Poggio Bracciolini
['pɔddʒo brattʃo'liːni], Gian Francesco, italienischer Humanist, * Terranuova (bei Arezzo) 11. 2. 1380, ✝ Florenz 30. 10. 1459; seit 1403 in Rom, zunächst Schreiber, dann Sekretär der päpstlichen Kurie, blieb in diesem Amt (abgesehen von einem Englandaufenthalt 1418-23) bis 1453 tätig und wirkte schließlich als Kanzler in Florenz. Im Gefolge mehrerer Päpste nahm er an den Konzilen von Konstanz und Basel teil. Von dort aus besuchte er verschiedene Klosterbibliotheken in Deutschland, der Schweiz und Frankreich, wo er neben einem vollständigen Exemplar der »Institutio oratoria« Quintilians Handschriften mit verschollenen Werken antiker Autoren entdeckte (u. a. von Plautus, Cicero, Lukrez und Tacitus).
Poggio Bracciolinis Werke umfassen die polemischen »Invectivae« gegen verschiedene Zeitgenossen (F. Filelfo, L. Valla) und die gegen das Mönchtum gerichtete Schrift »Contra hypocritas«, ferner die »Facetiae«, eine Sammlung burlesk-erotischer Erzählungen in volkstümlichem Stil, sowie mehrere Abhandlungen über traditionelle popularphilosophische Themen. Von größter Bedeutung sind seine zahlreichen Briefe, die wertvolle kulturgeschichtlichen Einsichten vermitteln und die Begeisterung der Humanisten für die klassische Antike widerspiegeln.
Ausgaben: Opera omnia, herausgegeben von T. Tonelli, 4 Bände (Neuausgabe 1964-82); Facezie, herausgegeben von M. Ciccuto (1983; lateinisch und italienisch); Lettere, herausgegeben von H. Harth, 3 Bände (1984-87).
Two Renaissance book hunters. The letters of Poggio Bracciolini to Nicolaus de Niccolis, herausgegeben von P. W. G. Gordan (1974).
Poggius Florentinus. Leben u. Werke, hg. v. E. Walser (1914, Nachdr. 1974);
E. Flores: Le scoperte di P. e il testo di Lucrezio (Neapel 1980);
P. B.: 1380-1980. Nel VI centenario della nascita (Florenz 1982).
Universal-Lexikon. 2012.