Bul|ga|ri|en […i̯ən ]; -s:
Staat in Südosteuropa.
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Bulgari|en
Fläche: 110 971 km2
Einwohner: (1999) 8,19 Mio.
Hauptstadt: Sofia
Amtssprache: Bulgarisch
Nationalfeiertag: 3. 3.
Zeitzone: 1300 Sofia = 1200 MEZ
amtlich bulgarische Repụblika Balgạrija, deutsch Republik Bulgarien, Staat in Südosteuropa, im Nordosten der Balkanhalbinsel, zwischen 41º14' und 44º13' nördlicher Breite und 22º22' und 28º376' östlicher Länge Grenzt im Osten ans Schwarze Meer, im Südosten an den europäischen Teil der Türkei, im Süden an Griechenland, im Südwesten an die Republik Makedonien, im Westen und Nordwesten an Serbien sowie im Norden an Rumänien. Mit 110 971 km2 hat Bulgarien etwa ein Drittel der Gesamtfläche Deutschlands. Bulgarien erstreckt sich bis 520 km von Osten nach Westen und bis 320 km von Norden nach Süden; (1999) 8,19 Mio. Einwohner; Hauptstadt ist Sofia. Die Amtssprache ist Bulgarisch. Währung: 1 Lew (Lw) = 100 Stotinki (St). Uhrzeit: 1300 Sofia = 1200 MEZ.
Staat und Recht:
Nach der Verfassung vom 12. 7. 1991 ist Bulgarien eine Republik mit parlamentarischem Regierungssystem. Die Konstitution enthält einen Grundrechtskatalog; der Minderheitenschutz ist allerdings nicht hinreichend gewährleistet. Staatsoberhaupt und Oberbefehlshaber der Streitkräfte ist der Präsident, der auf fünf Jahre direkt gewählt wird (einmalige Wiederwahl möglich). Erzielt im 1. Wahlgang keiner der Kandidaten die absolute Mehrheit, erfolgt im 2. Wahlgang eine Stichwahl zwischen den beiden erfolgreichsten Bewerbern. In der Praxis hat sich die Stellung des Präsidenten als stärker erwiesen, als seine verfassungsrechtlich begrenzten Befugnisse vermuten lassen. Er kann Gesetze an das Parlament zurückverweisen (aufschiebendes Vetorecht) und das Parlament im Falle einer misslungenen Regierungsbildung auflösen. Der Präsident kann vom Verfassungsgericht wegen Hochverrats oder sonstiger Verfassungsverletzungen (die Anklage bedarf der 2/3-Mehrheit aller Abgeordneten) seines Amtes enthoben werden. Im Falle seiner vorzeitigen Amtsbeendigung tritt der Vizepräsident für den Rest der Amtszeit an seine Stelle.
Die Exekutive liegt beim Ministerrat unter Vorsitz des Ministerpräsidenten Der Regierungschef wird auf Vorschlag des Präsidenten vom Parlament gewählt. Die parlamentarische Verantwortung der Regierung kann durch Misstrauensvotum und Vertrauensfrage geltend gemacht werden. Die gesetzgebende Gewalt wird von der Volksversammlung (Narodno sabranije) ausgeübt, deren 240 Abgeordneten für vier Jahre nach Verhältniswahl (4 %-Sperrklausel) gewählt werden.
Ende 1991 hat das Verfassungsgericht seine Tätigkeit aufgenommen, dessen zwölf Richter (Amtszeit neun Jahre; Wiederwahl unzulässig) zu je einem Drittel vom Parlament und von der Vollversammlung der Richter des Obersten Kassationsgerichts und des Obersten Verwaltungsgerichts gewählt sowie vom Präsidenten ernannt werden.
Parteien:
Seit das verfassungsmäßig garantierte Führungsmonopol der Bulgarischen Kommunistischen Partei (BKP) 1990 aufgehoben wurde, hat sich in Bulgarien ein breit gefächertes Mehrparteiensystem herausgebildet. Einflussreichste Parteien, Bewegungen und Wahlbündnisse sind die Nationale Bewegung Simeon II. (NDST; gegründet 2001 vom ehemaligen Zaren Simeon II.), das konservativ-liberale Bündnis Vereinigte Demokratische Kräfte (ODS, gegründet 1997), zu dem u. a. die Union Demokratischer Kräfte (UDK, bulgarische Abkürzung SDS), die Bauernpartei (BZNS) und die Demokratische Partei (DP) gehören, das u. a. aus Bulgarischer Sozialistischer Partei (BSP, 1990 aus der Bulgarische Kommunistische Partei [BKP] hervorgegangen), Bulgarische Sozialdemokratische Partei (BSDP) und der Bewegung »Ekoglasnost« (EG) bestehende Linksbündnis »Koalition für Bulgarien« und die Bewegung für Rechte und Freiheiten (DPS; gegründet 1990; Partei der türkischen Minderheit).
