamanca (gegründet 1218), Valladolid (gegründet 1346) und Barcelona (gegründet 1450) zählen zu den ältesten in Europa. Größte spanische Universität ist die hauptstädtische »Universidad Complutense de Madrid«. Weitere Hochschuleinrichtungen: mittlere und höhere Technikerschulen (Ingenieurschulen), Handelsschulen, Schulen für Sozialwesen, Kunst und Musik, (Primarschul-)Lehrerbildungsanstalten.
Presse: Seit 1978 ist die Pressefreiheit verfassungsrechtlich garantiert. Es erscheinen 87 Tageszeitungen mit einer Gesamtauflage von 3,9 Mio. Exemplaren. Größte und angesehenste Tageszeitung ist »El País«, Madrid (Prisa-Konzern, Auflage 460 000; dem PSOE nahe stehend). Weitere wichtige Zeitungen sind: »ABC«, Madrid (Prensa Española, 295 000; monarchisch-konservativ), »El Mundo«, Madrid (konservativ, PP-nah, 284 000), »La Vanguardia«, Barcelona (unabhängig-liberal, 210 000), »El Periódico de Catalunya«, Barcelona (liberal, 207 000, Ausgaben in Spanisch und Katalanisch), »El Correo«, Bilbao (bürgerlich, 133 000) sowie die Wirtschaftszeitungen »Expansión« und »Cinco Días«. Einzige Boulevardzeitung Spaniens ist das Sportblatt »Marca« (417 000). Seit 2000 erscheinen die Gratiszeitungen »Madrid y Mas« und »Barcelona y Mas« (2001 vom norwegischen Schibsted-Konzern übernommen). Die größten spanischen Medienkonzerne sind das 2001 mit der baskischen Mediengruppe Grupo Correo fusionierte Medienunternehmen Prensa Española (18 Zeitungen mit einer Gesamtauflage von 860 000 Exemplaren), ferner Prisa, Recoletos, Telefónica, Zeta, Godó (Katalonien), und Voz (Galicien). - Nachrichtenagenturen: »Agencia EFE« (gegründet 1939, staatlich kontrolliert), »Colpisa« (gegründet 1972), »Europa Press«, »Iberia Press«, »Mencheta« sowie die Fernsehnachrichtenagentur »ATLAS« (Tele 5). - Rundfunk: Die staatliche »Radiotelevisión Española« (RTVE) beaufsichtigt und koordiniert alle Hörfunk- und Fernsehstationen. Die staatliche Hörfunkgesellschaft »Radio Nacional de España« (RNE) verbreitet über 17 Regionalstationen fünf Programme sowie über die Station »Radio Exterior de España« (REE) Programme für das Ausland in zehn Sprachen. Daneben existieren regionale öffentlich-rechtliche Rundfunkgesellschaften, die eigene Hörfunk- und Fernsehprogramme in Galicien (TVG), Katalonien (TV 3), im Baskenland (ETB 1 und ETB 2), in Andalusien (Canal Sur), in Valencia (Canal 9), auf den Kanarischen Inseln (TV Canaria) und in Madrid (TVM) verbreiten. Eine weitere wichtige Radiogesellschaft ist die 1924 gegründete »Sociedad Española de Radiodifusión« (SER) mit 235 Regionalstationen. Darüber hinaus gibt es mehr als 30 größere private Hörfunkanstalten (Senderketten), u. a. »Cadena Ser«, »Cope«, »Onda Cero«, »Radio Voz«, sowie eine Vielzahl kleinerer Regionalsender. Fast alle Privatsender gehören der »Asociación Española de Radiodifusión Comercial« (AEC) an. Das staatliche Fernsehen »Televisión Española« strahlt zwei Programme (TVE 1 und »La 2«) sowie das Auslandsprogramm »Canal Internacional« aus. Mit der Lizenzierung dreier privater Anbieter (»Antena 3«, »Tele 5« und der Pay-TV-Sender »Canal plus«) wurde 1988 das staatliche Monopol aufgehoben. 1997 starteten zwei konkurrierende digitale Satellitenplattformen: die von der ehemals staatlichen Telefongesellschaft Telefónica getragene »Via Digital« mit 80 verschlüsselten TV- und 30 Hörfunkprogrammen sowie »Canal Satélite Digital« als Gemeinschaftsunternehmen von Canal plus und der Prisa-Gruppe mit 60 verschlüsselten und 40 unverschlüsselten TV- und 40 Hörfunkprogrammen. Im Frühjahr 2000 ging mit »Quiero TV« (Retevisión) außerdem terrestrisches digitales Fernsehen (14 verschlüsselte Spartenkanäle und fünf Musikkanäle) an den Start. Ab Mitte 2001 gibt es mit »Net TV« und »Veo Televisión« ferner zwei unverschlüsselte digitale Kanäle, die in Konkurrenz zu den ebenfalls unverschlüsselt ausgestrahlten analogen Sendern »TVE 1«, »La 2«, »Antena 3« und »Tele 5« treten, wobei Letztere ab 2002 ebenfalls auf digitale Übertragungstechnik umstellen müssen.
Wirtschaft und Verkehr:
Innerhalb der EU zählt Spanien zur Gruppe der weniger reichen Länder. Mit einem Bruttoinlandsprodukt (BIP) je Einwohner von (1998) 16 390 US-$ rangiert das Land zwar deutlich vor Portugal (11 810 US-$) und Griechenland (12 260 US-$), erreicht aber dennoch weniger als die Hälfte des deutschen Niveaus (31 290 US-$). Allerdings konnte seit 1960 das Pro-Kopf-Einkommen von 25 % auf (1990) 66 % des Durchschnitts in den OECD-Staaten angehoben werden (zum Vergleich Griechenland: von 28 % auf 47 %).
Von diesen Indikatoren her beurteilt, kann Spanien als junges Industrieland bezeichnet werden. Dies zeigt sich auch an der Erwerbs- und Produktionsstruktur und deren Veränderungen zwischen 1970 und 1998. Der Anteil von Land-, Forstwirtschaft und Fischerei an der Entstehung des BIP ging von 11,3 % auf 3,2 % zurück. Gleichzeitig fiel die Quote des industriellen Sektors von 39,9 % auf 33,6 %, während der Anteil des Dienstleistungssektors von 51,2 % auf 63,2 % anstieg. Dabei änderte sich der Anteil der Erwerbstätigen im Agrarbereich von 26,9 % zu (1998) 7,9 %, im produzierenden Gewerbe von 35,6 % zu 30,4 % und im Dienstleistungssektor von 37,5 % zu 61,7 %.
Anfang der 1980er-Jahre lag die Inflationsrate bei über 10 %; sie konnte bis 1999 auf 2,3 % reduziert werden (EU-Durchschnitt 2,3 %). Die Arbeitslosenquote, die 1980 bei 11,5 % gelegen hatte, erhöhte sich bis 1995 auf 22,7 % und sank 2000 auf 14,2 % (EU-Durchschnitt 10 %). Die jährliche Wachstumsrate des realen BIP stieg in den achtziger Jahren von (1980) 1,3 % auf (1987) 5,6 %, ist danach aber wieder rückläufig (1999: 4,0 %).
Bis 1960 war Spanien vorwiegend ein Agrarland. Seitdem befindet sich der Agrarsektor in einem Strukturwandel, der durch den EG-Beitritt noch beschleunigt wurde. Im Agrarsektor erwirtschaften (1998) 7,9 % der Erwerbstätigen (1980: 19,3 %) 3,2 % (1998) des BIP (1980: 7,1 %). Rd. 51 % der Gesamtfläche (25,7 Mio. ha) werden (1998) als landwirtschaftlich genutzte Fläche ausgewiesen; davon sind 12,7 Mio. ha Ackerland, 4,1 Mio. ha Dauerkulturen (darunter 0,9 Mio. ha. Rebland), 10,5 Mio. ha Wiesen und Weiden.
Von der landwirtschaftlich nutzbaren Fläche liegt ein erheblicher Teil brach. Die Anbaumethoden sind vielfach veraltet, die Bodenqualität ist zum Teil unzureichend. Neben dem Trockenfeldbau (v. a. Getreide und Hülsenfrüchte), in dessen Bereich aber auch trockenheitsresistente Dauerkulturen wie Ölbäume, Mandel-, Feigenbäume und Reben vorkommen, gewinnt der Bewässerungsfeldbau zunehmend an Bedeutung. Auf bewässertem Land (1998: 3,6 Mio. ha) sind mehrere Ernten im Jahr möglich, etwa in den Huertas von Valencia und Murcia. Ausgesprochene Bewässerungskulturen sind Zitrusfrüchte (v. a. in der Region Valencia), Obst, Tabak und Zuckerrüben. In der südspanischen Provinz Almería entstand das größte Gemüseanbaugebiet Spaniens mit Unterplastikkulturen. Die wichtigsten, für den Export bestimmten Agrarerzeugnisse sind (1998) Zitrusfrüchte (5,6 Mio. t, weltweit 4. Rang), Olivenöl (1999: 650 000 t, weltweit 1. Rang), Wein und Sherry (spanische Weine). Andere Haupterzeugnisse sind Getreide (u. a. 7,4 Mio. t Gerste, 5,1 Mio. t Weizen, 801 000 t Reis), Kartoffeln (3,3 Mio. t), Zuckerrüben (1,1 Mio. t) und Gemüse (12,1 Mio. t).
In den vergangenen Jahren konnte der Viehbestand erhöht und damit die Fleisch- und Milchproduktion erheblich gesteigert werden. Gehalten werden (1994) 5,0 Mio. Rinder (1980: 4,6 Mio.), 18,2 Mio. Schweine (10,4 Mio.), 23,8 Mio. Schafe (14,7 Mio.) und 2,7 Mio. Ziegen (2,1 Mio.). Schwerpunkte der Rinderhaltung bilden Galicien, Asturien und das Baskenland. Eine Besonderheit ist die Zucht von Kampfstieren.
