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Burgund
Bur|gụnd; -s:
französische Landschaft u. früheres Herzogtum.

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Burgụnd,
 
französisch Bourgogne [bur'gɔɲ], historische Provinz Frankreichs, benannt nach dem Volk der Burgunder; bildet etwa die heutige Region Burgund, die die Départements Côte d'Or, Nièvre, Saône-et-Loire und Yonne umfasst; 31 582 km2, 1,61 Mio. Einwohner; Hauptstadt ist Dijon. Burgund hat Anteil an den drei Großlandschaften Pariser Becken, Rhône-Saône-Furche und Zentralmassiv. Kerngebiet ist die Saônesenke. Im Norden umfasst Burgund die zwischen Saône und Loire liegenden Jurakalkplateaus des südöstlichen Pariser Beckens mit dem Nivernais und dem Plateau von Langres, außerdem das Massiv von Morvan (Ausläufer des Zentralmassivs) und die Côte d'Or; weiter im Süden schließen sich das Saônetal und die Hügellandschaften des Autunois, des Charolais, des Mâconnais und des Beaujolais an. Getreidebau und Viehwirtschaft bestimmen weitgehend das Landschaftsbild, zum Teil auch der Weinbau.
 
 Geschichte
 
Das Gebiet des späteren Burgund, auf dem zur Zeit Caesars die keltischen Stämme der Äduer, Mandubier, Lingonen und Sequaner lebten, gehörte seit 27 v. Chr. zur römischen Provinz (Gallia) Lugdunensis, seit 297 zu den Provinzen Lugdunensis I (Zentrum Lyon) und Sequania (Besançon).
 
Königreich der Burgunder: 443 wurden die ostgermanischen Burgunder, nach denen später der auf unterschiedlich politischem Gebilde bezogene Landesname »Burgund« entstand, von dem weströmischen Feldherrn Aetius in der Landschaft Sapaudia (Savoyen) angesiedelt. Sie gründeten im Rhônegebiet ein Reich, in dem germanischen und gallorömischen Bevölkerungsteile nebeneinander lebten; Königssitz war seit 461 Lyon. König Gundobad ließ um 500 das burgundische Recht aufzeichnen (»Lex Burgundionum«). 532 wurden die Burgunder bei Autun von den Franken besiegt und ihr Gebiet 534 dem Fränkischen Reich eingegliedert.
 
Das fränkische Teilreich Burgụndia, das seit 534 zusammen mit Austrasien und Neustrien den Kern des Fränkischen Reiches bildete, ist klar vom untergegangenen Königreich der Burgunder zu trennen. Seine Hauptstadt war Orléans, später Chalon-sur-Saône. Durch die Reichsteilung von Verdun 843 wurde dieses Teilreich in eine östliche und eine westliche Hälfte zerschnitten. Nur die Letztere führte auch weiterhin die Bezeichnung »Regnum Burgundiae« oder einfach »Burgundia« (französisch »Bourgogne«) und galt als eines der Teilreiche (lateinisch regna), aus denen das Westfränkische Reich bestand. In diesem Gebiet brachte Graf Richard von Autun die herzogliche Gewalt an sich und wurde damit zum Begründer des Herzogtums Burgund. Aus dem östlichen Teil entwickelte sich das Königreich Burgund (Arelat).
 
Königreich Burgund (Arelat): Im östlichen Teil des fränkischen Teilreiches Burgund entstanden zunächst zwei neue staatliche Gewalten; die erste 855, als nach dem Tod Kaiser Lothars I. dessen jüngster Sohn, Karl, bei der Teilung des lotharingischen Mittelreiches die Provence und den benachbarten Dukat Vienne/Lyon erhielt. Dieses »Regnum Provinciae« lebte auch nach Karls Tod 863 fort und wurde 879 bei der Königswahl des nichtkarolingischen Grafen Boso von Vienne erneuert (»Königreich Provence« oder »Niederburgund«). Bosos Versuch, das ganze einstige fränkische Teilreich Burgund an sich zu bringen, scheiterte.
 