Neben der 1990 durch Umbildung der bisherigen Einheitsgewerkschaft entstandenen Konföderation der Unabhängigen Gewerkschaften in Bulgarien (Dachverband von rd. 75 Einzelgewerkschaften) existieren die der UDK nahe stehende Podkrepa Unabhängige Arbeiterkonföderation und die Edinstwo Volksgewerkschaft.
Das Wappen vom 31. 7. 1997 zeigt einen goldenen Löwen im roten Schild, als Schildhalter fungieren ebenfalls zwei Löwen. Sie stehen auf zwei gekreuzten Eichenzweigen, denen der Wahlspruch »Sjedinieto prawi silata« (»In der Einheit ist die Kraft«) aufgelegt ist. Im Oberwappen ist die Krone Iwan Schischmans.
Nationalfeiertage:
Bulgarien ist seit 1. 1. 1999 in 28 Gebiete gegliedert (vorher neun Regionen), die sich in 262 Gemeinden mit 5 339 Siedlungen untergliedern.
Nach dem Gesetz über die Recht sprechende Gewalt von 1994 besteht grundsätzlich ein dreistufiger Instanzenzug, der aber für die einzelnen Gerichtszweige unterschiedlich ausgestaltet ist. In Zivil- und Strafsachen verteilen sich die drei Instanzen auf vier Ebenen: Kreis-, Bezirks-, Appellationsgerichte, Oberstes Kassationsgericht. In Militärstrafsachen führt der Instanzenzug von den Militärgerichten über die Militärappellationsgerichte zum Obersten Kassationsgericht. In Verwaltungsrechtssachen, in denen der gerichtliche Rechtsschutz im Prinzip auf einer Generalklausel beruht, sind in erster Instanz die Kreisgerichte und in zweiter Instanz die Bezirksgerichte zuständig, während als Kassationsinstanz das Oberste Verwaltungsgericht fungiert. An die Stelle des Obersten Gerichts sind also in Gestalt des Obersten Kassationsgerichts und des Obersten Verwaltungsgerichts zwei Gerichte getreten, was zu Rechtsprechungsdivergenzen führen kann, da ein Mechanismus zu deren Behebung nicht eingerichtet worden ist. Die Richter sind unabhängig. Die Richter, Staatsanwälte und Ermittlungsbeamten werden vom Obersten Justizrat auf Lebenszeit bestellt. Der Präsident des Obersten Kassationsgerichts, der Präsident des Obersten Verwaltungsgerichts, der Generalstaatsanwalt und der Direktor des Nationalen Ermittlungsdienstes werden auf Vorschlag des Obersten Justizrats vom Staatspräsidenten auf sieben Jahre ernannt und können nicht für eine zweite Amtsperiode wieder bestellt werden. Der Nationale Ermittlungsdienst, der in Strafsachen von besonderer Schwere oder mit Auslandsbezug die Voruntersuchung führt, ist als ein eigenständiger Teil der dritten Gewalt ausgestaltet.
Die Gesamtstärke der Wehrpflichtarmee (Dienstzeit 12 Monate) beträgt etwa 75 000, die der paramilitärischen Kräfte (Grenztruppen und Sicherheitspolizei) rd. 10 000 Mann. Das Heer (50 000 Soldaten) verfügt über vier motorisierte Schützendivisionen, vier Panzerbrigaden, sieben Artillerie- und vier Flugabwehrregimenter. Hinzu kommt ein Fallschirmjägerregiment, dessen Personal jedoch zur Luftwaffe gehört. Die Luftwaffe hat 20 000, die Marine 5 000 Mann. Die Ausrüstung - fast ausschließlich noch sowjetischer Herkunft - umfasst etwa 1 475 Kampfpanzer (T-72, T-54/-55), rd. 200 Kampfflugzeuge (MiG-21, -23, -29; Su-25, -22), zwei Fregatten, zwei Korvetten, zwei U-Boote, 20 Minensuchboote sowie 18 Kleine Kampfschiffe. - Bulgarien trat 1994 der »Partnerschaft für den Frieden« der NATO bei und ist seit 1994 assoziierter Partner der WEU.
Landesnatur und Bevölkerung:
Bulgarien besteht zu etwa 30 % aus Ebenen, zu 40 % aus Hügellandschaft und zu 30 % aus Hoch- und Mittelgebirgen. Das Land gliedert sich (von Norden nach Süden) in das Donautal, in das v. a. aus Kalksteinen aufgebaute, teilweise lössbedeckte Donautafelland (Bulgarische Platte; 100-400 m über dem Meeresspiegel), in die Hügelketten des Vorbalkans (durchschnittlich 370 m über dem Meeresspiegel) und in das Balkangebirge, dessen mittlerer Teil am höchsten ist (Botew 2 376 m über dem Meeresspiegel). Südlich davon folgen tektonische Beckenlandschaften (Becken von Sofia, von Karlowo und von Kasanlak), der Gebirgsstock der Witoscha (bis 2 290 m über dem Meeresspiegel) und die Sredna gora (der Antibalkan), ein zur Maritzaebene abfallendes Mittelgebirge (bis 1 604 m über dem Meeresspiegel). Die Maritzaebene ist das größte zusammenhängende Niederungsgebiet Bulgariens, an das sich im Osten die Istranca Dağlarɪ (Strandscha) anschließen (der Hauptteil dieses Gebirges liegt in der Türkei). Südlich der Maritza erheben sich mit steil aufragender Nordwand die Gebirge der Thrakischen Masse, die das südlichste und südwestliche Gebiet von Bulgarien einnehmen. Dazu gehören das ausgedehnte Rhodopegebirge (bis 2 191 m über dem Meeresspiegel), zwischen den Flüssen Mesta und Struma das Piringebirge (bis 2 915 m über dem Meeresspiegel) und das Rilagebirge mit der Mussala, dem höchsten Berg Bulgariens (2 925 m über dem Meeresspiegel); an der Grenze zu Serbien erheben sich die Ossogowska Planina (bis 2 251 m über dem Meeresspiegel).