Die ausgewiesene Waldfläche liegt bei (1998) 15,9 Mio. ha (31,4 % der Gesamtfläche). Geschlossene Waldgebiete finden sich nur noch im Norden und Nordwesten des Landes, wo ausreichende Niederschläge fallen. Sonst überwiegen Buschwald und Macchie. Raubbau und Brandrodungen haben große Teile der einst ausgedehnten Waldfläche im Landesinneren vernichtet. Der Holzeinschlag von (1997) 12,4 Mio. m3 reicht für den heimischen Bedarf bei weitem nicht aus. Deshalb werden u. a. vermehrt schnell wachsende Eukalyptus- und Pappelarten für den Bedarf der Papierindustrie angepflanzt. Von wirtschaftlicher Bedeutung ist auch die Korkeiche.
Die traditionelle Bedeutung der Fischerei ist seit Beginn der 1980er-Jahre durch Beschränkungen der Fangrechte, zunächst durch Marokko, später durch die EG, zurückgegangen. Trotzdem ist Spanien innerhalb der EU mit (1998) 1 113 Schiffen (Tonnage 375 000 BRZ) führend. Mit einer Fangmenge von (1997) 1,3 Mio. t liegt Spanien hinter Dänemark unter den EU-Staaten an 2. Stelle (davon 323 000 t Krusten- und Weichtiere). Die wichtigsten Fischereihäfen (z. B. Vigo, La Coruña) liegen an der galicischen Küste. Hier werden auch Muscheln und Austern gezüchtet.
Die Vorkommen nutzbarer Bodenschätze beschränken sich im Wesentlichen auf die Randlandschaften, v. a. Galicien, Asturien und Baskenland, ferner auf den Bereich der Sierra Morena, der Betischen Kordilleren, des Iberischen Randgebirges und des Ebrobeckens (Erdöl). Die wichtigsten Bergbauprodukte sind (1996) Quecksilber in Almadén (1 024 t; 35 % der Weltproduktion), (1996) Pyrit (1,0 Mio. t), Steinkohle (13,7 Mio. t), Eisenerz (1,3 Mio. t), Zink (260 000 t), Blei (23 000 t), Kupfer (38 000 t), Uran, Stein- und Meersalz. Hauptfördergebiet für Erdöl und Erdgas ist seit Anfang der 1970er-Jahre der Offshorebereich vor der Nordostküste (Fördermengen 1996: 516 000 t Erdöl; 1,4 Mrd. m3 Erdgas). Erdölvorkommen sind auch im Schelfgebiet des Golfs von Biskaya entdeckt worden.
Diese ist weitgehend auf den Import von Erdöl, Erdgas und auch von Kohle angewiesen; etwa ein Drittel der Primärenergie wird selbst erzeugt. Über die Hälfte des Primärenergiebedarfs wird (1997) durch Erdöl gedeckt (55,4 %), 17,4 % durch Kohle, 13,9 % durch Kernenergie, 10,7 % durch Erdgas und 2,6 % durch sonstige Energieträger. Die installierte Leistung der Kraftwerke beträgt (1998) 50 800 MW. Elektrizität wird überwiegend in Wärmekraftwerken, zu 29,3 % in Kernkraftwerken und zu 19,2 % in Wasserkraftwerken erzeugt. Gute Ergebnisse wurden in Südspanien mit Solar- und Windkraftwerken erzielt.
Im industriellen Sektor (einschließlich Bergbau, Energie- und Bauwirtschaft) erwirtschaften (1998) 30,4 % der Erwerbstätigen 33,6 % des BIP. Traditionelle Industriezentren sind die Hauptstadtregion, Katalonien, das Baskenland sowie der Nordwesten (besonders Asturien). Die Investitionen der Industrie haben sich u. a. auch mit Unterstützung der EG in den letzten Jahren v. a. an die Mittelmeerküste verlagert, z. B. in die Regionen von Barcelona, Valencia, Tarragona und Cartagena. Weitere bevorzugte Standorte liegen um Cádiz, Huelva und Sevilla. Sehr hoch ist der Anteil der öffentlichen Unternehmen und der Unternehmen mit staatlicher Beteiligung (Dachgesellschaft Instituto Nacional de Industria) z. B. in der Energiewirtschaft, der Werft-, Kohle-, Eisen- und Stahlindustrie. Privatisierungen sind vorgesehen.
Eisen- und Stahlindustrie, der Bau von Schiffen, Maschinen, Apparaten und Elektrogeräten sowie die Herstellung von Eisenwaren sind zu einem erheblichen Teil im Baskenland konzentriert (z. B. Bilbao, Santander), daneben auch in Barcelona, Valencia, Cartagena, Schiffbau auch in Cádiz und Sevilla, Metallverarbeitung in Madrid. Bedeutend ist auch die Aluminiumindustrie in Bilbao, Avilés und La Coruña, obwohl Bauxitvorkommen fehlen. In der Automobilindustrie (Standorte Barcelona, Cádiz, Linares, Madrid, Pamplona, Saragossa, Valencia, Valladolid, Vigo, Vitoria) sind die spanischen Renaultwerke und SEAT die größten Hersteller und zugleich zwei der größten Unternehmen des Landes. Mehr als drei Viertel der Produktion werden im Ausland verkauft. Die Textilindustrie hat ihren Hauptstandort in Katalonien. Von großer Bedeutung ist auch die fast überall verbreitete Nahrungs- und Genussmittelindustrie. Stark ausgedehnt hat sich die chemische und pharmazeutische Industrie, die außer im Baskenland ihre zur Zeit größten Zentren in Huelva, Tarragona, Barcelona und Valencia hat. Die spanischen Erdölraffinerien (z. B. in La Coruña, Bilbao, Huelva, Algeciras, Cartagena und Tarragona) haben eine jährliche Durchsatzkapazität von 50 Mio. t. Spanien ist einer der größten Zementexporteure der Erde (Zementfabriken v. a. im Baskenland, in Sevilla und Granada). Darüber hinaus spielen Zellstoff- und Papiererzeugung, Gummi-, Kork-, Leder- und Schuhindustrie noch eine wichtige Rolle.
Der Tourismus hat sich nach dem Zweiten Weltkrieg zu einem wichtigen Wirtschaftszweig entwickelt. Insgesamt stehen in den (1999) 16 229 Hotels und ähnlichen Betrieben rd. 1,3 Mio. Betten zur Verfügung. 1998 wurden 70,8 Mio. Auslandsgäste (einschließlich Tagesgäste) gezählt (1980: 38,0 Mio.; 1965: 14,3 Mio.). Von den übernachtenden Auslandsgästen (1998: 47,7 Mio.) kamen 24,3 % aus Deutschland. Die Deviseneinnahmen aus dem Reiseverkehr betragen (1997) 26,7 Mrd. US-$ (entspricht 5,0 % des BIP). Damit zählt Spanien zu den Hauptzielländern des internationalen Reiseverkehrs. Tourismuszentren sind die Balearen, die Kanarischen Inseln, die Küstenstreifen am Mittelmeer (Costa Blanca, Costa Brava, Costa del Azahar, Costa del Sol, Costa Dorada) und am Atlantischen Ozean (Biskaya, Costa de la Luz) sowie die kulturell und historisch interessanten Städte wie Madrid, Barcelona, Sevilla, Granada, Córdoba. Besonders die Küstenregionen mussten in den vergangenen Jahren Besucherrückgänge hinnehmen
Seit dem EG-Beitritt zum 1. 1. 1986 hat sich das Außenhandelsvolumen von 62,1 Mrd. US-$ auf (1999) 255,0 Mrd. US-$ erhöht. Allerdings haben die Importe (1999: 144,9 Mrd. US-$) weitaus stärker zugenommen als die Exporte (110,1 Mrd. US-$), sodass sich das traditionelle Handelsbilanzdefizit auf 34,8 Mrd. US-$ erhöhte (1970: 2,3 Mrd. US-$). Trotz der Einnahmen aus dem Tourismus (21,5 Mrd. US-$) und den Überweisungen spanischer Arbeitnehmer im Ausland (1992: 2,2 Mrd. US-$) weist die Leistungsbilanz ein Defizit von 5,2 Mrd. US-$ aus. Zu den wichtigsten Exportgütergruppen zählen Konsumgüter (40,9 %) wie Autos und Nahrungsmittel, Zwischengüter (45,1 %) wie Eisen und Stahl, Nichtedelmetalle und Kapitalgüter (14,0 %) wie Maschinen. Als Handelspartner dominieren die Länder der EU; auf sie entfallen (1999) 71,6 % des gesamten Warenverkehrs. Die wichtigsten Lieferländer sind Frankreich (17,7 %), Deutschland (15,1 %), Italien (9,2 %) sowie USA und Kanada (5,8 %), die wichtigsten Abnehmerländer Frankreich (19,2 %), Deutschland (13,1 %), Großbritannien (7,6 %) und Italien (8,7 %).
Verkehr:
Bis auf wenige Ausnahmen entspricht die Verkehrsinfrastruktur des Landes nicht den Anforderungen. Das Eisenbahnnetz ist weit geknüpft; die Spurweite ist breiter als die internationale Spurweite. Binnenwasserwege fehlen weitgehend, das Straßennetz ist nur unzureichend ausgebaut.
Der Eisenbahnverkehr wird von der staatlichen Gesellschaft »Red Nacional de los Ferrocarriles Españoles« (Abkürzung RENFE) und verschiedene Privatgesellschaften (Streckenlänge circa 2 000 km) betrieben. Von den (1995) 12 280 km der RENFE-Strecken sind 56 % elektrifiziert. Zwischen Madrid und Sevilla haben 1992 Hochgeschwindigkeitszüge (Trenes de Alta Velocidad) den Verkehr auf internationaler Spurweite aufgenommen. Gemäß dem Plan für den Ausbau des Eisenbahnverkehrs sollten bis zum Jahr 2000 alle wichtigen Städte an das Hochgeschwindigkeitsnetz (Alta Velocidad Española, AVE) angeschlossen sein. Dieses Ziel wurde bisher nir für einige Städte Andalusiens (Cadiz, Huelva, Malaga, Alegeciras) erreicht, die durch TALGO-Schnellzüge mit der AVE-Strecke Madrid-Sevilla verbunden sind. 1998 wurde das Hochgeschwindigkeitsprojekt Madrid-Saragossa-Barcelona in Angriff genommen.
