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Bändermodell
Bạ̈n|der|mo|dell 〈n. 11; unz.〉 Beschreibung des energetischen Spektrums eines Elektrons im Festkörper durch eine Bandstruktur der zugelassenen Energiezustände, z. B. durch Leitungs- u. Valenzbänder

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Bạ̈n|der|mo|dell; Syn.: Energiebändermodell: ein quantenmechanisch begründetes Denkmodell zur Erklärung der Leitfähigkeitsphänomene in Metallen, Halbleitern u. Festkörperisolatoren, das von der Vorstellung wandernder Elektronen in den (ggf. durch verbotene Zonen getrennten) Leitfähigkeits- u. Valenzbändern ausgeht.

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Bändermodell,
 
Energiebändermodell, quantenmechanisches Modell zur Beschreibung der elektronischen Energiezustände in Festkörpern, mit dem viele physikalische Eigenschaften, v. a. die unterschiedliche elektrische Leitfähigkeit von Metallen, Halbleitern und Isolatoren, quantitativ erfasst und anschaulich gedeutet werden können. Das Bändermodell geht von einem idealen Einkristall aus, bei dem die positiv geladenen Atomrümpfe in einem streng periodischen Kristallgitter sitzen und Schwingungen um ihre Gleichgewichtslage vernachlässigt werden. Die atomaren Elektronenniveaus spalten wegen der elektrostatischen Wechselwirkung der Elektronen mit den Nachbaratomen auf. Bei der enorm großen Zahl von miteinander wechselwirkenden Atomen in einem Kristall werden die erlaubten Energiezustände zu mehr oder weniger breiten Energiebändern mit mehr als 1020 verschiedenen Quantenzuständen verschmiert, die durch verbotene Zonen (Energielücken oder Bandlücken), in denen keine erlaubten Elektronenniveaus existieren, voneinander getrennt sind.
 
Für die Elektronen der inneren Schalen ist die Wechselwirkung mit benachbarten Atomen und damit die Niveauverbreiterung sehr gering. Sie sitzen in tiefen Potenzialmulden, fest an ihr Atom gebunden (lokalisierte Elektronenzustände), und ergeben in ihrer Gesamtheit nur sehr schmale Energiebänder. Die äußeren Valenzelektronen können die Potenzialberge zwischen den einzelnen Atomen leicht überwinden. Sie sind im gesamten Kristall quasi frei beweglich und lassen sich nicht mehr einem einzelnen Atom zuordnen. Ihre Energieniveaus bilden Energiebänder mit einer typischen Breite von etwa 1 eV. Der endliche elektrische Widerstand eines Realkristalls wird durch die Störung ihrer Bewegung durch Fremdatome oder Fehlstellen im Kristallgitter sowie durch die thermischen Gitterschwingungen verursacht. - Die Wechselwirkung eines Valenzelektrons mit den Atomrümpfen wird durch ein die Gitterperiodizität des Idealkristalls aufweisendes periodisches Potenzial beschrieben, das durch die übrigen Elektronen teilweise abgeschirmt wird. Die zum Bändermodell führende Einteilchenmodell-Näherung (Einelektronennäherung) besteht darin, die Wechselwirkung der Elektronen untereinander durch ein mittleres, ebenfalls gitterperiodisches Potenzial zu ersetzen (etwa nach der Hartree-Fock-Methode) und die restliche Wechselwirkung zu vernachlässigen. Die Valenzelektronen bewegen sich dann unabhängig voneinander in einem sich aus diesen beiden Potenzialen zusammensetzenden gitterperiodischen Potenzial V (r ). Sie werden in Abhängigkeit vom Ortsvektor r durch quantenmechanische Wellenfunktionen ψ = ψnk (r ) beschrieben, die Eigenfunktionen der in dieser Näherung gültigen Schrödinger-Gleichung sind, die Form von Bloch-Funktionen haben und wie auch die dazugehörigen Energieeigenwerte En (k ) durch eine Bandnummer oder Zonennummer n und einen reduzierten Wellenvektor k gekennzeichnet werden (Bandstruktur).
 
