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Vergleichsverfahren
Ver|gleichs|ver|fah|ren 〈n. 14gerichtliches Verfahren zur Abwendung des Konkurses

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Ver|gleichs|ver|fah|ren, das (Rechtsspr.):
gerichtliches Verfahren zur Abwendung eines drohenden ↑ Konkurses (3) durch einen Vergleich (3).

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Vergleichsverfahren,
 
Abwendung des Konkurses; für das frühere Bundesgebiet in der Vergleichsordnung (VglO) vom 26. 2. 1935 geregelt, die zum 1. 1. 1999 durch das Einführungsgesetz zur Insolvenzordnung aufgehoben worden ist. Die Insolvenzordnung beseitigte das V. als Alternative zum Konkurs und führte ein für ganz Deutschland einheitliches Insolvenzverfahren ein. Für Vergleiche, die bis zum 31. 12. 1998 beantragt worden sind, gilt jedoch für das frühere Bundesgebiet und für die neuen Länder noch das bisherige Recht. Ziel des V. nach der VglO ist der Abschluss eines Vergleichs, in dem die Gläubiger dem Schuldner ihre Forderungen stunden (Stundungsvergleich) oder teilweise erlassen (Erlassvergleich) oder der Schuldner sein Vermögen einem Treuhänder überlässt zur Verwertung zugunsten der Gläubiger, meist gegen Erlass der durch die Verwertung nicht gedeckten Forderungen (Treuhandliquidationsvergleich). Das Vergleichsverfahren beginnt mit der Eröffnung durch das Vergleichsgericht, das ist das im Falle der Konkurseröffnung zuständige Amtsgericht, auf Antrag des Schuldners. Seinem Antrag muss der Schuldner einen Vergleichsvorschlag beifügen und angeben, ob und wie der Vergleich sichergestellt werden soll. Den Vergleichsverfahrensgläubigern müssen mindestens 35 % ihrer Forderungen gewährt werden. Vergleichsgläubiger sind alle im Konkurs nicht bevorrechtigten Gläubiger; sie müssen gleich behandelt werden. Der Schuldner muss mit dem Antrag ferner ein Verzeichnis seiner Gläubiger und Schuldner vorlegen und seine Vermögensverhältnisse offenbaren. Nach Eröffnung des Konkursverfahrens kann der Antrag nicht mehr gestellt werden. Andererseits bleibt die Entscheidung über einen Konkursantrag für die Dauer des Vergleichsverfahrens ausgesetzt. Das Vergleichsgericht hat die erforderlichen Ermittlungen anzustellen und über den Eröffnungsantrag zu entscheiden. Bei der Eröffnung des Vergleichsverfahrens ist ein Vergleichsverwalter zu ernennen, dem ein Gläubigerbeirat beigeordnet werden kann, und ein Vergleichstermin zu bestimmen, in dem der Schuldner persönlich erscheinen muss. Der Vergleichsverwalter hat die wirtschaftliche Lage des Schuldners zu prüfen und die Geschäftsführung zu überwachen. Der Schuldner wird durch das Vergleichsverfahren zwar nicht in seiner Verfügungsfreiheit beschränkt, jedoch kann ihm das Gericht jederzeit Verfügungsbeschränkungen auferlegen. Verbindlichkeiten, die nicht zum gewöhnlichen Geschäftsbetrieb gehören, soll der Schuldner nur mit Zustimmung des Verwalters eingehen; er ist zu bescheidener Lebensführung verpflichtet. Zur Annahme des Vergleichsvorschlags ist die Mehrheit der abstimmenden Gläubiger, die mindestens drei Viertel der Forderungsmasse repräsentieren, erforderlich. Die überstimmten Gläubiger sind an den Vergleich gebunden. Der mehrheitlich angenommene Vergleich bedarf der Bestätigung durch das Gericht. Aus dem bestätigten Vergleich findet die Zwangsvollstreckung statt (Vollstreckungstitel). Wird der Vergleich bestätigt, hebt das Gericht das Vergleichsverfahren auf, wenn es die Gläubiger beantragen oder wenn der Schuldner sich der Überwachung durch einen Sachwalter unterworfen hat. Wird der Vergleich verworfen, so ist zugleich über die Eröffnung des Konkursverfahrens (Anschlusskonkurs) zu entscheiden. Der bestätigte Vergleich wird bei Verurteilung des Schuldners wegen Bankrottdelikten unwirksam.
 