Das Straßennetz umfasst (1999) 171 836 km Straßen, davon 8 067 km Autobahnen. Autobahnen gibt es hauptsächlich im Norden, entlang der Mittelmeeerküste und im Einzugsbereich von Madrid. 1991 wurde ein Vertrag zum Bau eines 8,6 km langen Tunnels durch die Pyrenäen nach Frankreich unterzeichnet (Somport). Der Durchstrich erfolgte 1997, der Eröffnung ist für 2001 vorgesehen. Mit einer PKW-Dichte von (1999) 423 PKW je 1 000 Einwohner liegt Spanien unter dem EG-Durchschnitt (Deutschland 1998: 509). Insgesamt sind 16,8 Mio. PKW, 3,6 Mio. LKW und 54 000 Omnibusse zugelassen.
Im Gegensatz zur fast fehlenden Binnenschifffahrt (nur der Guadalquivir ist ab Córdoba schiffbar) spielt die Küsten- und Hochseeschifffahrt eine wichtige Rolle. Am Güterumschlag gemessen, sind Algeciras, Barcelona, Bilbao, Tarragona, La Coruña, Valencia, Huelva, Gijón, Cartagena und Santa Cruz de Tenerife die größten Häfen. Der Güterumschlag aller Häfen erreicht (1999) ein Volumen von 321,1 Mio. t; davon 241,2 Mio. t im Auslandsverkehr (100,5 Mio. t Fracht verladen, 220,6 Mio. t gelöscht). Die spanische Handelsflotte umfasst (1998) 219 Schiffe mit einer Tonnage von 1,4 Mio. BRZ.
Die Entwicklung des Luftverkehrs wurde erheblich durch den Tourismus begünstigt. Wichtigste nationale Luftverkehrsgesellschaft ist die staatliche Iberia. Sie bedient alle wichtigen interkontinentalen und die europäischen Verbindungen. Ihre Tochtergesellschaft AVIACO (Aviación y Comercio SA) wickelt vorwiegend den inländischen Luftverkehr ab. Für den zivilen Luftverkehr sind mehr als 40 Flugplätze geöffnet. Die wichtigsten internationalen Flughäfen sind Madrid (»Barajas«), dessen Ausbau 1999 abgeschlossen wurde, Barcelona, Bilbao und Palma de Mallorca; ferner Las Palmas de Gran Canaria, Santa Cruz de Tenerife, Málaga und Alicante.
Die Entstehung der christlichen Staaten (718/722 bis 1035):
Schon kurz nach der Eroberung des Westgotenreiches durch die Araber (711) bildeten sich im Norden aus zunächst kleinen Zentren des Widerstands neue christliche Staaten. Im Nordwesten flüchtete eine kleine Schar westgotischer Adliger in das Kantabrische Gebirge und behauptete unter Pelayo in der Schlacht bei Covadonga (718/722) die Selbstständigkeit (Gründung des Königreichs Asturien). Alfons I. (739-757) und v. a. Alfons III. (866-910) erweiterten das Reich, das schließlich den ganzen Nordwesten Spaniens bis zum Duero umfasste. Hauptstadt war seit 810 Oviedo. In entvölkerten Zonen wurden Bauern angesiedelt (Repoblación, »Wiederbesiedlung«), die durch Kastelle geschützt wurden. Nach solchen Kastellen wurde die Grafschaft Kastilien benannt. Nachfolgestaat Asturiens wurde - nach einer kurzen Periode der Teilung in die Einzelreiche Galicien, Asturien, León nach dem Tod Alfons' III. - das Königreich León 4) mit der gleichnamigen Hauptstadt, dessen Könige gelegentlich den Kaisertitel annahmen. Im Osten gewann Kastilien im 10. Jahrhundert zunehmend an Gewicht und löste sich unter Ferdinand (Fernán) Gonzáles (923-970) von León. Im Gegensatz zu Asturien und León standen die christlichen Staaten des Pyrenäenraums unter starkem fränkischen Einfluss und damit in sehr viel engerer Verbindung zum übrigen Europa. Das galt v. a. für die Grafschaft Barcelona, die als Teil der seit 785 von Karl dem Großen geschaffenen (erst später so genannten) Spanischen Mark des Fränkischen Reiches im Lauf der nächsten hundert Jahre zu bestimmendem Einfluss in Katalonien aufstieg. Auch Navarra, das von der Maurenherrschaft frei geblieben war, gelangte erst unter dem Einfluss französischer Ritter, Pilger und Händler im 10. Jahrhundert zu einer bedeutenden Staatsbildung: Sancho III., der Große (um 1000-1035), beherrschte Navarra mit Pamplona, dazu die Grafschaft Aragonien, Asturien und Teile Leóns sowie Kastilien. Die hier aufscheinende Möglichkeit einer staatlichen Einigung des gesamten christlichen Spanien wurde jedoch nicht verwirklicht.
Die Herausbildung der Machtzentren Kastilien und Aragonien (1035-1252):
Navarra zerfiel nach dem Tod Sanchos III. in die Königreiche Navarra, Kastilien und Aragonien. Es spielte von da an nur noch eine untergeordnete Rolle in der spanischen Politik. Kastilien wurde nach Erbteilungen, Bruderkriegen und Heiraten 1230 endgültig mit León vereint und bildete fortan das Doppelkönigreich Kastilien-León; Portugal hatte sich bereits ein Jahrhundert früher von Kastilien gelöst (Portugal, Geschichte). Seit Ferdinand I. (1035-65) nahmen die kastilischen Könige mehrfach den Kaisertitel an, um ihren Führungsanspruch gegenüber den anderen christlichen Reichen zu dokumentieren. Im Osten wurden Aragonien und Katalonien 1137 durch Heirat zu einem Doppelstaat vereint (»Krone von Aragón«).
Nach dem Zerfall des Kalifats von Córdoba in Einzelreiche (»Taifas«, 1031) begann die entscheidende Phase der Reconquista, bei der die geistlichen Ritterorden (v. a. Calatrava, Alcántara) seit dem 12. Jahrhundert eine besondere Rolle spielten. 1085 wurde das maurische Teilreich Toledo (später Neukastilien) von Alfons VI. von Kastilien und León (1072-1109) erobert, was die Besiedlung des praktisch entvölkerten Zentralspanien erlaubte. Im Osten gelang Alfons I. von Aragonien (1104-34) 1118 mit der Eroberung Saragossas der entscheidende Durchbruch, wodurch das von den Mauren dicht besiedelte Ebrobecken an die Krone Aragón fiel. Der Widerstand der Mauren wurde 1212 in der Schlacht von Las Navas de Tolosa endgültig gebrochen. Im Süden fiel 1236 Córdoba, 1246 Jaén, 1248 Sevilla; im Osten wurden 1229-35 die Balearen erobert, 1238 folgte Valencia. Nur das maurische Königreich Granada konnte sich halten, wurde aber lehnsabhängig von Kastilien-León.
Die Entstehung des spanischen Nationalstaats (1252 bis 1479):
In Kastilien wurde das in der Reconquista gewonnene Land unter die Adligen verteilt, die dadurch zu mächtigen Großgrundbesitzern wurden. Es entwickelte sich eine Schafhaltung großen Stils, in der Folge wichtigste wirtschaftliche Grundlage des Adels und der Städte (Webereien). Der Anspruch der Könige auf zentrale Gewalt führte zu einem Machtkampf mit dem Adel, der die Geschichte Kastiliens bis ins 15. Jahrhundert bestimmte, wobei den Cortes eine entscheidende Rolle zufiel. Aragonien-Katalonien wurde durch die Eroberung der Balearen, Siziliens (1282), Sardiniens (1326) und des Königreichs Neapel (1443) zur Vormacht im westlichen Mittelmeer. Wirtschaftliche Grundlage war der Handel, dessen Zentrum sich im 15. Jahrhundert von Barcelona nach Valencia verlagerte. Erbfolgekriege und Wirren schwächten das föderalistisch regierte Reich (eigene Verfassungs- und Sozialordnungen in Aragonien, Katalonien, Valencia) im 15. Jahrhundert.
1468 stand die kastilische Thronerbin Isabella I. vor der Wahl, den portugiesischen König oder den Thronerben Aragoniens zu heiraten. Sie entschied sich für den Aragonesen Ferdinand II., den sie 1469 heiratete. 1474/75 wurden sie als Könige Kastiliens, 1479 als Könige Aragoniens anerkannt. Das Paar vereinigte nun die beiden Reiche in Matrimonialunion, und die Iberische Halbinsel hatte damit weitgehend die politische Gestalt erhalten, die bis heute gültig ist.
Trotz des fortdauernden Kriegszustands zwischen Christen und Mauren hatten in den zurückliegenden Jahrhunderten zahlreiche wirtschaftliche und kulturelle Kontakte zwischen beiden Gruppen bestanden. Viele Christen (»mozárabes«) lebten in den maurischen, viele Mauren (»mudéjares«) in den rückeroberten christlichen Gebieten. Hinzu kam in ganz Spanien eine sehr aktive jüdische Minderheit, die sich nach ihrem Namen für Spanien (»Sefarad«) Sephardim nannte. Trotz immer wieder auftretender religiöser Spannungen war die Kultur dieser Epoche bis ins 14. Jahrhundert - nach zunehmender Verschärfung antijüd. Stimmungen v. a. aus religiösen und wirtschaftlichen Gründen kam es 1391 zur ersten großen antisemitischen Verfolgungswelle mit Pogromen und Zwangskonversionen - geprägt durch die Symbiose (»convivencia«) christlicher, islamischer und jüdischer Elemente, die Spanien dem übrigen Europa vermittelte.