Bulgarien wird durch kontinentales, mediterranes, Gebirgs- und Schwarzmeerklima geprägt, jedoch ist der größte Landesteil kontinental beeinflusst. Heiße trockene Sommer wechseln mit kalten oder kühl-regnerischen Wintern. Vor den sibirischen Kaltlufteinbrüchen, denen das gemäßigt kontinentale Nordbulgarien im Winter ausgesetzt ist, wird West- und Südwestbulgarien durch den Balkan geschützt. Die Jahresdurchschnittstemperatur schwankt zwischen 9,5 ºC und 13,5 ºC, ist aber je nach Exposition und Höhenlage recht unterschiedlich. Den mildernden Einfluss des mediterranen Klimas halten die hohen Gebirge Südbulgariens (Pirin-, Rila- und Rhodopegebirge) zurück. Begünstigt sind lediglich die Täler der ins Mittelmeer mündenden Flüsse Struma und Mesta. Das Küstenklima des Schwarzen Meeres ist im Norden mehr kontinental, im Süden stärker mediterran geprägt. Die höchsten Niederschlagsmengen (über 800 mm im Jahr) erhalten die Gebirgshöhen (über 1 000 m über dem Meeresspiegel). Im übrigen Bulgarien, mit Ausnahme des äußersten Nordosten und der westlichen Maritzaebene (unter 500 mm), liegen die Jahresniederschlagsmengen bei 550-650 mm; infolge der starken sommerlichen Verdunstung können ausreichende Ernteerträge nur mit zusätzlicher Bewässerung erzielt werden.
Die natürliche Vegetation besteht aus Laubwäldern (Hainbuche, Eiche, Ahorn, Linde) und Steppenpflanzen (im Nordosten); sie ist als Folge der Besiedlung und landwirtschaftlichen Nutzung weitgehend vernichtet. Heute sind noch 35 % des Landes bewaldet, besonders im Balkan und im Rhodopegebirge (Eiche, Buche, Pappel, Robinie, Linde, in höheren Lagen Weißtanne, Fichte, Kiefer und Lärche), die übrige Landesfläche besteht zu 38 % aus Ackerland und zu 18 % aus Wiesen und Weiden; etwa 9 % sind Öd- und Unland. In Bulgarien wurden bis(1998) 12 Nationalparks (351 600 ha), 90 Naturreservate (80 600 ha), 123 Naturschutzgebiete (23 500 ha) und 2 241 Naturdenkmäler (23 400 ha)ausgewiesen; 389 Pflanzen- und 473 Tierarten sind gesetzlich geschützt.
Nach der Volkszählung von 1992 sind von den Bewohnern 85,8 % Bulgaren, 9,7 % Türken (v. a. im östlichen Rhodopegebirge), 3,4 % Roma sowie 1,1 % Angehörige anderer Minderheiten, z. B. Russen, Armenier, Makedonier, Juden und Tataren. Der seit über einhundert Jahren anhaltende Bevölkerungszuwachs verlangsamte sich seit Mitte der Siebziger- und stagnierte seit Ende der Achtzigerjahre. In den 1990er-Jahren ging die Bevölkerungszahl zurück. Die Massenauswanderung von etwa 330 000 bulgarischer Türken (Bulgarotürken) sowie Bulgaren islamischen Glaubens (Pomaken) im Jahr 1989 wurde durch die nachfolgende Zuwanderung nur zu einem geringen Teil wieder ausgeglichen. Die Altersgliederung von 1999 wies 17 % der Bevölkerung unter 15 Jahre, 58 % von 15 bis unter 65 Jahre und 25 % 65 Jahre oder älter aus. Von den Erwerbstätigen waren 1999 29 % im Industriebereich, 27 % in der Agrar- und Forstwirtschaft und 44 % im Dienstleistungssektor beschäftigt. Die territoriale Bevölkerungsverteilung ist sehr unterschiedlich. Dichter besiedelt sind das Becken von Sofia (in Sofia selbst leben 14 % aller Einwohner), die westliche Maritzaebene und der Raum um Warna. Im Jahr 1999 lebten 69 % der Bewohner in Städten.
