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Broglie
Broglie
 
[brɔj], französisches Adelsgeschlecht, 1643 aus Piemont eingewandert, erhielt 1742 den erblichen Herzogstitel. Der Familie entstammen bedeutende Offiziere, Politiker und Gelehrte:
 
 1) Achille Charles Léonce Victor, 3. Herzog von Broglie, französischer Politiker, * Paris 28. 11. 1785, ✝ ebenda 25. 1. 1870, Enkel von 7), Vater von 2); plädierte 1815 als einziges Mitglied der Pairskammer für den Freispruch von Marschall M. Ney; Außenminister 1832-36, Premierminister August-September 1830 und 1835/36.
 
Werk: Souvenirs, 4 Bände (herausgegeben 1886).
 
 2) Albert Victor, 4. Herzog von Broglie, französischer Politiker und Historiker, * Paris 13. 6. 1821, ✝ ebenda 19. 1. 1901, Sohn von 1), Großvater von 5) und 6); Vertreter des konstitutionellen Liberalismus, gehörte 1873/74 dem Kabinett MacMahon an und führte von Mai bis November 1877 ein konservatives Koalitionskabinett.
 
Werke: L'église et l'empire romain au IVième siècle, 6 Bände (1856-66); Frédéric II. et Marie Thérèse, 2 Bände (1882; deutsch Friedrich II. und Maria Theresia nach neuen archivalischen Quellen. .., 1 Band).
 
 3) Charles François Graf von Broglie, französischer Heerführer und Diplomat, * 20. 8. 1719, ✝ Saint-Jean-d'Angély (bei Rochefort) 16. 8. 1781, Sohn von 4), Bruder von 7); kämpfte im Österreichischen Erbfolgekrieg und wurde 1752 französischer Botschafter in Polen, wo er dem russischen Einfluss entgegentrat. Während des Siebenjährigen Krieges zum Generalleutnant befördert, wurde Broglie Chef der Geheimdiplomatie (Secret du Roi), die Ludwig XV. hinter dem Rücken seiner Minister betrieb.
 
 4) François Marie, 1. Herzog von Broglie (seit 1742), französischer Marschall (seit 1734), * Paris 11. 1. 1671, ✝ Broglie (bei Bernay) 22. 5. 1745, Vater von 3) und 7); befehligte im Polnischen Thronfolgekrieg 1734 in Italien, im Österreichischen Erbfolgekrieg 1741/42 in Böhmen französische Truppen, erhielt dann anstelle des Herzogs von Belle-Isle den Oberbefehl, fiel aber nach der Räumung Bayerns und dem Rückzug über den Rhein in Ungnade.
 
 5) Louis Victor, 7. Herzog von Broglie (seit 1960), genannt L. de Broglie, französischer Physiker, * Dieppe 15. 8. 1892, ✝ Louveciennes (bei Paris) 19. 3. 1987, Bruder von 6), Enkel von 2); seit 1933 Mitglied der Académie des sciences, seit 1944 der Académie française; war 1919-27 Experimentalphysiker im Privatlaboratorium seines Bruders, 1932-62 Professor in Paris. Konzipierte 1923/24 seine grundlegenden Ideen über den Welle-Teilchen-Dualismus. Broglie führte den Begriff der Materiewellen (de-Broglie-Wellen) ein, mit dem er die bohrsche Quantenbedingung (Atommodell) und das Auftreten stabiler Elektronenbahnen in den Atomen erklären konnte, und gab damit den Anstoß zur Entwicklung der Wellenmechanik durch E. Schrödinger. Er erhielt hierfür 1929 mit O. W. Richardson den Nobelpreis für Physik. Später befasste er sich mit der Quantenfeldtheorie der Elementarteilchen und mit Wellengleichungen für Teilchen mit höherem Spin, wobei er mit seiner »Fusionsmethode« u. a. eine Neutrinotheorie des Lichts formulierte; außerdem galten seine Bemühungen einer kausalen, nichtstatistischen Deutung der Quantenmechanik im Rahmen einer nichtlinearen Wellenmechanik.
 
Werke: Ondes et mouvements (1926); La mécanique ondulatoire (1928; deutsch Einführung in die Wellenmechanik); L'électron magnétique (1934); Matière et lumière (1937; deutsch Licht und Materie); Continu et discontinu en physique moderne (1941; deutsch Die Elementarteilchen); De la mécanique ondulatoire à la théorie du noyau, 3 Bände (1943-46); Théorie générale des particules à spin (1943); Physique et microphysique (1947; deutsch Physik und Mikrophysik); Une tentative d'interprétation causale et non linéaire de la mécanique ondulatoire (1956); Étude critique des bases de l'interprétation actuelle de la mécanique ondulatoire (1963); Ondes électromagnétiques et photons (1968).
 
Literatur:
 
L. de B. u. die Physiker, bearb. v. A. Georges (a. d. Frz., 1955).
 
 6) Maurice, 6. Herzog von Broglie, genannt M. de Broglie, französischer Physiker, * Paris 27. 4. 1875, ✝ Neuilly-sur-Seine 14. 7. 1960, Bruder von 5), Enkel von 2); seit 1924 Mitglied der Académie des sciences, seit 1934 der Académie française, seit 1945 des Conseil Scientifique de l'Énergie Atomique. Arbeitete in seinem Pariser Privatlaboratorium über Molekülphysik, untersuchte u. a. die Ionisation molekularer Gase und mit dem Ultramikroskop die Bewegung suspendierter Teilchen, wobei er die Aufladung von Staubteilchen entdeckte; seit 1913 befasste er sich mit den Röntgen- und Gammastrahlen sowie deren Spektren und arbeitete über Radioaktivität und Kernumwandlungen; dabei entdeckte er 1921 den Kernphotoeffekt.
 
Werke: La physique de rayon X (1922); Introduction à l'étude des rayons X et gamma (1928, mit Louis de Broglie; deutsch Einführung in die Physik der Röntgen- und Gamma-Strahlen); Atomes, radioactivité, transmutations (1939).
 
 7) Victor François, 2. Herzog von Broglie, französischer Heerführer, * Paris 19. 10. 1718, ✝ Münster 31. 3. 1804, Sohn von 4), Bruder von 3), Großvater von 1); französischem Marschall (1759), zeichnete sich im Siebenjährigen Krieg aus. Broglie war im Juli/August 1789 französischer Kriegsminister und 1792 Führer der französischen Emigranten.

Universal-Lexikon. 2012.