Spanien als Weltmacht (1479-1598)
Die Katholischen Könige (1479-1516):
Das Herrscherpaar (ab 1496 führte es den vom Papst verliehenen Ehrentitel »Katholische Könige«, den Titel »Könige von Spanien« lehnte es ab) sah sich innenpolitisch schwierigen Problemen gegenüber. Die tatsächliche Vereinigung der beiden Reichsteile, deren Institutionen und Verwaltungen getrennt blieben, vollzog sich nur allmählich; aragonesische Sonderrechte schränkten zudem die königliche Macht ein (in Aragonien regierte Ferdinand allein, in Kastilien beide Herrscher gemeinsam); die Opposition des Adels konnte nur langsam gebrochen werden, u. a. durch die Wahl Ferdinands zum Großmeister der geistlichen Ritterorden. Gegenüber der Kirche erlangte das Herrscherpaar 1482 das Recht, die spanischen Bischofsstühle zu besetzen. Schon 1478 hatte Papst Sixtus IV. Ferdinand und Isabella das Privileg verliehen, Inquisitoren zu ernennen; 1480 begann das erste Inquisitionsgericht in Sevilla zu arbeiten, 1483 wurde der (staatliche) Inquisitionsrat geschaffen. Die Könige nahmen den Krieg gegen die Mauren wieder auf, eroberten 1492 Granada, das letzte maurische Reich auf spanischem Boden. Nach einer zweiten antisemitischen Verfolgungswelle wurden 1492 (königliches Edikt vom 31. 3.), v. a. aus religiösen Gründen, die nicht getauften Juden des Landes verwiesen. Die Mauren genossen zunächst noch Toleranz; der Unterschied der Religion führte aber zusammen mit starker wirtschaftlicher Benachteiligung zu ständigen Spannungen, die sich in Aufständen entluden und 1609 zur Ausweisung führten (Morisken).
1492 entdeckte C. Kolumbus in spanischem Dienst Amerika, weitere Entdeckungsfahrten folgten. In einer Reihe von Verträgen (Alcáçovas bei Évora 1479, Tordesillas 1494, Saragossa 1529) grenzten Spanien und Portugal ihre gegenseitigen Einflusssphären ab. Das Zusammentreffen entscheidender Ereignisse in einem Jahr ließ späteren Generationen 1492 als »annus mirificus« (»wunderbares Jahr«) erscheinen: Geburtsjahr der Weltmacht Spanien.
Auch in Europa wurde der Herrschaftsbereich ausgedehnt: 1504 holte Ferdinand das einer Nebenlinie zugefallene Königreich Neapel zurück, 1512 eroberte er das südliche Navarra, das er 1515 annektierte. In dieser Zeit setzte sich für das Reich allmählich der Name Spanien durch. Nach Isabellas Tod (1504) ging das kastilische Erbe an die Erbtochter der Katholischen Könige, Johanna (später die Wahnsinnige genannt), die seit 1496 mit dem Sohn Kaiser Maximilians I., Philipp I., dem Schönen, von Burgund vermählt war. Nach dessen Tod (1506) und der daraus folgenden geistigen Verwirrung Johannas übernahm Ferdinand die Regentschaft in Kastilien.
Das gesamte spanische und burgundisch-habsburgische Erbe fiel nach dem Tod Ferdinands (1516) beziehungsweise Maximilians (1519) an den Sohn Johannas und Philipps, Karl (als Karl I. »König von Spanien«, der Titel wurde wohl schon in den ersten Jahren seiner Regierungszeit eingeführt, daneben bestanden die Titel »König von Kastilien« und »König von Aragonien« zunächst noch weiter fort), 1519 wurde er (als Karl V.) zum Kaiser gewählt. 1521 überließ er seinem Bruder Ferdinand die österreichischen Erblande. Karl traf auf den Widerstand des Adels und besonders der Städte; im Aufstand der Comuneros unter J. de Padilla kam es zu einer schweren Krise (1520-22). Nach der Niederschlagung des Aufstands hatte sich die zentrale Macht der Krone, die Karl zielstrebig durch die Einrichtung zentraler Institutionen (Räte) ausbaute, endgültig durchgesetzt. Die ständischen Gewalten wurden zurückgedrängt, die Cortes verloren ihren Einfluss, der Adel suchte im Dienst des Hofes und im Heer zu Ansehen und Vermögen zu gelangen. Karls Außenpolitik wurde in Europa durch den Gegensatz zu Frankreich bestimmt, der sich an gemeinsamen Interessen in Italien entzündete. Der Sieg über den französischen König Franz I. bei Pavia (1525) machte Spanien zur europäischen Hegemonialmacht und brachte ganz Italien unter spanisch-habsburgischem Einfluss; die Plünderung Roms mit besonders intensiver Beteiligung spanischer Truppen (Sacco di Roma, 1527) ließ diese zum Schrecken Europas werden. In Nordafrika versuchte Karl die antiislamische Politik seiner Vorfahren fortzusetzen. 1535 eroberte er Tunis, scheiterte aber 1541 vor Algier. Da sich die nordafrikanischen Herrscher unter die Lehnshoheit des osmanischen Sultans stellten, geriet Spanien in unmittelbare Konfrontation zum Osmanischen Reich. In Amerika fielen in die Regierungszeit Karls die großen Eroberungen der indianischen Reiche. 1521 nahm F. de Magalhães die 1543 nach dem Thronerben Philipp benannten Philippinen in Besitz. Die Mission der neu erworbenen Gebiete stand unter königlichem Patronat.
Der riesige Zustrom von Gütern und Edelmetallen aus den Kolonien begünstigte aber nur den Handel, dessen Bilanz trotzdem meist negativ blieb und der zu einer Überflutung Spaniens mit ausländischen Gewerbeerzeugnissen und zum Abfluss des Geldes ins Ausland führte. Die Staatsfinanzen und das Preisgefüge gerieten ins Wanken. Infolge der einseitigen Förderung und der Zunahme der Schafzucht verschlechterte sich auch die Lage der Landwirtschaft und der Bauern.
Unter Karls Sohn Philipp II. (1556-98) stieg Spanien zur Vormacht des Katholizismus auf. Im Zeichen der Gegenreformation wurden die katholische Frömmigkeit (Theresia von Ávila) und die scholastische Philosophie (u. a. an den Universitäten Salamanca und Alcalá) erneuert. Die Verteidigung des verstreuten Länderbesitzes (außer Spanien und seinen ausgedehnten Kolonien auch Neapel-Sizilien, Mailand, Niederlande, Franche-Comté) verwickelte Philipp in viele kostspielige Kriege. Die Auseinandersetzungen mit Frankreich fanden 1559 im Frieden von Cateau-Cambrésis einen vorläufigen Abschluss. Dagegen vernichtete der Tod der englischen Königin Maria I. (Gemahlin Philipps II.) die Aussicht, der Gegenreformation in England zum Sieg zu verhelfen und damit Frankreich von allen Seiten zu umklammern. In den Niederlanden geriet der König in einen immer stärkere Kräfte verzehrenden Kampf gegen die Aufständischen, die sich für ihren protestantischen Glauben und ihre ständischen Freiheiten gegen den spanischen Absolutismus einsetzten. Die Härte des Herzogs von Alba schürte den Aufstand. 1581 sagten sich die seit 1579 zusammengeschlossenen sieben nördlichen Provinzen in aller Form von Spanien los (Niederlande, Geschichte). Die südlichen Provinzen - das spätere Belgien - blieben, von Alessandro Farnese wieder unterworfen, in spanische Hand. Da England die Niederlande unterstützte, kam es 1585 zum Krieg; 1588 erlitt die spanische Armada eine schwere Niederlage, ihre Reste wurden durch Stürme vernichtet, womit den Engländern der Weg über den Atlantik zu Vorstößen gegen spanische Stützpunkte und Silberflotten erleichtert war. Frankreich, durch innere Kämpfe geschwächt, erholte sich unter Heinrich IV. (1589-1610), dem Philipp beim Streit um den Thron vergeblich entgegengewirkt hatte: 1598 musste er mit ihm den Frieden von Vervins abschließen. Trotz des Aufsehen erregenden Sieges über die Osmanen bei Lepanto (1571) konnte Spanien den von ihm beherrschten westlichen Teil des Mittelmeerraumes nicht mehr behaupten. 1580 erreichte Spanien durch seine Vereinigung mit Portugal und dessen Kolonialbesitz die größte Ausdehnung seines Territoriums. Im Innern des Reiches baute Philipp die Behördenorganisation stark aus, übertrug die Verwaltung juristisch ausgebildeten Beamten bürgerlicher Herkunft und führte ein strenges Justizregiment. Dem Absolutismus diente die Aufhebung eines Teiles der alten Sonderrechte Aragoniens (1592). Aber die vielen Kriege hatten die Kräfte Spaniens erschöpft; Wirtschaft und Finanzen waren zerrüttet; die Erträge aus den amerikanischen Silberminen konnten das Anwachsen der Staatsschulden nicht verhindern. Die aufstrebenden protestantischen Seemächte Westeuropas - die Niederlande und England - bedrohten das spanische Kolonialreich, während Frankreich sich anschickte, das Erbe Spaniens als Vormacht Europas anzutreten.
Der Niedergang (1598-1808)
Die letzten Habsburger (1598-1700):
Der schwache Philipp III. (1598-1621), unter dem die spanische Literatur und Kunst jedoch mit dem »Siglo de Oro« (»goldenes Zeitalter«) ihre höchste Blüte erlebten, überließ die Regierung seinem Günstling, dem Herzog von Lerma, der eine Friedenspolitik betrieb (1604 Frieden mit England, 1609 Waffenstillstand mit den Niederlanden). Die Ausweisung der Morisken wurde seit 1609 weitgehend durchgesetzt. Auch unter Philipp IV. (1621-65) wurde die Politik von einem Günstling des Königs bestimmt. G. de Guzmán, Graf von Olivares, wollte Spaniens Macht wiederherstellen, überschätzte aber die Kräfte des Landes. Die Verschuldung führte 1627 zum Staatsbankrott, der Steuerdruck 1640 zu inneren Unruhen in Katalonien und Portugal, das sich die Unabhängigkeit wiedererkämpfte (1668 von Spanien anerkannt). 1621 nahm Spanien den Krieg gegen die Niederlande wieder auf und griff gleichzeitig aufseiten Österreichs in den Dreißigjährigen Krieg ein. Dadurch geriet das Land in offenen Konflikt mit Frankreich, mit dem es bis zum Ende des Jahrhunderts eine Reihe von verlustreichen Kriegen führte. Im Haager Frieden (15. 5. 1648 musste Spanien die Unabhängigkeit der nördlichen Niederlande anerkennen. Der Pyrenäenfrieden (1659) mit Frankreich besiegelte die französische Vormachtstellung in Europa. Karl II. (1665-1700) überließ die spanische Politik vollends seinen Günstlingen.