Die Verfassung garantiert die Religionsfreiheit und verpflichtet den Staat zu religiöser Neutralität und Parität; die Religionsgesetzgebung beschreibt jedoch in Art. 13 in Wiederaufnahme einer Formulierung des »Gesetzes über die Glaubensbekenntnisse« von 1950 die bulgarisch-orthodoxe Kirche als »das traditionelle Glaubensbekenntnis des bulgarischen Volkes«. Alle Religionsgemeinschaften unterliegen der Pflicht der staatlichen Registrierung durch die »Direktion für religiöse Angelegenheiten«. Nach heutigen Schätzungen kann man bei etwa 82 % der Bevölkerung von einer religiösen Bindung ausgehen. Danach gehören rd. 70 % aller Bulgaren der bulgarisch-orthodoxen Kirche an beziehungsweise fühlen sich ihr verbunden. Die katholische Kirche hat rd. 60 000 Mitglieder (zwei Bistümer: Nikopol mit Sitz in Russe; Sofia und Plowdiw mit Sitz in Plowdiw), die seit 1860 bestehende, 1948 de facto aufgelöste, seit 1964 wieder zugelassene, mit Rom unierte »Katholische Kirche des Byzantinischen Ritus« rd. 15 000 Mitglieder (Apostolischer Exarchat Sofia). Die rd. 10 000 armenischen Christen in Bulgarien unterstehen der kirchlichen Jurisdiktion des armenischen Bischofs von Bukarest. Die bis Ende der 1980er-Jahre sehr geringe Zahl protestantischer Christen (v. a. Baptisten und Methodisten) ist seit 1990 durch die Mission zumeist nordamerikanischer charismatisch-pfingstlerischer Kirchen und Gruppen auf weit über 70 000 (Eigenangaben) angewachsen. Rd. 10 % der Bevölkerung sind sunnitische Muslime, ganz überwiegend der hanefitischen Rechtsschule. Neben den Muslimen türkischer Abstammung (Bulgarotürken) gehört die Bevölkerungsgruppe der Pomaken zur islamischen Religionsgemeinschaft. Es werden rd. 1 300 Moscheen unterhalten, an denen über 700 Imame tätig sind. Die jüdische Gemeinschaft hat rd. 4 000 Mitglieder (v. a. in Sofia).
Dem Beginn der Demokratisierung (nach dem Sturz T. Schiwkows 1989) folgte eine allmähliche Umstrukturierung des Bildungswesens, die im Schulbereich noch nicht abgeschlossen ist. Vom 6.-16. Lebensjahr besteht Schulpflicht, der Schulbesuch ist kostenlos. Die Analphabetenquote beträgt 1,8 %. Im Land gibt es 42 Hochschulen, darunter die Universität in Sofia (gegründet 1888), Weliko Tarnowo (gegründet 1971) und Plowdiw (gegründet 1972). Erste Privatschulen und Colleges sind im Entstehen.
Presse: 1990 wurden die Pressegesetze liberalisiert, die Printmedien wurden privatisiert und politisch unabhängig. Der bulgarische Zeitungsmarkt wird heute dominiert von der »Zeitungsgruppe Bulgarien« der deutschen WAZ-Mediengruppe. Sie gibt die aus der 1923 gegründeten Gewerkschaftszeitung »Trud« hervorgegangene Tageszeitung »Dneven Trud« (Auflage 336 000 Exemplare) sowie deren Abendausgabe »Noschten Trud« (gegründet 1992; 45 000) und die Wochenzeitung »Schalt Trud« (220 000) heraus, ferner die Zeitung »24 Tschassa« (gegründet 1992; 166 000) sowie verschiedene Publikumszeitschriften. Weitere wichtige Zeitungen sind u. a. das 2001 neu gegründete »Dnevnik« (etwa 40 000), »Standart News« (gegründet 1992; 49 000), »Demokrazija« (gegründet 1990, der Union Demokratischer Kräfte [SDS] nahe stehend; 20 000), »Duma« (gegründet 1927, Organ der Sozialistischen Partei [BSP], früher »Rabotnitschesko Delo«; etwa 50 000), »Sega« (25 000), das 1998 neu gegründete Blatt »Monitor« und die Onlinezeitung »Mediapool« (gegründet 2001). - Nachrichtenagenturen: Neben der »BTA-Balgarska Telegrafna Agenzija« (Sofia, gegründet 1898) existiert u. a. die »Agency Balkani« (Sofia, gegründet 1993). - Rundfunk: Hörfunk und Fernsehen unterstehen seit 1997 dem Nationalen Rundfunk- und Medienrat (NSRT). Sie befinden sich in einer Phase der Umwandlung von einer staatlichen zu einer öffentlich-rechtlichen Institution. Der nationale Rundfunk »Balgarsko Radio« verbreitet drei Hörfunkprogramme, das nationale Fernsehen »Balgarska Televizija« (gegründet 1960) zwei Programme. Daneben gibt es, vorwiegend auf regionaler Ebene, privaten Hörfunk (etwa 100 Radiostationen) und Privatfernsehen (rd. 15 Sender) sowie lokale Kabelfernsehprogramme. Landesweit senden »Darik Radio« (gegründet 2000), »Radio Express« und »Wesselina« sowie die Fernsehsender »Nova Televizija«, »BTV« und »7 Dni«.
