Grẹnz|schicht 〈f. 20; Strömungslehre〉 dünne Schicht des strömenden Mediums in Wandnähe des umströmten Objektes; →a. Grenzfläche
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Grenzschicht,
Schicht zwischen zwei Bereichen eines Körpers (Mediums u. a.) mit unterschiedlichen stofflichen Eigenschaften. Im atomaren beziehungsweise molekularen Bereich an der Grenzfläche zweier Phasen unterliegen die Atome beziehungsweise Moleküle einer anderen Kraftwirkung als im Innern der beiden Phasen, sodass ein schmaler Bereich mit Eigenschaften (besonderer Struktur, chemischer Zusammensetzung u. a.) entstehen kann, die von denen der beiden Phasen abweichen.
In der Strömungslehre versteht man unter der Grenzschicht (Wandschicht, Reibungsschicht) den Bereich von der ungestörten Strömung im Inneren der Flüssigkeit oder des Gases bis zu der Haftschicht am Rand des umströmten Körpers. In diesem Bereich steigt die Strömungsgeschwindigkeit von null (unmittelbar am Rand) auf den Wert der ungestörten Strömung. Die Dicke der Grenzschicht ist dabei der Viskosität des strömenden Mediums direkt proportional, d. h., je zäher das Medium, desto dicker die Grenzschicht.
Die als Potenzialströmung (also reibungsfrei) auffassbare Außenströmung und die im Mittel langsamere Grenzschichtströmung beeinflussen sich gegenseitig, was in besonderen Fällen zur Grenzschichtablösung führen kann. Entweder bildet sich eine laminare Grenzschicht aus, in der alle Stromlinien parallel zueinander und zur Wandkontur verlaufen, oder eine breitere turbulente Grenzschicht, in der sich der Längsbewegung der einzelnen Strömungsteilchen ungeordnete Querbewegungen überlagern, wodurch in ihr eine Verwirbelung stattfindet (in unmittelbarer Wandnähe besitzt sie aber stets eine laminare Unterschicht). Bei der Umströmung eines Körpers entsteht an seiner Oberfläche stromabwärts zunächst eine laminare Grenzschicht, die durch Störungen (z. B. Wandrauigkeiten) oder unter bestimmten Strömungsbedingungen (Erreichen der kritischen Reynolds-Zahl im Umschlagspunkt) in eine turbulente Grenzschicht übergeht. - Turbulente Grenzschichten wirken sich besonders in der Flugtechnik negativ aus, da in ihnen der (v. a. von der Rauigkeit der umströmten Oberfläche abhängige) Reibungswiderstand beträchtlich höher als in laminaren Grenzschichten ist.
Bei Raumfähren ist eine Temperaturgrenzschicht zu beachten. Bei Hyperschallgeschwindigkeiten mit einer Mach-Zahl > 6 entsteht infolge der hohen Reibungstemperaturen eine elektrisch leitfähige Grenzschicht durch Dissoziation und Rekombination von Luftmolekülen. Deshalb ist beim Wiedereintritt von Raumflugkörpern in die Atmosphäre keine Funkverbindung möglich.
Als atmosphärische oder planetarische Grenzschicht bezeichnet man den untersten Bereich der Troposphäre, der in seinen Strömungsverhältnissen stark von der Reibung an der Erdoberfläche beeinflusst wird. Ihre große Bedeutung liegt darin, dass in ihr der gesamte vertikale, turbulente Austausch von Energie und Wasserdampf zwischen Erdoberfläche und Atmosphäre vor sich geht. Man unterteilt sie, abgesehen von der nur etwa 1 mm dicken laminaren Unterschicht, in die Prandtl-Schicht und die darüber liegende Ekman-Schicht (im Mittel bis 100 beziehungsweise 1 000 m Höhe).
Eine wichtige Rolle spielen Grenzschichten auch für den Wärme- und Stoffaustausch zwischen einem strömenden Medium und einer festen Wand (z. B. in der Verfahrenstechnik) und v. a. auch in der Halbleitertechnik an p-n-Übergängen.
Universal-Lexikon. 2012.