Die ersten Bourbonen:
Um das Erbe des kinderlos gestorbenen Karl II., des letzten spanischen Habsburgers, entspann sich der Spanische Erbfolgekrieg (1701-1713/14) zwischen den österreichischen Habsburgern und Frankreich. Der Bourbone Philipp von Anjou, Enkel Ludwigs XIV., wurde im Frieden von Utrecht (1713) als Philipp V. von Spanien anerkannt, musste aber die europäischen Besitzungen außerhalb Spaniens abtreten; Menorca und Gibraltar kamen an Großbritannien. Philipp stärkte die spanische Monarchie auf Kosten der regionalen Sonderrechte. So wurden die Cortes in Aragonien 1707 und in Kastilien 1713 zum letzten Mal einberufen. Seine zweite Frau, Elisabeth Farnese, bestimmte das außenpolitische Engagement in Italien, das ihren Söhnen das Königreich Neapel-Sizilien und das Herzogtum Parma-Piacenza als spanische Sekundogenituren sicherte. Unter Ferdinand VI. (1746-59) und v. a. Karl III. (1759-88) sezte sich die innen- und außenpolitische Stabilisierung Spaniens fort. Sie regierten im Sinne eines aufgeklärten Absolutismus; Karl stärkte die zentrale Verwaltung und leitete mit seinen Ministern (Graf von Aranda u. a.) zahlreiche Reformen ein. Der Einfluss der Kirche wurde zurückgedrängt, 1767 wurden die Jesuiten ausgewiesen. - Im Äußeren kehrte Karl zu einer expansiven Politik zurück. Im Bourbon. Familienpakt (1761) verbündete er sich mit Frankreich, an dessen Seite Spanien 1761-63 im Siebenjährigen Krieg und 1779-83 im Unabhängigkeitskrieg der USA gegen Großbritannien kämpfte. Im Frieden von Paris (1763) verlor Spanien zwar Florida, erhielt aber das westliche Louisiana; im Frieden von Versailles (1783) erhielt es Florida und Menorca von Großbritannien zurück. In Nordafrika führte Karl eine erfolgreiche Handelspolitik und schloss Friedens- und Handelsverträge mit Marokko (1767, 1780), Algier (1785), dem Osmanischen Reich (1782) und Tripolis (1784).
Die Regierungszeit Karls IV. (1788-1808) machte die Leistungen seiner Vorgänger zunichte. Karls Günstling M. de Godoy betrieb eine widersprüchliche Bündnispolitik; zunächst den Gegnern, dann den Verbündeten Frankreichs zugehörig, wurde Spanien in die Napoleonischen Kriege gegen Großbritannien verwickelt, dessen Sieg bei Trafalgar (1805) den Weg in die spanischen Kolonien öffnete. Der Aufstand von Aranjuez (März 1808) gegen die Willkürherrschaft Godoys gab Napoleon I. Gelegenheit, in die spanische Innenpolitik einzugreifen: Er zwang Karl und dessen Sohn Ferdinand (VII.) zum Verzicht auf die spanische Krone und ernannte am 6. 6. 1808 seinen Bruder Joseph Bonaparte zum König. Französische Truppen hatten Spanien zu diesem Zeitpunkt besetzt.
Spanien im 19. Jahrhundert (1808-1902)
Der Unabhängigkeitskrieg und die Reaktion unter Ferdinand VII. (1808-33):
Der nationale Widerstand gegen Napoleon, der von lokalen Juntas organisiert wurde, begann schon am 2. 5. 1808 mit dem Aufstand von Madrid. Der Überlegenheit des französischen Heeres setzten die Spanier die neue Taktik des Kleinkriegs (Guerilla) entgegen. Nach kompliziertem Kriegsverlauf wurden 1813 mit Unterstützung britischer Truppen unter Sir Arthur Wellesley, dem späteren Herzog von Wellington, die als Besatzer empfundenen Franzosen vertrieben. Bereits 1810 waren die Cortes in Cádiz zusammengetreten; sie erließen in den folgenden Jahren mehrere liberale Dekrete (u. a. die Verfassung von 1812).
Nach dem Ende des Krieges gingen die Cortes nach Madrid zurück. Im März 1814 kehrte Ferdinand VII. (1814-33) aus Frankreich zurück. Er hob die Verfassung von 1812 wieder auf. Unter dem Einfluss der Geistlichkeit wandte er sich auch von den Reformen Karls III. ab; Mönchsorden, Inquisition und Folter wurden wieder eingeführt. Der restaurative Druck wurde die Ursache einer liberalen Revolution, die am 1. 1. 1820 in Cádiz unter Führung von Oberst Rafael de Riego y Núñez (* 1784, ✝ 1823) ausbrach. Der König beschwor darauf die Verfassung von 1812; Folter und Inquisition wurden abgeschafft, viele Klöster aufgehoben, zwei Drittel der Kirchengüter eingezogen. Aber die siegreichen Liberalen spalteten sich in die (gemäßigten) Moderados und die (radikalen) Exaltados. Dagegen erhielt Ferdinand Hilfe durch die Heilige Allianz: Auf dem Kongress von Verona (1822) beschloss sie die militärische Intervention, deren Ausführung Ludwig XVIII. von Frankreich übertragen wurde. Vor einem französischen Heer, dem sich eine große Zahl von spanischen Reaktionären (»Apostolische«, »Servile«) anschloss, flüchtete die liberale Regierung nach Cádiz, wo sie sich im September 1823 ergab. Riego y Núñez wurde hingerichtet. Damit war die absolute Monarchie wiederhergestellt.
Inzwischen hatten in den spanischen Kolonien des amerikanischen Festlandes bereits 1808 die Unabhängigkeitsbewegungen eingesetzt; seit 1814 versuchten aus Spanien eintreffende Truppen, sie niederzuschlagen, erst 1824 war ihr Sieg nach langen, wechselvollen Kämpfen entschieden. Dabei kam den neuen Staaten (Lateinamerika, Geschichte) der Ausbruch der liberalen Bewegung in Spanien zugute. Die Gefahr einer militärischen Intervention der Heiligen Allianz in den aufständischen Kolonien wurde durch den Schutz Großbritanniens und der USA abgewendet. Nachdem Spanien 1819 Florida an die USA verkauft hatte, blieben von dem riesigen amerikanischen Kolonialreich nur noch Kuba und Puerto Rico.
Auf die Nachfolge des lange Zeit kinderlosen Ferdinand VII. rechnete sein jüngerer Bruder Don Carlos, Exponent des klerikal, traditionalistisch und absolutistisch eingestellten Bürgertums, später der Karlisten. 1830 gebar Ferdinands vierte Frau Maria Christina eine Tochter, Isabella. Ferdinand hob zu ihren Gunsten das salische Erbfolgerecht durch die Pragmatische Sanktion 3) auf.
Die Regierungszeit Isabellas II. (1833-68):
Als Ferdinand 1833 starb, übernahm Maria Christina die Regentschaft für die unmündige Isabella. Carlos ließ sich daraufhin zum Gegenkönig (Karl V.) ausrufen. Ihm fielen v. a. die streng katholischen baskischen Provinzen zu, die sich neben Navarra ihre historischen Sonderrechte (Fueros) bewahrt hatten, ferner Aragonien, Katalonien und Valencia, die immer noch der kastilischen Zentralgewalt widerstrebten. Ein blutiger Bürgerkrieg zwischen den Karlisten und den Anhängern der Regentin (Cristinos) spaltete 1833-39 das Land. 1834 kam eine Quadrupelallianz zwischen Frankreich, Großbritannien, Spanien und Portugal gegen die Ansprüche von Carlos zustande (Londoner Vertrag, 22. 4. 1834). B. Espartero rettete 1836/37 Madrid vor den anrückenden Karlisten. Im Vertrag von Vergara (Provinz Guipúzcoa, 31. 8. 1839) unterwarfen sich die Basken. Carlos floh nach Frankreich, 1840 folgte ihm sein bester General, R. Cabrera y Griño. Die Unterstützung der Gemäßigten (Moderados, Cristinos) hatte die Regentin zum Zugeständnis einer gemäßigten Verfassung (Estatuto real, 10. 4. 1834) veranlasst. Als durch einen Militäraufstand 1836 die Exaltados, die sich jetzt Progressisten nannten, an die Macht gelangten, wurde 1837 die Verfassung von 1812 wiederhergestellt. 1840 zwang Espartero als Haupt der Progressisten die Regentin zur Abdankung und machte sich 1841 selbst zum Regenten, wurde aber 1843 durch einen Staatsstreich der Moderados gestürzt. Darauf erklärten die Cortes die junge Isabella II. für mündig.
