Steuerharmonisierung,
die Angleichung oder Vereinheitlichung einzelner Steuerarten oder ganzer Steuersysteme verschiedener Gebietskörperschaften. Die Forderung nach Steuerharmonisierung ergibt sich meist aus dem Ziel der Vermeidung ungleicher Wettbewerbsbedingungen oder im Zusammenhang mit einer allgemeinen Angleichung der Rahmenbedingungen im Zuge der Schaffung eines einheitlichen Wirtschaftsraumes oder einer politischen Union.
Besondere Bedeutung kommt der Steuerharmonisierung in der EG bei der Schaffung des Europäischen Binnenmarktes und der Errichtung einer Wirtschafts- und Währungsunion zu. Der Vertrag zur Gründung der EWG in der Fassung der Einheitlichen Europäischen Akte vom 28. 2. 1986 enthält in Art. 99 einen ausdrücklichen Steuerharmonisierungsauftrag für die indirekten, nicht aber für die direkten Steuern. Für entsprechende Maßnahmen ist die Zustimmung aller Mitgliedstaaten (Einstimmigkeit) erforderlich.
Bei den direkten Steuern ist die Steuerharmonisierung über einige Detailregelungen (insbesondere Richtlinienpaket des Rates vom 23. 7. 1990: Konzern- und Fusionsrichtlinie) und grundsätzliche Überlegungen zur Angleichung der Unternehmensbesteuerung (Bericht des [nach dem ehemaligen niederländischen Finanzminister benannten] Ruding-Ausschusses vom April 1992) noch nicht hinausgekommen. Wesentlich weiter fortgeschritten ist die Steuerharmonisierung bei den indirekten Steuern auf die Einkommensverwendung: Es gibt keine Binnenzölle in der EG; alle Mitgliedstaaten haben bei der Umsatzsteuer das System der Mehrwertsteuer eingeführt, deren Steuerbemessungsgrundlage überdies harmonisiert wurde (6. Umsatzsteuerrichtlinie vom 17. 5. 1977). Der bislang zur Sicherstellung des Bestimmungslandprinzips vorgenommene umsatzsteuerliche Grenzausgleich (Entlastung der Exporte, Belastung der Importe durch Einfuhrumsatzsteuer) ist 1993 für innergemeinschaftliche Umsätze entfallen (Wegfall der »Steuergrenzen«). Auf lange Sicht soll an seine Stelle der grenzüberschreitende Vorsteuerabzug treten. Bis dahin gilt eine spezielle »Übergangsregelung«, nach der Waren im innergemeinschaftlichen Verkehr zwischen Unternehmen weiterhin umsatzsteuerlich unbelastet über die Grenze gelangen und erst im Bestimmungsland mit Steuer belastet werden: Der innergemeinschaftliche Erwerb gilt als neuer steuerbarer Umsatz im Bestimmungsland, die innergemeinschaftliche Lieferung im Ursprungsland als steuerbefreiter Umsatz. Der Einfuhrumsatzsteuer unterliegt heute nur noch die Einfuhr aus Drittländern. In der Frage der gleichzeitig angestrebten Harmonisierung der Höhe der Steuersätze entschied sich der Rat der EG am 24. 6. 1991 nicht für einen einheitlichen Umsatzsteuersatz, sondern legte lediglich einen Mindest(regel)steuersatz von 15 % fest; daneben dürfen national bis zu zwei ermäßigte Steuersätze von mindestens 5 % angewendet werden. Auch für die speziellen Verbrauchsteuern auf Mineralölerzeugnisse, Tabakwaren und alkoholische Getränke einigte sich der Rat der EG am 24. 6. 1991 auf Mindestsätze.
Universal-Lexikon. 2012.