Bei sehr tiefen Temperaturen besetzen die Elektronen die verfügbaren Energiezustände (Einelektronzustände) unter Beachtung des Pauli-Prinzips bis zum Fermi-Niveau (Elektronengastheorie) jeweils doppelt. Bei höheren Temperaturen stellt sich eine Fermi-Dirac-Verteilung ein. Das oberste, bei T = 0 K vollbesetzte Band heißt Valenzband, das niedrigste leere oder nur teilweise besetzte Leitungsband. Der energetische Abstand Eg zwischen dem obersten Valenzbandniveau und dem untersten Leitungsbandniveau, die Breite der Bandlücke oder verbotenen Zone (englisch gap) wird als Bandabstand oder Gap-Energie bezeichnet. In elektrischen Feldern können Elektronen in vollbesetzten Bändern nicht beschleunigt werden, d. h. zusätzliche Energie aufnehmen, da es für sie keine unbesetzten Zustände mit wenig höherer Energie gibt. Diese Elektronen tragen daher nicht zur elektrischen Leitfähigkeit bei. In Isolatoren ist die Bandlücke zwischen vollbesetzten und leeren Bändern so groß (im Allgemeinen einige eV), dass Elektronen sie normalerweise nicht überspringen können. Halbleiter haben einen Bandabstand von etwa 1 eV. Bei Energiezufuhr (Temperaturerhöhung, Infrarot- und Lichteinstrahlung) können Elektronen ins Leitungsband angeregt werden, die dann zusammen mit den Defektelektronen, den freigewordenen Zuständen (Löchern) im Valenzband, die Träger des elektrischen Stroms bilden (Bereich der Eigenleitung). In einwertigen Metallen ist das obere besetzte Band nur bis zur Hälfte aufgefüllt, da die einzelnen Zustände immer doppelt besetzt werden. Bei zweiwertigen Metallen treten Überlappungen von Energiebändern auf. Das bei Halbleitern und Isolatoren in der verbotenen Zone befindliches Fermi-Niveau liegt bei Metallen innerhalb eines Bandes oder im Überlappungsbereich mehrerer Bänder. Dadurch können in einem nur aus metallischen Leitern bestehenden Stromkreis bei Anlegen eines elektrischen Feldes Elektronen bereits bei beliebig kleinen elektrischen Feldstärken in energetisch höher liegende Zustände übergehen und damit zum elektrischen Strom beitragen.
 
In Realkristallen treten im Gegensatz zu perfekten Kristallen erlaubte Zustände in der Bandlücke auf; sie sind Elektronen an Störstellen zuzuordnen, die sich nicht über den ganzen Kristall ausbreiten, sondern nur zu den unmittelbaren Nachbaratomen tunneln können. Besetzte Zustände, die nahe am Leitungsband liegen, können sehr leicht Elektronen ins Leitungsband abgeben (Donator). Unbesetzte Zustände knapp oberhalb der Valenzbandkante können leicht Elektronen aus dem Valenzband aufnehmen (Akzeptor). Durch Dotierung mit Fremdatomen kann man im ersten Fall elektronische Störstellenleitung (n-Leitung), im zweiten Fall Löcherleitung (Defektelektronen- oder p-Leitung) erzeugen. Die Anregung kann auch optisch durch Lichtquantenabsorption erfolgen; man spricht dann von Photoleitung.
 
Wegen der fehlenden kristallinen Fernordnung ist bei amorphen Halbleitern die Dichte von örtlich lokalisierten Elektronenzuständen in der Bandlücke so groß, dass das Bändermodell nur bedingt anwendbar ist.
 
Literatur:
 
W. Heywang u. H. W. Pötzl: Bänderstruktur u. Stromtransport (1976);
 R. Herrmann u. K. Preppernau: Elektronen im Kristall (1979);
 K. H. Hellwege: Einf. in die Festkörperphysik (21981).

Universal-Lexikon. 2012.