Das zweite Machtzentrum entstand im Juragebiet, als sich der dortige Markgraf, ein Welfe, 888 als Rudolf I. zum König erheben ließ. Dieses »Regnum Jurense« (»Königreich Hochburgund«) im Jura- und Alpengebiet breitete sich im 10. Jahrhundert mit Zustimmung der Ottonen nach Süden aus und erwarb dabei das Königreich Provence (»Niederburgund«), das durch den Weggang des mächtigen Markgrafen Hugo von Arles (926 als König nach Italien) und den Tod Ludwigs des Blinden, des Sohnes Bosos (928), herrenlos war. Für den so entstandenen Gesamtstaat setzte sich Ende des 12. Jahrhunderts die Bezeichnung »Regnum Arelatense« (Arelat) nach der Hauptstadt Arles durch. Der kinderlose Welfe Rudolf III. sagte seinem Neffen, Kaiser Heinrich II., die Nachfolge zu. Als Heinrich vor dem Onkel starb, übernahm sein Nachfolger Konrad II. seine Ansprüche namens des Reiches und setzte sie nach Rudolfs Tod (1032) gegen mehrere Rivalen durch (1034). Das Königreich Burgund war von nun an, neben Deutschland und Italien, eines der drei Reiche des Imperiums. Gegenüber der Macht von Adel und Kirche war der Einfluss des Königs verhältnismäßig gering. Nur die Staufer unternahmen Versuche, ihre Herrschaft zu verstärken, als Friedrich I. Barbarossa durch seine Ehe mit Beatrix, der Erbin der Freigrafschaft Burgund, einen Teil des Landes erwarb. Nach dem Staufer ließ sich 1356 mit Karl IV. noch einmal ein deutscher Herrscher in Arles krönen. Der Hauptteil des Reiches (Provence, Dauphiné) kam im späteren Mittelalter an Frankreich, 1678 auch der nördliche Teil, die Franche-Comté und die Reichsstadt Besançon. Als Verbindungsland zwischen Frankreich, Lothringen und Deutschland einerseits, Italien andererseits, hat das Königreich Burgund im Mittelalter eine wichtige Rolle gespielt.
 
Herzogtum Burgund: Der östliche Teil des fränkischen Teilreiches Burgund, der 843 an Karl den Kahlen gefallen war, wurde noch bis ins 11. Jahrhundert als »Regnum Burgundiae« bezeichnet, blieb also Teilreich des Westfränkischen Reiches. Der Herzogstitel, den sich als Erster der Bruder Bosos von Niederburgund, Graf Richard von Autun (✝ 921), zulegte, bezog sich anfangs nur auf die herzogliche Funktion, nicht auf das Territorium, das erst im 11. Jahrhundert die Bezeichnung »Herzogtum Burgund« erhielt. Seine Bedeutung im Hochmittelalter lag v. a. in den von seinem Gebiet ausgehenden großen Reformbewegungen des Mönchtums (Cluny, Cîteaux) und der weit reichenden Wirkung der burgundischen Kunst des 11. und 12. Jahrhunderts. Auf die Dynastie Richards (dessen Sohn Rudolf 923-36 westfränkischer König war) und ihren Verwandten Giselbert folgte 956 als Herzog dessen Schwiegersohn Otto, ein Bruder des französischen Königs Hugo Capet. Burgund war nun, mit Unterbrechung, bis 1361 in der Hand zweier kapeting. Seitenlinien. Zwar ging in dieser Zeit der territoriale Umfang des Herzogtums zurück, doch wurden die verbliebenen und die neu dazugewonnenen Gebiete durch straffe Verwaltung zu einem Territorialstaat neuer Art geformt; Zentrum wurde Dijon. Damit war der Grund gelegt zum Aufstieg der Herzöge aus dem Haus Valois (dritte kapeting. Seitenlinie, das Haus Burgund), die Burgund zu europäischer Bedeutung erhoben. Erster Herzog aus dem Haus Valois-Burgund war Philipp der Kühne, der jüngste Sohn Johanns II. von Frankreich; er wurde 1363 zum Herzog von Burgund erhoben. Er und seine Nachfolger, Johann ohne Furcht (1404-19) und Philipp der Gute (1419-67), erwarben 1384 Flandern (Heirat Philipps des Kühnen mit der flandrischen Erbtochter Margarete), Artois, Rethel und die Franche-Comté, 1390 das Charolais, 1419 Boulogne, 1428 Namur, 1430 Brabant und Limburg, 1433 Hennegau, Holland, Seeland, 1435 Mâcon, Auxerre, einen Teil der Picardie und 1443 Luxemburg; so entstand ein mächtiges deutsch-französisches Zwischenreich, dessen südlicher Teil das alte Herzogtum Burgund (jetzt auch Altburgund genannt) und dessen nördlichen Teil die Niederlande waren. Die Lehnshoheit Frankreichs wie des Reiches kam kaum noch zum Tragen. Im Innern unterschied sich der feudal geprägte romanische Süden stark vom eher bürgerlich bestimmten germanischen Norden, der das wirtschaftliche Übergewicht besaß; Brüssel löste als Residenz bald Dijon ab. Wohlstand, geordnete Verwaltung und Selbstbewusstsein waren Grundlage einer höfisch-bürgerlichen Hochkultur, die weit über die Grenzen Burgunds hinaus ausstrahlte. Auf Philipp den Guten, der 1430 den Orden vom Goldenen Vlies stiftete, folgte 1467 sein Sohn Karl der Kühne. Er gewann durch Pfandschaft die habsburgischen Oberrheingebiete, durch Eroberung 1473 das Herzogtum Geldern. 1477 fiel er bei Nancy gegen Herzog René II. von Lothringen, dessen Land er zur Verbindung seiner nördlichen und südlichen Besitzungen erobert hatte (Burgunderkriege). Karl scheiterte mit seinem Versuch, einen mächtigen Staat an der Grenze und auf Kosten Frankreichs und des Reiches zu errichten, an der überlegenen Politik des französischen Königs, Ludwig XI. Nach Karls Tod heiratete Maximilian I. von Österreich dessen Erbtochter Maria. Der Kampf um die burgundische Erbschaft verursachte die tiefe Verfeindung Habsburgs mit der Krone Frankreichs. Maximilians und Marias Sohn Philipp der Schöne trat 1494 die selbstständige Regierung an; 1506 folgte ihm sein Sohn, der spätere Kaiser Karl V., für den bis 1515 sein Großvater Maximilian in Burgund die Regentschaft führte. Das Haus Habsburg behauptete das burgundische Erbe bis auf das Herzogtum Burgund (Altburgund), die Picardie und Boulogne, die 1482 an Frankreich gefallen waren. Dieses musste im Frieden von Madrid (1526) auf die Lehnshoheit über Flandern und Artois verzichten.
 
