Amiens
[a'mjɛ̃], Stadt in Nordfrankreich, Verwaltungssitz der Region Picardie und des Départements Somme, 131 800 Einwohner. Die größte Bedeutung von Amiens liegt in seiner Funktion als Verwaltungs- und Handelsstadt;
katholischer Bischofssitz, Universität (seit 1964);
seit alter Zeit Leinen-, Woll-, Baumwoll- und Juteindustrie sowie Seidenspinnerei; in neuerer Zeit sind besonders Apparatebau, chemische, Reifen-, Schuh- und Nahrungsmittelindustrie sowie Eisenverarbeitung und Goldplattierung hinzugekommen.
Verkehr:
Amiens ist seit der Römerzeit wichtig als Brückenstadt, Kreuzungspunkt der Straßen von Paris und Reims zu den Häfen am Ärmelkanal sowie der Straßen von Rouen nach Flandern; heute auch wichtigster Bahnknotenpunkt Nordfrankreichs.
Die Kathedrale Notre-Dame (UNESCO-Weltkulturerbe) ist eine der formvollendetsten und größten gotischen Kirchen Frankreichs (nach dem Brand von 1218 seit 1220 umgebaut als dreischiffige Basilika mit fünfschiffigem Kapellenumgangschor); sie zählt mit über 3 600 Skulpturen (besonders an der Westfassade, um 1236 vollendet; bedeutend v. a. die »Vierge Dorée«, von Engeln umschwebte Goldene Madonna am Mittelpfeiler des Querhaus-Südportals) zu den figurenreichsten Bauwerken Frankreichs. Die Kirche Saint Germain stammt aus dem 15. Jahrhundert, das Hôtel de Ville aus dem 17. Jahrhundert; das Musée de Picardie (u. a. niederländische Malerei 17.-19. Jahrhundert, französische Malerei 18. Jahrhundert, Plastik 19. Jahrhundert) gehört zu den zehn größten Provinzmuseen Frankreichs. - Am nördlichen Stadtrand liegen die seit der Römerzeit bekannten »Hortillonnages«, auch als »schwimmende Gärten« bezeichnet, ein von Kanälen durchzogenes 300 ha großes Gartenland.
Amiens, in gallorömischer Zeit Samarobriva oder Ambianum genannt, war der Hauptort der gallischen Ambianer, die sich nach jahrelangen Kämpfen Caesar ergaben. Die Stadt beherrschte die römischen Durchgangsstraßen nach Norden und hatte große wirtschaftliche Bedeutung. Das Bistum Amiens ist seit 511 nachweisbar, seine genauen Grenzen wurden erst 1308 festgelegt. Im 6. Jahrhundert wurde Amiens fränkisch, im 9. Jahrhundert erlebte es mehrere Normanneneinfälle. Seit etwa 850 war Amiens Hauptort einer Grafschaft, des Amiénois, das im 10. und 11. Jahrhundert Teil eines auch Valois und Vexin umfassenden Prinzipats war; dieses suchte sich zwischen Normandie und Flandern sowie der Krondomäne zu behaupten. 1117 erlangte Amiens Stadtrechte, die Grafschaft kam an die im Vermandois regierende Nebenlinie des Königshauses und wurde 1185 von Philipp II. August für die Krondomäne gewonnen. 1435 kam Amiens an Burgund, wurde aber 1471 von den Franzosen zurückerobert. Der Reformation im 16. Jahrhundert folgte eine planmäßige Rekatholisierung.
Der Friede von Amiens (27. 3. 1802) beschloss den 2. Koalitionskrieg gegen Frankreich (Französische Revolutionskriege).
P. Deyon: A., capitale provinciale (Paris 1967).
Universal-Lexikon. 2012.