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Talleyrand
Talleyrand
 
[tale'rã], Talleyrand-Périgord [-peri'gɔːr], französisches Adelsgeschlecht aus dem Seitenzweig der 1435 ausgestorbenen Grafen von Périgord in Südwestfrankreich. - Bedeutender Vertreter:
 
Charles Maurice de Talleyrand, Fürst von Benevent, Herzog (seit 1807) von Talleyrand-Périgord und (seit 1815 neapolitanischer) Herzog von Dino, französischer Staatsmann, * Paris 13. 2. 1754, ✝ ebenda 17. 5. 1838; wurde 1780 Generalagent des Klerus, 1788 Bischof von Autun. Als Mitglied der Generalstände von 1789 trat er für Reformen ein und schloss sich der Nationalversammlung an. Er beantragte am 10. 10. 1789 die Einziehung der Kirchengüter zur Tilgung der Staatsschulden (Gesetz vom 2. 11. 1789) und leistete 1791 den Eid auf die Zivilkonstitution des Klerus; daraufhin belegte ihn der Papst mit dem Kirchenbann. Der Verbindung mit dem entthronten König verdächtigt, musste Talleyrand 1792 Frankreich verlassen und emigrierte nach einem Aufenthalt in London in die USA. Nach seiner Rückkehr erhielt er durch P. Vicomte de Barras 1797 das Amt des Außenministers, das er zunächst bis 1799, dann - nach der Unterstützung des Staatsstreichs Napoléon Bonapartes - bis 1807 innehatte. Talleyrand strebte ein engeres Zusammengehen mit Großbritannien und Österreich an und hielt nach dem Frieden von Amiens (1802) die Ziele Frankreichs für erreicht. Die Eroberungspolitik Napoleons lehnte er ab und sammelte nach seiner Entlassung eine versteckte Opposition gegen den Kaiser um sich. Nach dessen Niederlage 1814 förderte er entscheidend die Rückkehr der Bourbonen. Auf dem Wiener Kongress gelang es ihm, Frankreichs europäische Stellung wieder zu festigen. Nach den »Hundert Tagen« Napoleons kam er als Außenminister wieder in die Regierung, konnte sich gegen das Misstrauen Ludwigs XVIII. nicht halten und trat im September 1815 zurück. 1830 unterstützte er die Thronbesteigung Louis Philippes; als Botschafter in London (1830-34) betrieb er die Zusammenarbeit zwischen Frankreich und Großbritannien besonders bei der Entstehung des belgischen Staates. Kurz vor seinem Tod söhnte er sich mit der katholischen Kirche aus.
 
Als wesentliche Voraussetzungen diplomatischer Tätigkeit verfügte Talleyrand über die Kunst der Menschenführung und vollendete Sicherheit im Auftreten. Seine Anpassung an die wechselnden Regierungsformen erscheint opportunistisch, doch war er stets auf Wahrung und Ausbau der französischen Großmachtstellung bedacht. Der Gedankenwelt der Aufklärung verbunden, ließ er niemals das Ziel des europäischen Gleichgewichts aus den Augen.
 
Ausgaben: Correspondance diplomatique, herausgegeben von G. Pallain, 3 Bände (1887-91).
 
Memoiren, herausgegeben von A. von Broglie, 5 Bände (1891-92).
 
Literatur:
 
J. F. Bernard: T. (a. d. Engl., Neuausg. 1989);
 J. Orieux: T. Die unverstandene Sphinx (a. d. Frz., Neuausg. 7.-8. Tsd. 1991);
 A. von Ilsemann: Die Politik Frankreichs auf dem Wiener Kongreß. T.s außenpolit. Strategien zw. erster u. zweiter Restauration (1996).

Universal-Lexikon. 2012.