Bulgaren
[mitteltürkisches »Mischvolk«], südslawisches Volk (etwa 8,7 Mio.) in Bulgarien, als nationale Minderheit auch im Osten von Serbien. Das Turkvolk der Protobulgaren war um 675 in das Gebiet des heutigen Bulgarien vorgedrungen und hatte sich in dem 679 von Khan Asparuch gegründeten Ersten Bulgarischen Reich als Oberschicht mit den um 580 eingewanderten Slawen - der Bevölkerungsmehrheit - unter Slawisierung der Sprache vermischt. Die Annahme des Christentums 865 beschleunigte den Assimilierungsprozess, der auch thrakische und awarische Elemente umfasste und im 10. Jahrhundert zur Ausbildung der bulgarischen Nationalität führte. Die Bulgaren gehören in der Mehrzahl der bulgarisch-orthodoxen Kirche an, eine Minderheit sind Muslime (Pomaken).
Die bulgarische Volkskultur ist vorwiegend balkanslawisch geprägt; erst im 18., besonders aber im 19. Jahrhundert nach Ende der Osmanenherrschaft (1393/96 -1878) machten sich westeuropäische Einflüsse geltend, und nach 1945 führte das sozialistische System zu Übergangs- und Mischformen vieler Traditionen. In der Architektur waren die nordbulgarischen Erdhütten charakteristisch, sonst auch Fachwerkbauweise mit seitlichen Laubengängen. Die Volkstrachten mit geschnürten Opanken (Schuhe) und den dicken Wollstrümpfen, die Pelzmützen der Männer und die weißen, an Kragen und Ärmeln bestickten Blusen der Frauen, oft ergänzt durch Schürze(n), Überrock und ein vorn zugeknöpftes Überkleid, werden heute nur noch bei festlichen oder folkloristischen Anlässen getragen. Im religiösen und Lebenslaufbrauchtum überlebten, besonders bei Geburts-, Hochzeits- und Begräbnisritualen, zum Teil noch archaische Überlieferungen aus verschiedenen Schichten: Viele mündlich überlieferte Gesänge (Koleda-Lieder) oder die typischen Ring- und Kettentänze sollen z. B. Ernte und Wohlergehen von Mensch und Tier beeinflussen; die weihnachtlichen Heischegänge der »Koledari« und die Pfingst-»Rusalien« bilden feste Bestandteile des Jahreslaufbrauchtums. Als Nationaltanz gilt der »Choro«, ein regional vielgestaltiger Gruppentanz. Die bulgarische Volksliteratur (Märchen, Sprichwörter, Rätsel) weist Parallelen zum Erzählgut der übrigen Balkanvölker auf.
C. Vakarelski: Bulgar. Volkskunde (a. d. Bulgar., 1969);
J. Matl: Die Kultur der Südslawen (Neuausg. 1973);
Zeitschriften: Bǎlgarska etnografija (Sofia 1975 ff.);
Bǎlgarski folklor (ebd. 1975 ff.).
Hier finden Sie in Überblicksartikeln weiterführende Informationen:
Bulgarenreich: Ein erstes slawisches Großreich
Universal-Lexikon. 2012.