Akademik

indianische Musik.
indianische Musik.
 
Im Gegensatz zur Musik anderer Kontinente wird die indianische Musik - soweit noch unberührt von europäischen und afrikanischen Einflüssen - von der einstimmigen Vokalmusik geprägt. In Nordamerika fallen die musikalischen Eigentümlichkeiten der einzelnen Gebiete nicht immer mit den durch andere Kulturelemente gegebenen Einteilungen zusammen. Besonders zur Unterscheidung geeignet sind Vortragsstil (gepresst, gestoßen, von Akzenten durchsetzt, vibrierend usw.), Umfang und Dichte der Skala und Aufbau der Gesänge (von Rezitationsformen bis zu durchkomponierten Gebilden mit strophischem Text). Gemeinsam ist die Tendenz zu (teilweise terrassenförmig) absteigender Melodik, der Vorrang der Kontur über feste Intervallfolgen und die seltene instrumentale Ergänzung, u. a. durch Rahmentrommeln, Flöten, Rasseln, Schraper. Fast immer ist die Musik kultgebunden. Gegen den Norden zu nimmt die poetische Substanz der Texte ab, die kürzer als die Melodiezeile sein können oder auch ganz fehlen (Silbensingen ohne sprachlichem Sinn).
 
Bei den mittel- und südamerikanischen schriftlosen Indianerkulturen ist das Alte fast vollständig in Mischformen mit iberischer und negroider Musik aufgegangen. Ursprüngliches hielt sich in den großen Regenwäldern, vereinzelt in den Anden und auf Feuerland. Die Fünftonleiter überwiegt, im Amazonasgebiet gibt es daneben engschrittige Melodik, bei der mit Halbtonabstand ein Hauptton umspielt wird. Zuweilen begegnet homophone Mehrstimmigkeit mit Quart- und Quintparallelen, selten echte Zweistimmigkeit. Begleitende und autonome Instrumentalmusik spielt hier eine etwas wichtigere Rolle: Neben den erwähnten Instrumenten kommen Musikbogen, Zungenschlitztrommel, Muschelhorn, verschiedene Gefäßflöten und -pfeifen und insbesondere die Panflöte (vom handtellergroßen bis zum klafterlangen Exemplar) häufiger vor; bei den Aimara wird die Panflöte im Orchesterverband gespielt.
 
Die Musik der Hochkulturen ist vollständig zerstört und nur durch archäologische, literarische und bildliche Denkmäler fassbar. Man weiß von eigentlichen Musikakademien und kennt u. a. die Berufsbezeichnung für »Sänger«, »Choreograph«, »Flötist«, »Trommler«. Neben den Priestern, die das heilige Melodierepertoire überlieferten und lehrten, gab es Dichterkomponisten, die im Auftrag von Herrschern für religiöse Feste Werke schufen und musikalisch und choreographisch einstudierten. Diese waren ihr geistiger Besitz, konnten aber an den König übergehen. Wie eng die Verbindung von Poesie und Gesang war, wird dadurch deutlich, dass es für beide nur einen Begriff, Cuicatl (»blumenreiches Wort«), gab. Entsprechend dem zeremoniellen Aufwand konnte die Ausstattung mit Sängern und Instrumentalisten reich sein.
 
Literatur:
 
K. G. Izikowitz: Musical and other sound instruments of the South American Indians (Göteborg 1935, Nachdr. East Ardsley 1970);
 B. Nettl: North American Indian musical styles (Philadelphia, Pa., 1954);
 Musikgesch. in Bildern, Bd. 1, Tl. 2: P. Collaer: Amerika. Eskimo u. indian. Bev. (Leipzig 1966).

Universal-Lexikon. 2012.