Die Regierung Isabellas verlief in dauernder Unruhe. Die Königin wandte sich zunehmend der klerikal-absolutistischen Richtung zu; leitender Staatsmann wurde Marschall R. M. Narváez als Führer der Moderados, die sich in immer stärkerem Gegensatz zu den Progressisten zu einer konservativen Partei entwickelten. Narváez unterdrückte die republikanische Bewegung vom 26. 3. 1848 in Madrid und den karlistischen Aufstand vonCabrera 1847-49 in Katalonien. Eine gewisse Beruhigung der kirchlichen Verhältnisse brachte das Konkordat vom 16. 3. 1851. Aber am 27. 6. 1854 brach unter Führung von Leopoldo O'Donnell y Jorris (* 1809, ✝ 1867) ein Aufstand (»Pronunciamento«) liberal gesinnter Militärs aus, die nach heftigen Barrikadenkämpfen in Madrid siegten. Isabella II. berief Espartero zum Ministerpräsidenten, O'Donnell, der die Partei der Liberalen Union (Unionisten) gründete, die eine Zwischenposition zwischen Moderados und Progressisten bezog, wurde Kriegsminister. Der Verkauf zahlreicher Kirchen-, Gemeinde- und Staatsgüter stärkte den selbstständigen Bauernstand. Doch schon 1856 kehrte Narváez an die Spitze der Regierung zurück. O'Donnell, Ministerpräsident 1858-63, lenkte innenpolitisch ein und suchte durch außenpolitische Erfolge von dem ständigen Parteihader abzulenken. 1859/60 führte er einen Krieg gegen Marokko, an dessen Küste Spanien schon seit dem 15./16. Jahrhundert einige Stützpunkte, die Presidios, besaß. Im Frieden von Tetuán (26. 4. 1860 erreichte er aber nur eine kleine Erweiterung des Gebiets um Ceuta. 1861 nahm Spanien an der französischen Expedition gegen Mexiko teil, zog sich jedoch 1862 zurück. Die ehemals spanische Osthälfte der westindischen Insel Hispaniola, die Dominikanische Republik, stand 1861-65 noch einmal unter spanischer Herrschaft. Ein neuer karlistischer Aufstandsversuch zugunsten von Carlos Luis de Borbón y de Braganza, Graf von Montemolín (Karl VI.), wurde 1860 unterdrückt. 1864/65-1868 war Narváez erneut Ministerpräsident Die inneren Gegensätze wuchsen immer stärker an. Die von General J. Prim y Prats geführten Progressisten forderten die Abdankung der Königin. Mit ihnen verbündeten sich die Unionisten, an deren Spitze nach O'Donnells Tod 1867 F. Serrano y Domínguez, Herzog de la Torre, trat. Schließlich führte die Militärrevolution vom 18. 9. 1868, die Prim von London aus organisiert hatte, zum Sturz Isabellas. Der Aufstand nahm seinen Ausgang in Cádiz. Auf dem Marsch nach Madrid gelang Serrano am 28. 9. 1868 bei der Brücke von Alcolea nahe Córdoba sein entscheidender Sieg gegen die Regierungstruppen. Am 30. 9. floh die Königin nach Paris.
Die »revolutionären sechs Jahre« (1868-74):
Die Führer der siegreichen (»glorreichen«) Revolution, Serrano und Prim, erstrebten die Erneuerung der konstitutionellen Monarchie, die durch die Verfassung vom Juni 1869 garantiert war. Republikanische Aufstände wurden niedergeschlagen. Zunächst wurde Serrano Regent, Prim Ministerpräsident und Kriegsminister. Die spanische Krone bot Prim dem Erbprinzen Leopold von Hohenzollern-Sigmaringen an. Da Frankreich diesen Plan heftig bekämpfte, verzichtete Leopold am 12. 7. 1870 auf die Kandidatur. Am 16. 11. 1870 wählten die spanischen Cortes den savoyischen Prinzen Amadeus, Herzog von Aosta, zum König, der am 2. 1. 1871 die Regierung antrat. Er vermochte sich im Land keine feste Position zu sichern, weil er von Republikanern und der Geistlichkeit bekämpft wurde und der Tod Prims ihn seiner Stütze beraubte. Republikanische Bewegungen, der 3. Karlistenkrieg (1872-76) und ein Aufstand in Kuba (1869) veranlassten Amadeus am 11. 2. 1873 zur Abdankung. Die Cortes erklärten Spanien zur Republik. Doch auch die Republikaner, zu deren führenden Politikern E. Castelar y Ripoll gehörte, konnten keine geordneten Verhältnisse wiederherstellen. Die Präsidenten der Republik wechselten rasch. Sozialistische Massenaufstände in zahlreichen Städten wurden niedergeschlagen. Unter den föderalistischen Republikanern erstrebte eine radikale Gruppe die Verlegung der Regierungsgewalt in die Gemeinden. Sie unternahm besonders in Cartagena einen Aufstand, der erst nach mehreren Monaten niedergeworfen wurde (1873-74). Trotz diktatorischen Vollmachten scheiterte Castelar, und auch der Staatsstreich vom 3. 1. 1874, nach dem Serrano die Präsidentschaft übernahm und die Cortes auflöste, beruhigte das Land nicht. Wegen der Erfolge der Karlisten und der Misserfolge der republikanischen Regierungen gewannen die Alfonsinos, die Anhänger des jungen Bourbonenerben Alfons XII., zu dessen Gunsten seine Mutter Isabella II. 1870 offiziell abgedankt hatte, an Einfluss und Sympathie beim Volk. Ein neues Pronunciamiento unter Führung von General A. Martínez de Campos in Murviedro (heute Sagunto) am 29. 12. 1874 machte Alfons zum König. Am 14. 1. 1875 zog er in Madrid ein.
Die Restauration (1875-1902):
Alfons XII. starb bereits 1885 im Alter von 28 Jahren. Seine zweite Frau, Maria Christina von Österreich, übernahm für den nachgeborenen Sohn Alfons XIII., der sofort zum König ausgerufen wurde, bis zu dessen Mündigkeitserklärung (1902) die Regentschaft. Das politische System der Restauration war v. a. das Werk des Konservativen A. Cánovas del Castillo. Die von ihm inspirierte Verfassung von 1876 schuf ein Zweikammersystem nach englischem Vorbild; sie gewährte Religions- und Pressefreiheit, beseitigte aber die Geschworenengerichte und die Zivilehe. Entscheidend für die politische Stabilität war, ebenfalls nach englischem Vorbild, die Schaffung zweier großer Parteien. Die folgenden Jahre wurden von den Konservativen unter Cánovas und den Liberalen unter P. M. Sagasta bestimmt, die sich in der Regierung ablösten (»turnismo«). Obwohl die Liberalen 1887 die Geschworenengerichte, 1889 die Zivilehe und 1893 das allgemeine Wahlrecht wieder einführten, war der Unterschied zwischen beiden Parteien gering. Die eigentliche Opposition wurde an den Rand des politischen Systems gedrängt: die Karlisten, die bürgerlichen Republikaner, die sich später in die Radikalen und die Radikalsozialisten spalteten, die Sozialisten (Parteigründung 1879) und die Anarchisten. So blieb die Demokratie mehr Fiktion als Realität, was die Ursache neuer Unruhen wurde. Ein terroristischer Anarchismus, dem u. a. 1897 Cánovas zum Opfer fiel, breitete sich aus. Weiterer Zündstoff sammelte sich in den Regionen: Die baskische Provinz und Navarra verloren ihre Sonderrechte, Katalonien forderte 1892 volle Verwaltungsautonomie und einen föderalistischen Aufbau des spanischen Staates.
1895 brach auf Kuba ein Aufstand aus, 1896 auf den Philippinen. Der kubanische Aufstand führte 1898 zum Spanisch-Amerikanischen Krieg. In der Folge verlor Spanien Kuba, Puerto Rico und die Philippinen. 1899 verkaufte es die Karolinen, die Marianen und die Palauinseln an das Deutsche Reich. Vom einstigen Weltreich blieben nur kleine Reste in Nord- und Westafrika.
Auf eine Phase wirtschaftlicher Prosperität folgte am Ende des Jahrhunderts eine starke Depression, die die Wirkung der außenpolitischen Katastrophe von 1898 auf das politische Bewusstsein verstärkte. Der jetzt erst voll erkannte Niedergang Spaniens löste als Gegenreaktion eine Bewegung der geistigen Erneuerung aus, deren Wortführer die Generation von 98 wurde.
Spanien im 20. Jahrhundert
Die Restauration (1902-31):
Während der selbstständigen Regierung Alfons' XIII. (1902-31) zeigte das von Cánovas geschaffene politische System immer deutlicher Schwächen. Zwar wechselten sich Konservative und Liberale weiter in der Regierung ab; keine Partei konnte jedoch die Probleme des Landes lösen. Die innenpolitischen Probleme wurden durch das Engagement in Marokko vergrößert, wo Spanien Ersatz für die verlorenen Kolonien suchte (1904 Abgrenzung der Einflusssphären in Nordafrika zwischen Spanien und Frankreich). Der Widerstand der Marokkaner machte eine Reihe von Feldzügen notwendig, die in Spanien äußerst unpopulär waren. Der Protest artikulierte sich in Barcelona 1909 in einem Generalstreik, der blutig unterdrückt wurde (Semana trágica, »Tragische Woche«, 26.-31. 7.). 1912 fiel der liberale Parteiführer J. Canalejas y Méndez einem Attentat zum Opfer.
Im Ersten Weltkrieg blieb Spanien neutral. In der innenpolitischen Diskussion neigten die Liberalen und Sozialisten mehr zur Entente, von der sie die Verteidigung und Fortentwicklung einer freiheitlichen Staatsverfassung erhofften; die Konservativen, v. a. im Militär, im oberen Klerus und unter den Großgrundbesitzern, erwarteten besonders von Deutschland eine Stärkung der überkommenen gesellschaftlichen Strukturen. Die antimonarch. Kräfte sahen in einem Sieg der Ententemächte eine günstige Voraussetzung für die Errichtung einer Republik, die separatistischen Kräfte, besonders in Katalonien, erblickten Chancen für eine größere Autonomie. Trotz großer wirtschaftlicher Vorteile, die Handel und Industrie aus der neutralen Position Spaniens zogen, verschärften sich die sozialen Gegensätze und führten über Aktionen gesellschaftlich unzufriedener, in »Juntas de Defensa« zusammengeschlossener Offiziere (Juni 1917) sowie über die Ausrufung eines Generalstreiks seitens der Arbeiterschaft (Juli 1917) zu einer Staatskrise. In Katalonien nahm der soziale Konflikt, verbunden mit Autonomieforderungen, zeitweise bürgerkriegsähnliche Formen an. Die Reformbemühungen des Jahres 1917 scheiterten jedoch, da sich die Reformkräfte unter den Offizieren, im Bürgertum und in der Arbeiterschaft in der Abschaffung des von einer Oligarchie bestimmten Scheinparlamentarismus zwar einig waren, der von der Arbeiterschaft getragene Gedanke der sozialen Revolution von den beiden anderen gesellschaftlichen Gruppierungen jedoch abgelehnt wurde. Die inneren Spannungen waren seit dem Ersten Weltkrieg begleitet von militärischen Rückschlägen in Afrika: Unter Führung von Abd el-Krim brach 1920 in Spanisch-Marokko ein Aufstand der Rifkabylen aus, der die spanische Herrschaft dort infrage stellte.