Wirtschaft und Verkehr:
Die starke Industrialisierung nach 1945 führte zu einem Strukturwandel vom Agrarland zum Industrieland mit einem weiterhin starken landwirtschaftlichen Sektor. Im Jahr 1990 begann der Transformationsprozess zur Marktwirtschaft erklärt, die das zentralistisch gelenkte sozialistische Wirtschaftssystem ablösen sollte. Dieser Übergang gestaltet sich jedoch wesentlich schwieriger als in den anderen europäischen Ländern des ehemaligen RGW. Im Vergleich zu Polen oder Ungarn waren in Bulgarien unter der kommunistischen Herrschaft die Zahl der Reformansätze gering. Die enge Verflechtung mit den anderen RGW-Staaten (77 % des Außenhandels, davon 55 % mit der Sowjetunion), die Randlage in Europa und die geringe Aufmerksamkeit und Unterstützung westlicher Industrieländer sowie der auch nach 1989 weiterhin starke Einfluss der alten Kräfte in einer politisch instabilen Regierung, die besonders aus Sorge vor sozialen Kosten dringende Reformen immer wieder verzögerten, erschwerten im erheblichen Maße den Aufbau einer freien Marktwirtschaft und bisher einen selbsttragenden Wirtschaftsaufschwung. Zunächst kam es zu einem starken wirtschaftlichen Schrumpfungsprozess und großen Produktionsrückgängen. Wegen der bis Ende 1994 nur schleppend vorangekommenen Privatisierung der hoch verschuldeten Staatsbetriebe betrug der Anteil des Privatsektors am Bruttoinlandsprodukt (2000: 12,1 Mrd. US-$ = 1 475 US-$ je Einwohner) Ende 1998 etwa 40 %, in ihm waren 58 % der Erwerbstätigen beschäftigt. Das Bruttoinlandsprodukt pro Kopf der Bevölkerung entsprach 1998 lediglich 22 % des EU-Durchschnitts. Die Inflationsrate betrug 2000 im Durchschnitt 9,9 %. Nach einschneidenden Reformen im Bereich des Preis- und Finanzsystems konnte die Hyperinflation von 1997 (1 082%) mit der festen Bindung des Lews an den Euro seit Anfang 1999 aufgefangen werden. Seit 1998 ist der Staatshaushalt ausgeglichen. Nach Lösung politischer und rechtlicher Unklarheiten, insbesondere aber durch die Eröffnung der Verhandlungen mit der EU um einen Beitritt des Landes in die europäischen Staatengemeinschaft haben sich die ausländischen Investitionen (Ende 2000: 3,9 Mrd. US-$) merklich erhöht. Negativ auf den Wirtschaftsaufschwung wirkt sich die Auslandsverschuldung (Ende 2000: 14,4 Mrd. US-$) und das zunehmende Außenhandelsdefizit (Ende 2000: 1,7 Mrd. US-$) aus. Im April 2001 lag die Arbeitslosenquote bei 18,5 % mit einer seit 1995 (11,1 %) steigenden Tendenz. Die Beschäftigtenquote zählt mit (2000) 54 % zu den niedrigsten Europas. Das Bruttoinlandsprodukt wurde 1999 zu 27 % durch die Industrie, zu 17 % durch die Land- und Forstwirtschaft und zu 56 % durch den Dienstleistungssektor erwirtschaftet.
Die landwirtschaftliche Nutzfläche, die 56 % der Gesamtfläche Bulgariens einnimmt, wird zu 69 % von Ackerland, 27 % von Dauerwiesen und -weiden und zu 4 % von Dauerkulturland (besonders Obstanlagen und Rebland) eingenommen. Ein großer Teil des Ackerlandes ist von Bodenerosion bedroht. Nach anfänglichen Verzögerungen ist die Rückgabe und Privatisierung der landwirtschaftlich genutzten Fläche bis Ende der 1990er-Jahre weitgehend abgeschlossen. 1999 waren 82 % aller Flächen in privater Hand, bei den Ackerflächen und Sonderkulturen lag dieser Wert sogar bei 96 %. Die Beseitigung der Produktionsstrukturen der aufgelösten landwirtschaftlichen Kooperativen sowie die Aufteilung der vorhandenen Kollektivwirtschaften in unwirtschaftlichen Betriebsgrößen, der Rückgang des Mechanisierungsgrades, die veraltete Landtechnik und die stark gestiegenen Preise führten bis Mitte der 1990er-Jahre zu einem Produktionsrückgang, der Viehbestand ging 1990-95 um etwa 50 % zurück. Während die Ernteerträge seit 1995 weiter abgenommen haben, konnte sich die Tierhaltung auf einem niedrigen Niveau stabilisieren.
