Gemini (lat.)
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Zwillinge
[althochdeutsch zwiniling, zu zwinal »doppelt«],
1) Astronomie: Gẹmini, Abkürzung Gem, großes Sternbild des Tierkreises, in unseren Breiten im Winter am nördlichen Abendhimmel zu sehen; Zeichen. Die Sonne durchläuft das Sternbild in ihrer scheinbaren jährlichen Bewegung von der 2. Hälfte des Juni bis in die 2. Julihälfte. Das Sternbild ist leicht zu finden, da die beiden nahezu gleich hellen Sterne Castor (α Geminorum) und Pollux (β Geminorum) nur 4,5º voneinander entfernt und sehr auffällig sind. ζ Geminorum ist ein Delta-Cephei-Stern mit einer Periode von 10,2 Tagen, der schon mit einem einfachen Feldstecher als Doppelstern zu erkennen ist. Mit M 35 enthält das Sternbild, das von der in diesem Gebiet hellen Milchstraße durchzogen wird, einen bereits mit bloßem Auge erkennbaren offenen Sternhaufen.
2) Biologie: Gẹmini, Gemẹlli, bei Mensch und Tieren zwei gleichzeitig im Mutterleib entwickelte, kurz nacheinander geborene Mehrlinge. Zweieiige Zwillinge (dizygote Zwillinge) entstehen, wenn zwei gleichzeitig durch Ovulation frei gewordene Eizellen durch je ein Spermium befruchtet werden; sie sind also gleichaltrige Geschwister, die gleich- oder verschiedengeschlechtlich (Pärchenzwillinge) sein können und - wie andere Geschwister auch - genau zur Hälfte verschiedenes Erbmaterial besitzen. Eineiige Zwillinge entstehen aus einer einzigen befruchteten Eizelle, die sich in einem sehr frühen Entwicklungsstadium teilt; eineiige Zwillinge sind daher genetisch identisch und somit auch gleichen Geschlechts. Bei einer Spaltung in einem späteren Entwicklungsstadium kann es zu einer unvollständigen Teilung der Keimscheibe kommen und damit zu unvollständig getrennten Embryonen (siamesische Zwillinge). - Um eine Diagnose über Ein- oder Zweieiigkeit stellen zu können, wurde früher v. a. der Eihautbefund herangezogen, der sich jedoch als unzuverlässig erwiesen hat, da sich auch eineiige Zwillinge nicht immer in gemeinsamen Eihäuten entwickeln. Aufschluss gibt inzwischen die DNA-Analyse.
3) Kristallographie: zwei gesetzmäßig miteinander verwachsene Individuen der gleichen Kristallart, die entweder durch Spiegelung an einer Zwillingsebene oder durch 180º-Drehung um eine Zwillingsachse miteinander zur Deckung gebracht werden können. Zwillingsebene und Zwillingsachse sind nicht zugleich Symmetrieelemente der betreffenden Kristallklasse, da sonst nur eine Parallelverwachsung vorliegen würde. Die jeweiligen Zwillingsgesetze geben die millerschen Indizes (h k l ) der Zwillingsebene oder/und das Geradensymbol [u v w ] der Zwillingsachse an, wobei stets eines dieser Elemente in beiden Individuen kristallographisch rational sein muss. Die Zwillingsebene ist häufig zugleich auch die Verwachsungsfläche (Zwillingsgrenze) der beiden Zwillingsindividuen. Von einfachen Kristallen unterscheiden sich Zwillinge meist durch »einspringende Winkel«.
Nach der Art der Entstehung werden unterschieden: 1) Wachstumszwillinge, bei denen die Anlage zum Verzwillingen bereits im Kristallkeim vorlag; 2) Verformungszwillinge, die durch mechanische Deformation, d. h. Druck und Gleitung, entstanden (z. B. durch die baumhauerschen Versuche am Kalkspat); 3) Umwandlungszwillinge, die bei polymorphen Mineralen beim Umschlag der Hochtemperatur- in die Tieftemperaturmodifikation gebildet wurden und meist aus sich kreuzenden Lamellensystemen aufgebaut sind. - Nach der Art der gegenseitigen Verwachsung werden unterschieden: 1) Berührungszwillinge (Kontaktzwillinge, Juxtapositionszwillinge), bei denen die Zwillingsebene zugleich Verwachsungsfläche ist; 2) Durchwachsungszwillinge (Durchdringungszwillinge, Penetrationszwillinge), bei denen sich die Individuen entlang einer unregelmäßigen Verwachsungsfläche durchdringen.
Bei mehrfacher Verzwillingung können »Drillinge«, »Vierlinge« usw. (allgemein Viellinge) entstehen. Einen Fall komplizierter Verzwillingung bilden die polysynthetischen Zwillinge, bei denen mehrere Zwillingselemente vorliegen (z. B. zwei Zwillingsebenen oder je eine Zwillingsachse und Zwillingsebene). Hierdurch entstandene Zwillingsstöcke, die eine höhere Kristallsymmetrie vortäuschen als der betreffenden Kristallart zukommt, heißen mimetische Zwillinge.
Universal-Lexikon. 2012.