Am 13. 9. 1923 brachte mit Duldung des Königs ein Militärputsch M. Primo de Rivera y Orbaneja an die Macht: Er löste das - vor dem Hintergrund von Korruption - diskreditierte parlamentarische System durch eine persönliche Diktatur ab. Außenpolitisch konnte er - gemeinsam mit Frankreich - den Aufstand in Marokko niederwerfen. Nachdem er 1925 das Militärkabinett durch eine Zivilregierung ersetzt hatte, suchte er mit einem Programm zur Verbesserung der Infrastruktur das Land zu modernisieren. Mit der Unión Patriótica gründete er 1925 eine Partei, die die Regierung tragen sollte, die aber im Volk keinen Rückhalt fand. Auch die Intelligenz (M. de Unamuno y Jugo u. a.) blieb in der Opposition. 1928 brachen Unruhen aus, die zur Schließung der Universitäten Madrid und Barcelona führten. In Katalonien, das sich nach wie vor gegen den Zentralismus Madrids stellte, gewannen die Sozialisten und Anarchisten an Einfluss. Da Primo de Rivera die sozialen Unterschiede nicht zu mildern vermochte und besonders die Frage des Großgrundbesitzes ungelöst ließ, zwang ihn der König 1930 zum Rücktritt. Als auch sein Nachfolger, General Dámaso Berenguer (* 1873, ✝ 1953), am 14. 2. 1931 abdanken musste, war das Schicksal der Monarchie besiegelt: Der Unwille richtete sich jetzt gegen den König. Nachdem bei den Gemeindewahlen die Republikaner einen Erfolg errungen hatten, verließ Alfons XIII. am 14. 4. das Land; am gleichen Tage wurde in Madrid die Republik ausgerufen.
Die Zweite Republik und der Bürgerkrieg (1931-39):
Am 14. 4. 1931 bildete N. Alcalá Zamora y Torres eine provisorische Regierung aus Sozialisten und bürgerlichen Republikanern. Grundprobleme der zweiten Republik waren die Stellung der katholischen Kirche im Staat, die Agrarreform, das Verhältnis von Zentralmacht zu den Regionen sowie das von Militär und Staat. Bereits wenige Wochen nach Ausrufung der Republik entluden sich starke antiklerikale Strömungen in der Zerstörung von Klöstern und Kirchen. Mit einem Republikschutzgesetz (29. 10. 1931 suchte die Regierung, seit dem 14. 10. 1931 unter Ministerpräsident M. Azaña y Díaz, links- und rechtsradikalen Tendenzen entgegenzuwirken. Am 9. 12. 1931 verabschiedeten die am 28. 6. gewählten Cortes (mit einer großen sozialistisch-republikanischen Mehrheit) eine Verfassung (u. a. Garantie der Grundrechte und des Privateigentums, Trennung von Staat und Kirche); Staatspräsident wurde Alcalá Zamora y Torres. 1932 verabschiedeten die Cortes ein Autonomiestatut für Katalonien und ein Agrargesetz (Enteignung des Großgrundbesitzes und kirchlicher Liegenschaften); die Kirchenschulen wurden abgeschafft. Der Versuch von Azaña y Díaz, das Militärwesen zu reformieren, löste in der Generalität und im Offizierskorps republikfeindliche Tendenzen aus. Bei den Parlamentswahlen von 1933 siegten die stärker rechtsgerichteten Parteien. Die von ihnen gebildeten Regierungen machten viele Reformen rückgängig. Vor diesem Hintergrund kam es 1934 zu einem Aufstand der Bergarbeiter in Asturien und zur Proklamation der Unabhängigkeit in Katalonien (Präsident L. Companys); beide Aufstände wurden von der Regierung unter Ministerpräsident Alejandro Lerroux y García (* 1866, ✝ 1949; mit Unterbrechungen im Amt: 1933-35) niedergeschlagen; das Autonomiestatut für Katalonien wurde vorübergehend (Dezember 1934 bis Februar 1936) außer Kraft gesetzt. Nach dem Sieg der Volksfront aus Republikanern, Sozialisten und Kommunisten bei den Wahlen vom Februar 1936 stellte diese in den folgenden Jahren die Regierung, zunächst unter Ministerpräsident republikanische Parteizugehörigkeit. Der Gegensatz zwischen konservativen und nationalistischen Kräften auf der einen sowie republikanische, sozialistische und anarchistische Strömungen auf der anderen Seite verschärfte sich ständig. Die Ermordung des konservativen Cortes-Abgeordneten J. Calvo Sotelo löste den Spanischen Bürgerkrieg (1936-39) aus.
Der Bürgerkrieg begann am 17. 7. 1936 in Spanisch-Marokko mit einer Militärrevolte, die wenig später auf Spanien übergriff. Nach dem Rücktritt der Regierung unter J. Giral y Pereira bildete der Sozialist F. Largo Caballero die Regierung; am 8. 10. 1936 erkannte diese die Autonomie des Baskenlandes an. Kurz vor Beginn des Angriffs der Aufständischen auf Madrid traten auch die Anarchisten der Regierung bei; diese verlegte im November 1936 ihren Sitz nach Valencia. Im Mai 1937 übernahm der Sozialist J. Negrín die Führung der Regierung. Durch vielfältige Strömungen politisch zerstritten, gelang es den republikanischen Regierungen nicht, die Ausbreitung des nationalspanischen Herrschaftsgebietes zu verhindern, zumal befreundete Mächte, besonders die USA, Großbritannien und Frankreich, an der Politik der »Nichtintervention« festhielten. Nur die UdSSR leistete militärtechnische Hilfe. Ende Juli 1936 hatten die militärischen Führer des Aufstandes in Burgos eine Juntaregierung gebildet, an deren Spitze am 1. 10. 1936 General F. Franco Bahamonde trat. Politisch stützte er sich auf die Falange. Am 18. 11. 1936 erkannten das nationalsozialistische Deutschland und das faschistische Italien, die von Beginn des Bürgerkriegs an die Aufständischen politisch und militärisch unterstützt hatten, die Aufstandsregierung an. Am 1. 2. 1938 bildete Franco die Junta zu einer Kabinetts-Regierung um. Mit der Eroberung Barcelonas (26. 1. 1939 löste sich das republikanische Regierungssystem auf. Noch vor dem siegreichen Einzug der nationalspanischen Truppen in Madrid (28. 3.) erkannten die britische und französische Regierung am 27. 2. die Regierung Franco an, die USA folgten am 1. 4. 1939.
Das Francoregime und der Zweite Weltkrieg (1939-45):
Bereits am 27. 3. 1939 war Spanien dem Antikominternpakt beigetreten, am 8. 5. 1939 verließ es den Völkerbund. Trotz des von beiden Seiten ausgeübten Druckes blieb es aber im Zweiten Weltkrieg neutral. Verschiedene deutsch-spanische Besprechungen (v. a. die zwischen Hitler und Franco am 23. 10. 1940 in Hendaye) blieben ohne Ergebnis. Jedoch unterstützte Spanien Deutschland seit Juni 1941 mit der Entsendung der Blauen Division, die es auf alliierten Druck hin im Oktober 1943 zurückziehen musste. Seit November 1943 kämpfte auf deutscher Seite die aus etwa 2 000 Freiwilligen bestehende »Spanische Legion« an der Ostfront. 1940 ließ die spanische Regierung die internationale Zone von Tanger besetzen. Je stärker sich der Krieg zugunsten der Anti-Hitler-Koalition entwickelte, desto mehr wandte sich Franco den westlichen Alliierten zu, verfolgte aber weiter offiziell einen Neutralitätskurs.
Innenpolitisch legte die Regierung Franco am 6. 12. 1940 durch das Syndikatsgesetz die Grundlage für eine auf ständischer Basis organisierte Diktatur. Die Frage, ob Spanien im Rahmen einer Republik oder Monarchie regiert werden sollte, blieb lange Zeit in der Schwebe. Auf korporativer Grundlage fanden 1942 Wahlen zu den Cortes statt.
Das Francoregime 1945-75:
Nach dem Sieg der Anti-Hitler-Koalition war Spanien politisch (Verurteilung durch die UNO 1946) und wirtschaftlich isoliert. Es war nicht an der Marshallplanhilfe beteiligt und nahm deshalb auch nicht an der Gründung der OEEC teil (1948). Im kolonialpolitischen Bereich musste sich Spanien mit der Wiederherstellung der internationalen Zone von Tanger (11. 10. 1945 abfinden. Auch kam es der Forderung der Siegermächte nach Enteignung des deutschen Vermögens in Spanien nach. Um die Verfemung seines diktatorischen Regierungssystems abzumildern, sicherte Franco den Spaniern mit dem »Fuero de los Españoles« (Recht der Spanier) die staatsbürgerlichen Grundrechte zu. Den Monarchisten, die nach Kriegsende die Wiedererrichtung der Monarchie gefordert hatten, kam er schrittweise entgegen: Am 20. 7. 1945 sagte er die Wiedereinführung der Monarchie zu. In einem »Gesetz über die Nachfolge in der Obersten Staatsführung« wurde die Regentschaft geregelt: Juan Carlos, Sohn des in Portugal lebenden Thronprätendenten Juan von Bourbon und Battenberg (* 1913, ✝ 1993), wurde seitdem auf die Nachfolge Francos vorbereitet.
Am 4. 11. 1950 zog die UNO ihre Erklärung von 1946 zurück. Dieser Schritt war besonders von den USA gefördert worden, da sie die Iberische Halbinsel im Zuge des Ost-West-Konfliktes in ihr europäisches Verteidigungskonzept einzufügen suchten. Aufgrund des Madrider Vertrags vom 26. 9. 1953 verpachtete Spanien Militärstützpunkte an die USA. Die Afrikapolitik Spaniens war besonders von dem Wunsch bestimmt, das traditionell freundschaftliche Verhältnis zu den islamischen Ländern zu fördern. Zwischen 1956 und 1975 verzichtete es auf seinen restlichen Kolonialbesitz in Nord- und Westafrika. Seit Ende der 50er-Jahre verstärkte es seine Ansprüche auf Gibraltar. In Europa aktivierte es neben den traditionell guten Beziehungen zu Portugal seine Kontakte zu Frankreich (u. a. Zusammenarbeit in militärischen Fragen). 1960 trat Spanien der OECD bei.