Als problematisch erweist sich gegenwärtig die hohe Zahl der Brachflächen (1999 37 % der Ackerflächen), da vielen Privatwirtschaften das Kapital für deren Bewirtschaftung fehlt. Die Hauptanbaugebiete liegen im Donautafelland und in den südbulgarischen Beckenlandschaften. Der größte Teil der Ackerfläche wird mit Getreide (v. a. Weizen und Mais) bestellt. Daneben spielen der Anbau von Sonnenblumen, Tabak (starker Rückgang der Bedeutung Bulgariens als Tabakexportland) und Zuckerrüben, der stark exportorientierte Obst- (besonders Äpfel, Pflaumen), Wein- und Gemüsebau (besonders Tomaten, Paprika) eine große Rolle. Rosengärten (Kasanlak, Karlowo, Streltscha) und Lavendelkulturen dienen der Gewinnung von Ölen. Viehwirtschaft wird v. a. in den gebirgigen Landesteilen betrieben. Wegen häufig lang anhaltender Trockenheit werden 20 % der landwirtschaftlichen Fläche künstlich bewässert.
Die Gesamtwaldfläche Bulgariens beträgt 3,89 Mio. ha und bedeckt 35 % des Staatsterritoriums. Die Wälder sind größtenteils staatliches Eigentum. Gegenüber den 1980er-Jahren ist der Umfang der aufgeforsteten Flächen (1999: 7 598 ha) sehr stark zurückgegangen. Allerdings hat auch der Holzeinschlag (zu 45 % für die Brennholzgewinnung) mit (1999) 2,7 Mio. m3 (1970: 6,2 Mio. m3) deutlich abgenommen.
Durch die Liquidation der staatlichen Hochseefischerei wird seit 1995 nur noch Schwarzmeer- und Binnenfischerei betrieben. Die Menge der angelandeten Meerestiere lag 1999 bei 18 548 t, davon 49 % aus dem Schwarzen Meer.
Bulgarien besitzt nur wenig Rohstoffe. Von größerer Bedeutung sind die Vorkommen an Kupfer- (Sredna gora), Eisen- (bei Kremikowzi nahe Sofia), Blei-, Chrom-, Manganerzen (bei Warna), Kaolin, Schwefelkies, Quarzsand und Uranerz. Der Erzabbau war in den letzten Jahren stark rückläufig. Die Förderung von Blei- und Uranerz wurde weitgehend eingestellt. Große Bedeutung für die Energiegewinnung hat der Abbau von Kohle, v. a. von Braunkohle (größtenteils Lignit) in Mariza-Istok (Maritza-Ost), in kleinen Mengen auch von Anthrazit. Die Gewinnung von Erdöl und -gas aus kleinen Vorkommen in der Dobrudscha ist unbedeutend.
Die Elektrizitätserzeugung ([1998] 42 000 GWh) erfolgt zu 60 % durch Wärmekraftwerke, die starke Umweltschäden verursachen, da sie größtenteils noch nicht umweltfreundlich nachgerüstet wurden; in Russe und Warna wird auch mit importierter russischer Kohle Elektroenergie erzeugt. Ein erheblicher Importbedarf besteht bei Erdöl und Erdgas (v. a. aus Russland). Etwa zu einem Drittel ist das Kernkraftwerk bei Kosloduj, das 1974 in Betrieb genommen wurde, zu 6 % sind die etwa 90 Wasserkraftwerke an den Flüssen Tundscha, Struma, Arda, Isker, Batak u. a. an der Elektroenergieproduktion beteiligt.
nachdem die industrielle Produktion von 1997 bis 1999 nach einer Erholungsphase wieder starke Rückgänge zu verzeichnen hatteIm Zuge des Aufbaus der Industrie Bulgariens nach dem Zweiten Weltkrieg entstanden spezialisierte große Kombinate, die heute technisch veraltet und umweltbelastend sind. Die einschneidende Struktur- und Anpassungskrise ist von großen Produktionseinbrüchen begleitet. Der Anteil der Industrie am Bruttoinlandsprodukt ging 1989-99 von etwa 60 % auf 27 % zurück. Viele unrentable Großbetriebe werden staatlich subventioniert. Wichtigste Industriezweige sind die chemische (Dewnja) einschließlich pharmazeutische Industrie und petrolchemische Industrie, der Maschinenbau und die Metallverarbeitung, das Hüttenwesen mit Eisen- und Stahlindustrie (Kremikowzi, Pernik, Burgas) und die Gewinnung von Nichteisenmetallen, die Elektronik und Elektrotechnik, Lebensmittelindustrie sowie die Textil- und Bekleidungsindustrie. Die wichtigsten Industriezentren sind Sofia, Plowdiw, Warna, Burgas, Stara Sagora, Russe, Gabrowo, Plewen und Weliko Tarnowo.