Freigrafschaft Burgund, Franche-Comté.
 
Literatur:
 
Allgemein:
 
F. N. Nagel: B.-Bourgogne. Struktur u. Interdependenzen einer frz. Wirtschaftsregion (1976);
 P. Claval: Atlas et géographie de la Haute-Bourgogne et de la Franche-Comté (Paris 1978);
 R. Brunet: Atlas et géographie de Champagne, pays de Meuse et Basse Bourgogne (Genf 1981);
 K. Bussmann: B. (61983).
 
Königreich der Burgunder:
 
H. Zeiss: Studien zu den Grabfunden aus dem Burgundenreich an der Rhone (1938);
 
M. Martin: Die Schweiz im Früh-MA. (Bern 1975).
 
Königreich Burgund (Arelat):
 
R. Grieser: Das Arelat in der europ. Politik von der Mitte des 10. Jh. bis zum Ausgang des 14. Jh. (1925);
 
Die Urkunden der burgund. Rudolfinger, hg. v. T. Schieffer u. Hans E. Mayer (1977; Monumenta Germaniae Historica);
 
Histoire de la Bourgogne, hg. v. J. Richard (Toulouse 1978);
 
L. Boehm: Gesch. B.s (21979);
 
B. Resmini: Das Arelat im Kräftefeld der frz., engl. u. angiovin. Politik nach 1250 u. das Einwirken Rudolfs von Habsburg (1980).
 
Herzogtum Burgund:
 
M. Chaume: Les origines du Duché de Bourgogne, 4 Bde. (Dijon 1925-37, Nachdr. Aalen 1977);
 
J. Richard: Les ducs de Bourgogne et la formation du Duché du XIe au XIVe siècle (Paris 1954);
 
Histoire de la Bourgogne, hg. v. J. Richard: (Toulouse 1978);
 
W. Paravicini: Guy de Brimeu. Der burgund. Staat u. seine adlige Führungsschicht unter Karl dem Kühnen (1975);
 
W. Paravicini: Karl der Kühne. Das Ende des Hauses B. (1976);
 
J. Calmette: Die großen Herzöge von B. (a. d. Frz., 41976);
 
W.-D. Hänssler: Die großen Herzöge B.s, Wegbereiter Europas (1981);
 
J. Huizinga: Herbst des MA. Studien über Lebens- u. Geistesformen des 14. u. 15. Jh. in Frankreich u. den Niederlanden (a. d. Niederländ., Neuausg. 1987).
 

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Bur|gụnd; -s, (auch:) das; -[s]: französische Landschaft u. früheres Herzogtum.

Universal-Lexikon. 2012.