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Boccaccio
Boccaccio
 
[bok'kattʃo], Giovanni, italienischer Dichter und Humanist, * wahrscheinlich Florenz (oder Certaldo ?) 1313, ✝ Certaldo (bei Florenz) 21. 12. 1375. Boccaccio war der uneheliche Sohn eines florentinischen Kaufmanns; die Familie stammte aus Certaldo. 1327 kam er nach Neapel, um Kaufmann zu werden, wandte sich jedoch bald dem Studium, erst des kanonischen Rechts, dann der alten Sprachen, zu. Unbewiesen ist sein Liebesverhältnis mit einer urkundlich nicht nachweisbaren unehelichen Tochter König Roberts von Neapel, Maria dei Conti d'Aquino. Andere Liebeserlebnisse, aber auch literarische Quellen (Ovid) spiegeln sich in dem psychologischen Versroman »Fiammetta« (1343, gedruckt 1472; deutsch). Boccaccio kehrte zwischen 1339 und 1341 nach Florenz zurück. Über das nächste Jahrzehnt weiß man kaum mehr, als dass er sich 1346 in Ravenna und 1348 in Forlì aufhielt; 1350 war F. Petrarca sein Gast in Florenz. Die Vaterstadt übertrug ihm Ämter und Gesandtschaften. Gemeinsam mit Petrarca bemühte er sich um die Wiederbelebung der lateinischen und auch der griechischen Studien; er veranlasste die erste vollständige Übersetzung Homers ins Lateinische durch den Halbgriechen Leontio Pilato. Dem Bewunderer Dantes, dem Verfasser der historisch umstrittenen »Vita di Dante« (entstanden 1360, gedruckt 1477; deutsch »Das Leben Dantes«) übertrug Florenz 1373 den ersten öffentlichen Lehrstuhl zur Erklärung der »Divina Commedia« (»Commento alla Divina Commedia«, 3 Bände, herausgegeben 1918), doch konnte Boccaccio seine Vorlesungen aus gesundheitlichen Gründen nur bis zum 17. Gesang der »Hölle« fortführen. Sein Hauptwerk »Il Decamerone« (entstanden 1348-53, gedruckt 1470; deutsch »Das Dekameron«), auf dem Boccaccios Weltruhm beruht und das entscheidenden Einfluss auf die Entwicklung der italienischen Kunstprosa ausgeübt hat, ist eine Sammlung von 100 Novellen, die Boccaccio an 10 Tagen von sieben Damen und drei Herren auf einem Landgut bei Florenz zur Zeit der großen Pest von 1348 erzählen lässt. Alte Fabel- und Märchenmotive und moderne Schwänke werden in einem am Lateinischen gebildeten, rhetorischen Stil dargeboten. Die Personen der Rahmenerzählung erörtern die Fragen der Liebesmoral, die das zusammenhaltende Problem der einzelnen Novellen ist. Das Ideal der hohen Minne hat dabei noch seinen Wert, aber die Darstellung der triebhaften Liebe bildet das beherrschende Moment des Ganzen. Anmut, die Gabe geistreicher Geselligkeit und scharfe Beobachtung sind verbunden mit den Impulsen einer weltfreudigen praktischen Moral. Das Werk wurde viel nachgeahmt und übersetzt, sein Einfluss ist in der gesamten Weltliteratur erkennbar.
 
Weitere Werke: in italienischer Sprache: Caccia di Diana (entstanden 1334/35; allegorisches Gedicht); Il Filocolo (entstanden 1336-40, gedruckt 1472; Roman); Teseida (entstanden 1336-40, gedruckt 1475; Verserzählung); Il Filostrato (entstanden um 1338, gedruckt 1480; deutsch Troilus und Kressida; Verserzählung); Ninfale d'Ameto oder: Commedia delle ninfe fiorentine (entstanden 1341/42, gedruckt 1478; deutsch Aus dem Ameto; Verserzählung); L'amorosa visione (entstanden 1342/43, gedruckt 1521; allegorisches Gedicht); Ninfale fiesolano (entstanden um 1345, gedruckt 1477; deutsch Die Nymphe von Fiesole; Dichtung); Corbaccio oder: Labirinto d'amore (entstanden 1354/55, gedruckt 1487; deutsch Das Labyrinth der Liebe; Satire).
 
In lateinischer Sprache: enzyklopädische Werke: De genealogiis deorum gentilium (entstanden 1347-60, gedruckt 1472); De casibus virorum illustrium (entstanden etwa 1355-60, gedruckt 1475); De montibus, silvis, fontibus (entstanden etwa 1360-62, gedruckt 1473); De claris mulieribus (entstanden um 1362, gedruckt 1439; deutsch Von etlichen Frowen).
 
Ausgaben: Decameron, Filocolo, Ameto, Fiammetta, herausgegeben von E. Bianchi u. a. (1952); Tutte le opere di G. Boccaccio, herausgegeben von V. Branca, auf zahlreiche Bände berechnet (1964 folgende); Opere in versi, Corbaccio, Trattatello in laude di Dante, Prose latine, Epistole, herausgegeben von P. G. Ricci (1965).
 
Gesammelte Werke, herausgegeben von M. Krell, 5 Bände (1924); Das Dekameron, übersetzt von K. Witte (201991).
 
Literatur:
 
C. Grabher: G. B. Leben u. Werk des Frühhumanisten (a. d. Ital., 1946);
 
B.s Decameron, hg. v. P. Brockmeier (1974);
 C. Marchi: B. (Mailand 1975);
 V. Branca: B. medievale e nuovi studi sul decameron (Florenz 71990);
 V. Branca: G. B. Profilo biografico (ebd. 21992);
 J. P. Consoli: G. B. An annotated bibliography (New York 1992).
 

Universal-Lexikon. 2012.