Die Zahl der ausländischen Touristen hat gegenüber den 1980er-Jahren deutlich abgenommen. Der Fremdenverkehr, der sich nach erneuten Rückschlägen durch den Kosovo-Krieg wieder erholen konnte, ist dennoch ein wichtiger Wirtschaftszweig Bulgariens und trägt mit (1999) 8 % zum Bruttoinlandsprodukt bei. 1999 besuchten 2,5 Mio. ausländische Gäste das Land, im Jahre 2000 konnte eine Steigerung der Tourismusumsätze um 15 % zum Vorjahr auf 1,1 Mrd. US-$ erzielt werden. Touristenziel ist v. a. die Schwarzmeerküste (Goldstrand bei Warna, Sonnenstrand bei Nessebar; Albena), aber auch die Wintersport- und Höhenkurorte im Rilagebirge (Borowez), in den Rhodopen (Pamporowo), im Witoschagebirge (Aleko) und Pirin (Bansko) sind wegen der Mineral- und Heilquellen bedeutungsvoll. Die Touristen kommen v. a. aus den Nachbarländern Rumänien, der Türkei, Jugoslawien und Mazedonien, aber auch aus Russland, der Ukraine, Deutschland und Polen.
Im Jahr 2000 stand einer Ausfuhr von 4,8 Mrd. US-$ eine Einfuhr von 6,5 Mrd. US-$ gegenüber. Wichtigste Handelspartner sind Russland und Deutschland 1998 waren die EU-Staaten mit 49 % am Export und 45 % am Import Bulgariens beteiligt. Daneben sind die nichtrussischen GUS-Staaten und Makedonien bedeutende Handelspartner. Haupteinfuhrgüter: Textilien, Schuhe, Möbel, Brennstoffe und Elektroenergie, Maschinen und Ausrüstungen (besonders Fahrzeuge), mineralische Rohstoffe, Metalle und Güter der Elektrotechnik; Hauptausfuhrgüter: chemische Erzeugnisse, Kunststoffe und Gummierzeugnisse, Metalle, Nahrungsmittel, Getränke und Tabakwaren.
Verkehr:
Bulgarien ist verkehrsmäßig gut erschlossen, jedoch befinden sich die Verkehrswege in einem schlechten Zustand. Dank seiner geographischen Lage hat Bulgarien große Bedeutung für den Transitverkehr, der aber durch die Lage im ehemaligen Jugoslawien bisher stark eingeschränkt war. Das Eisenbahnnetz ist (1999) 4 290 km (davon 2 708 km elektrifiziert), das Straßennetz einschließlich der 324 km langen Autobahnstrecken 37 288 km lang (davon 92 % befestigte Straßen). Wichtige Bahnstrecken sind teilweise nur eingleisig ausgebaut. Hauptverkehrsträger sind in Bulgarien die Straßen. Besonders wichtig sind die Autobahnverbindungen zwischen Sofia und den Seehäfen Warna (mit Fährverbindung zum ukrainischen Hafen Iljitschowsk) und Burgas (Erdöl- und Fischereihafen). Binnenschifffahrt ist nahezu ausschließlich auf der Donau (wichtigste Donauhäfen sind Lom und Russe) möglich. Der Flugverkehr wird von der Fluggesellschaft »Balkan Bulgarian Airlines« abgewickelt. Mit elf Binnenflughäfen ist das bulgarische Flugnetz dicht ausgebaut. Der Auslandsflugverkehr erfolgt von den internationalen Flughäfen in Sofia, Plowdiw, Warna und Burgas.
Die früher über das gesamte Balkangebiet verbreiteten Thraker wurden um 1000 v. Chr. durch die nach Süden vordringenden Illyrer in die Beckenlandschaften Bulgariens zurückgedrängt und seit dem 7. Jahrhundert v. Chr. von den griechischen Handelshäfen an der Schwarzmeer- und Ägäisküste kulturell beeinflusst und teilweise hellenisiert. Zwischen etwa 440 und 360 v. Chr. konnte sich auf dem Gebiet Bulgariens das Odrysenreich gegen Griechen und Makedonier behaupten, dann traten die thrakischen Geten als Herren auf, bis sie durch die makedonische Reichsbildung abgelöst wurden. Neue Einwanderer waren um 300 v. Chr. die Ostkelten mit dem Zentrum Tylos (an der Tundscha); ihnen folgten im 2. Jahrhundert v. Chr. die germanischen Bastarnen. 15 v. Chr. richtete Rom die Provinz Moesia, 46 n. Chr. die südlich des Balkankamms gelegene Provinz Thrakien ein und sicherte sie durch einen Limes entlang der Donau und durch die Dobrudscha. Die Bevölkerung, nun schon sehr verschiedener Herkunft, wurde teilweise romanisiert. Nach 395 kam Bulgarien als Provinz zum Oströmischen Reich (Byzanz). Nach den Verheerungen durch Goten und Hunnen, einem ersten Vorstoß protobulgarischer Reiternomaden (540) und der Oberherrschaft der Awaren wanderten Ende des 6. Jahrhunderts Slawen ein, die nach 675 von den turktatarischen Protobulgaren beherrscht wurden.