In seiner wirtschaftlichen Entwicklung wurde Spanien durch größere Streikbewegungen v. a. in Katalonien (1951 und 1962), im Baskenland (1951) sowie in Asturien (1962 und 1963) vorübergehend gehemmt. Spannungen verursachten auch die Autonomiebestrebungen besonders in Katalonien und im Baskenland. Die Regierung fand sich jedoch nicht zu wesentlichen Konzessionen bereit. In der katholischen Kirche wurde seit dem 1. 1. 1965 das Katalanische und das Baskische neben dem Spanischen zum kirchlichen Gebrauch anerkannt.
Mit Beginn der 60er-Jahre war Franco bemüht, durch Reformgesetze innerhalb der bisherigen Staatsordnung Liberalisierungstendenzen stattzugeben (u. a. 1964 ein Pressegesetz, 1967 ein Staatsorgangesetz mit verfassungsänderndem Charakter, 1967 ein Protestantenstatut) und zugleich die starken politischen Vorbehalte des Auslands gegenüber seiner Regierung abzubauen.
Am 22. 7. 1969 billigten die Cortes ein Gesetz, in dem Franco Prinz Juan Carlos als seinen Nachfolger einsetzte. Am 16. 7. 1971 ernannte Franco diesen zu seinem Stellvertreter. Auch ernannte er seit 1973 einen Ministerpräsident: L. Carrero Blanco (1973) und C. Arias Navarro (1973-76).
Das demokratische Spanien (seit 1976):
Nach dem Tode Francos (20. 11. 1975 wurde Juan Carlos am 22. 11. 1975 als Juan Carlos I. zum König proklamiert und am 27. 11. 1975 inthronisiert. Gemeinsam mit dem von ihm im Juli 1976 ernannten Ministerpräsidenten A. Suárez González leitete er den Aufbau einer parlamentarischen Demokratie ein (Reformgesetz von 1976). Nach Wiederzulassung der Parteien fanden am 15. 6. 1977 Parlamentswahlen statt, aus denen die Unión de Centro Democrático (UCD) als stärkste Kraft hervorging, ihr Führer Suárez González wurde als Ministerpräsident bestätigt. Am 6. 12. 1978 nahm die Bevölkerung in einer Volksabstimmung eine neue Verfassung an, die u. a. den Regionen Spaniens das Recht auf Autonomie zugesteht. Als erste erhielten Katalonien und das Baskenland 1979 wieder ein Autonomiestatut; die anderen Regionen folgten bis 1986.
Nach dem Rücktritt von Suárez González im Januar 1981 unternahmen Angehörige des Militärs und der Guardia Civil einen Putschversuch (Besetzung der Cortes am 23. 2. 1981). Dank der Initiative des Königs, der über den Rundfunk zur Verfassungstreue aufrief, brach der Putsch bereits am 24. 2. zusammen. Am 25. 2. wurde der UCD-Kandidat L. Calvo Sotelo zum Ministerpräsidenten gewählt. Als Maßnahme gegen die terroristischen Aktivitäten extremistischer Gruppen, v. a. der ETA, und zur Abwehr verfassungsfeindlicher Umsturzversuche verabschiedeten die Cortes 1981 ein Gesetz zur Bekämpfung von Rebellion und Terrorismus. Mit dem Beitritt Spaniens zur NATO (1982) wurden die spanischen Streitkräfte in ein Bündnis demokratischer Staaten politisch eingebunden. Britisch-spanische Gespräche führten in den folgenden Jahren zur vollständigen Öffnung der spanischen Grenze gegenüber Gibraltar.
Mit dem Zerfall der politisch heterogenen UCD (1981/82) fächerte sich das Parteienfeld, das bereits durch eine Vielzahl regionalistischer Parteien gekennzeichnet war, weiter auf. Bei den Wahlen von 1982 errang der Partido Socialista Obrero Español (PSOE) die absolute Mehrheit und stellte mit F. González Márquez den Ministerpräsident (Wiederwahl 1986, 1989 und 1993; 1986 mit absoluter Mehrheit). Mit sozialpolitischen Maßnahmen (z. B. Einführung der 40-Stunden-Woche) suchte González das demokratische Regierungssystem gesellschaftspolitisch abzusichern, stieß aber in den folgenden Jahren mit seiner Bildungs- und Schulpolitik auf wachsenden Widerspruch liberal-konservativer Kreise, mit seiner Wirtschafts- und Sozialpolitik auf steigende Ablehnung in der Arbeiterschaft (Generalstreik 1988 und 1994). In der Außenpolitik änderte der PSOE seine Orientierung und respektierte die Befürwortung des Verbleibs in der NATO durch Volksentscheid (1986). Den 17 autonomen Regionen gewährte die Regierung González in einem »Autonomiepakt« (3. 3. 1992 mehr Kompetenzen (v. a. im Bildungsbereich). Seit Ende 1994 wurde das innenpolitische Klima in Spanien bestimmt durch Presseberichte, die die Regierung González der Korruption und der Unterstützung von Staatsterrorismus (bei der Bekämpfung der ETA) beschuldigten. Die manipulierte Kampagne gegen den Ministerpräsident (als solche Anfang 1998 enthüllt) brachte die Minderheitsregierung in Schwierigkeiten: Nachdem die katalanische Regionalpartei CiU die Unterstützung aufgekündigt hatte, löste González das Parlament im Januar 1996 auf. In der langen Periode der PSOE-Regierung wurde Spanien modernisiert und zu einem Teil der EU (EG-Beitritt 1986); 1989 wurde die Peseta in das Europäische Währungssystem (EWS) einbezogen. Zur wichtigsten Oppositionspartei hatte sich seit Anfang der 90er-Jahre der konservative Partido Popular entwickelt. Er ging aus den vorgezogenen Parlamentswahlen im März 1996 als stärkste Partei hervor, zum Ministerpräsidenten wurde ihr Vorsitzender J. M. Aznar López gewählt. Seine Minderheitsregierung wurde unterstützt von der katalanischen CiU, bis Herbst 1997 auch von der bürgerlichen baskischen Partei PNV. Die erfolgreiche Wirtschaftspolitik des PP (u. a. Erfüllung der Euro-Kriterien) und die Richtungskämpfe innerhalb des PSOE brachten Aznar López im März 2000 die Wiederwahl mit absoluter Mehrheit.
Das öffentliche Leben in Spanien wird immer wieder von den Terroranschlägen der ETA erschüttert, die nicht auf das Baskenland beschränkt bleiben und die auf die Grundlagen des Staates zielen, in der Bevölkerung aber auf einhellige Ablehnung stoßen. Die Forderungen nach größerer Autonomie (v. a. bei der Erhebung und Verwendung von Steuern) bleiben dennoch nicht ohne Einfluss auf die Diskussion um das spanische Staatsmodell, das wegen der historisch unterschiedlich gewachsenen Privilegien der Regionen (v. a. im Baskenland, in Katalonien und Navarra) keinen Föderalismus auf der Basis der Gleichberechtigung erlaubt.
In der internationalen Diplomatie spielt Spanien eine wichtige Rolle als Vermittler zwischen Lateinamerika und der EU (iberoamerikanisches Gipfeltreffen), auch vertritt es in der EU die Interessen der südlichen und östlichen Anrainerstaaten des Mittelmeers. Im Juli 2002 brach zwischen Marokko und Spanien ein Streit um die von beiden beanspruchte unbewohnte kleine Felseninsel Perejil (Petersilieninsel) vor der marokkanischen Küste aus (Vertreibung kurz zuvor auf der Insel gelandeter marokkanischer Soldaten durch spanisches Militär); Marokko erhob nun offiziell auch Ansprüche auf die spanischen Exklaven Ceuta und Melilla.
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J. Lynch: Spain under the Habsburgs, 2 Bde. (Oxford 21981);
H. Heine: Gesch. S.s in der frühen Neuzeit. 1400-1800 (1984);
M. Defourneaux: S. im Goldenen Zeitalter (a. d. Frz., 1986);
F. Woerdemann: Die Beute gehört Allah. Die Gesch. der Araber in S. (21986);
J. Pérez: Ferdinand u. Isabella. S. zur Zeit der kath. Könige (a. d. Frz., 1989);
C. Benedek: Das iber. Erbe S.s (tlw. a. d. ungar. Ms., 1990);
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Medieval Spain. Essays on the history and literature of medieval Spain, hg. v. D. J. Kagay u. J. T. Snow (New York 1997).
19. und 20. Jh.: J. Harrison: An economic history of modern Spain (Manchester 1978);
R. Carr: Spain. 1808-1975 (ebd. 21982);
V. Mauersberger: S. - Wandel nach Europa (Aarau 1991);
S. nach Franco. Der Übergang von der Diktatur zur Demokratie 1975-1982, hg. v. W. L. Bernecker u. C. C. Seidel (1993);
Marita Müller: Polit. Parteien in S. 1977-1982 (1994);
W. Haubrich: S.s schwieriger Weg in die Freiheit. Von der Diktatur zur Demokratie, 2 Bde. (1995-97);
W. L. Bernecker: S.s Gesch. seit dem Bürgerkrieg (31997).
Hier finden Sie in Überblicksartikeln weiterführende Informationen:
Großreiche: Kolosse auf tönernen Füßen?
spanisches Weltreich: Das Reich, in dem die Sonne nicht untergeht
Spaniens Hegemonie im 16. und 17. Jahrhundert: Katholische Vormacht
Lateinamerika zwischen Kolonialismus und Unabhängigkeit (1763 bis 1820): Spaniens Rückzug aus der Neuen Welt
Spanischer Bürgerkrieg: Testfall für Europa und die Großmächte
Entkolonialisierung: Das Ende der Kolonialherrschaft und die Bewegung der Blockfreien
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Spa|ni|en; -s: Staat im Südwesten Europas.
Universal-Lexikon. 2012.