Bis zum In-Kraft-Treten der Insolvenzordnung (1. 1. 1999) galten in den neuen Ländern und in Berlin (Ost) anstelle der VglO und der KO die Gesamtvollstreckungsordnung der DDR (GesO) vom 6. 6. 1990 in der Fassung vom 23. 5. 1991 und das Gesamtvollstreckungs-Unterbrechungsgesetz (GUG) vom 25. 7. 1990 in der Fassung vom 23. 5. 1991 fort. Nach der GesO ist das Vergleichsverfahren in das einheitliche Verfahren der Gesamtvollstreckung integriert. Nachdem dieses gerichtlich eröffnet, ein Verwalter bestellt und ein Vermögensverzeichnis aufgestellt worden ist sowie ein allgemeiner Prüfungstermin stattgefunden hat, kann der Schuldner einen Vergleich beantragen. Er hat einen Vergleichsvorschlag zu unterbreiten, wobei die vorab zu befriedigenden und die bevorrechtigten Gläubiger voll befriedigt werden müssen. Im Vergleichstermin stimmen folglich nur die nicht bevorrechtigten Gläubiger über die Annahme des Vergleichsvorschlags ab. Für die Annahme sind die einfache Stimmenmehrheit der anwesenden Gläubiger und die Dreiviertelmehrheit der Forderungen erforderlich. Nach Bestätigung durch das Gericht ist der Vergleich für alle Gläubiger verbindlich; aus ihm findet die Zwangsvollstreckung statt. Wird der Vergleichsvorschlag verworfen, nimmt die Gesamtvollstreckung ihren Fortgang.
 
In Österreich wird das Vergleichsverfahren als Ausgleichsverfahren bezeichnet. Es wird in der Ausgleichsordnung (AO) geregelt; auf Antrag des Schuldners wird bei Vorliegen der Voraussetzungen der Konkurseröffnung das Verfahren eingeleitet (§ 1 AO). Nach der Erledigung des Antrags (§ 3 AO) erfolgt die öffentliche Bekanntmachung mittels Edikt (§ 4 AO). Der Beginn des Ausgleichsverfahrens ist im Grundbuch einzutragen (§ 6 AO). Nach der Eröffnung des Ausgleichsverfahrens ist der Schuldner nicht mehr verfügungsbefugt.
 
In der Schweiz wird das Vergleichsverfahren Nachlassverfahren genannt (Art. 293 ff. BG über Schuldbetreibung und Konkurs, SchKG, in der am 1. 1. 1997 in Kraft getretenen Neufassung). Es ist als Sanierungsverfahren für Unternehmen gestaltet und kann auf Antrag des Schuldners, eines zur Stellung eines Konkursbegehrens befugten Gläubigers oder durch das Konkursgericht von Amts wegen eingeleitet werden (Art. 293 SchKG). Der Schuldner hat mit dem Gesuch um Nachlassstundung den Entwurf eines Nachlassvertrags einzureichen. Tritt der Nachlassrichter auf das Gesuch ein, gliedert sich das weitere Verfahren in folgende Schritte: gegebenenfalls Anordnung provisorischer Maßnahmen zur Erhaltung des schuldnerischen Vermögens; Gewährung der Nachlassstundung (Dauer 4-6 Monate, Verlängerungsmöglichkeit auf höchstens 24 Monate) mit Ernennung eines Sachwalters; Inventaraufnahme; Schuldenruf; Ausarbeitung eines Entwurfs des Nachlassvertrags; Gläubigerversammlung; Bestätigung des Nachlassvertrags durch die zuständige Behörde. Der Nachlassvertrag ist angenommen, wenn ihm bis zum Bestätigungsentscheid die Mehrheit der Gläubiger, die zugleich mindestens zwei Drittel des Gesamtbetrags der Forderungen vertreten, oder ein Viertel der Gläubiger, die aber mindestens drei Viertel des Gesamtbetrags der Forderungen vertreten, zugestimmt hat (Art. 305 SchKG). Die zuständige Behörde kann die Bestätigung nur unter bestimmten objektiven Voraussetzungen verweigern (Art. 306 SchKG).

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Ver|gleichs|ver|fah|ren, das (Rechtsspr.): gerichtliches Verfahren zur Abwendung eines drohenden Konkurses (1) durch einen ↑Vergleich (3): Außerdem wurde die Quote von 35 Prozent der Forderungen, die in einem V. mindestens zu begleichen waren, ersatzlos gestrichen (SZ 29. 12. 98, 18).

Universal-Lexikon. 2012.