Erstes Bulgarisches Reich (681-1018):
Nach der Eroberung der zum Byzantinischen Reich gehörenden Dobrudscha gründete Khan Asparuch 679 das Erste Bulgarische Reich, das 681 von Byzanz anerkannt wurde. Mehrere Abkommen mit Byzanz, unterbrochen von heftigen Kriegen, sicherten die Existenz dieses slawo-bulgarischen Reiches mit der Hauptstadt Pliska (681-893). Bereits Khan Terwel (701-718) erhielt von dem byzantinischen Kaiser Justinian II. den Caesarentitel. Thronstreitigkeiten und soziale Spannungen führten zu einer vorübergehenden Schwächung, die erst Khan Kardam (777-802) überwand, sodass sein Nachfolger Krum (802-814) das Gebiet auf Kosten des zerfallenden Awarenreiches bis zur Theiß und zum Dnjestr erweitern konnte. Unter Presjan (836-852) kamen Mittelmakedonien und Südalbanien hinzu. Die Annahme des Christentums (865) durch Khan Boris I. (852-889) konsolidierte den Staat und beschleunigte die Assimilierung der Bevölkerungsteile (bulgarisch-orthodoxe Kirche); Schüler von Kyrillos und Methodios verbreiteten von Bulgarien aus (ab 885) das geschaffene slawische Alphabet (Glagoliza) und die slawische Liturgie.
Während der Herrschaft Simeons I., des Grossen (893 bis 927), erreichte Bulgarien mit der Hauptstadt Preslaw seine größte Machtentfaltung und kulturelle Blüte. Gegen eine von Byzanz, den Petschenegen und den Serben gebildete Koalition konnte sich Simeon behaupten und Griechenland bis zum Peloponnes und 924 auch Serbien gewinnen. Auf der Grundlage des Altkirchenslawischen (Altbulgarisch) wurden eine slawische Literatur (kyrillische Schrift) und christliche Zivilisation entwickelt; außerdem errichtete Simeon 919 das erste eigene unabhängige Patriarchat in Bulgarien (mit Sitz in Preslaw, ab 980 in Ohrid). Unter der Herrschaft des mit der byzantinischen Prinzessin Maria Lakapene verheirateten Zaren Peter (927-969) setzte ein von inneren Unruhen begleiteter Niedergang ein, der 931 zum Verlust von Serbien und nach 934 der Gebiete jenseits der Donau führte. Die sich im 10./14. Jahrhundert v. a. unter den Bauern rasch ausbreitende religiöse Gruppierung der Bogomilen erschütterte die Autorität der Kirche und verschärfte die sozialen Konflikte. 968 nahm der Kiewer Fürst Swjatoslaw Preslaw ein, wurde aber 971 von dem byzantinischen Kaiser Johannes I. Tzimiskes geschlagen, der 972 auch das im Nordosten entstandene Ostbulgarischer Reich (969-972) eroberte und zur byzantinischen Provinz machte sowie die Eigenständigkeit des Westbulgarischen beziehungsweise Makedonischen Reichs (969-1018; Hauptstadt Ohrid) weitgehend beschnitt. Zwar hatten die Brüder Kometopuli mit einem Aufstand in Makedonien einen Teil der Herrschaft zurückgewonnen und mit Samuil (972/97-1014) einen Zaren gestellt, der nach Eroberungen in Thessalien und an der Adriaküste die inneren Verhältnisse konsolidieren und das Patriarchat erneuern konnte, doch nach der Niederlage gegen Basileios II. (»der Bulgarenschlächter«) nördlich des Belassizagebirges 1014 und dem Verlust der Hauptstadt Ohrid 1018 wurde ganz Bulgarien von Byzanz unterworfen. Unter byzantinischer Herrschaft (1018-1185/87) wurde Bulgarien in die byzantinische Themen-Verwaltungsorganisation eingegliedert; der kulturelle und kirchliche Einfluss von Byzanz dominierte, kirchlich wurde Bulgarien dem nun bald griechischen Erzbistum Ohrid unterstellt. 1185 unternahmen die Bojarenbrüder Peter und Iwan Assen I. mithilfe der Kumanen und Walachen in Tarnowo einen Aufstand, den Byzanz nicht mehr niederschlagen konnte. Es musste 1187 der Wiederherstellung der bulgarischen Eigenstaatlichkeit zustimmen.
Zweites Bulgarisches Reich (1185/87-1393/96):
Assen (1187-96) und sein Bruder Kalojan (1197-1207) konnten das Bulgarenreich mit dem Zentrum Tarnowo (1186-1393) nach Thrakien und Makedonien ausdehnen, 1202 die Anerkennung durch Byzanz erreichen und 1204 eine Union mit der römischen Kurie erzielen, die Kalojan den Königstitel und dem bulgarischen Patriarchen die Primaswürde eintrug. Unter Iwan Assen II. (1218-41) wurde nach der Schlacht bei Klokotniza 1230 das Despotat Epirus erobert; Bulgarien stieg danach zum größten Staat in Südosteuropa auf. Die Union mit dem Papsttum wurde aufgekündigt und die Anerkennung der Autonomie der bulgarischen Kirche erreicht (1235). In den Nachfolgekämpfen und durch den Tatareneinfall von 1242 wurde Bulgarien jedoch so geschwächt, dass es große Gebietsverluste an das kleinasiatische Kaiserreich Nikaia hinnehmen und nach 1256 die Herrschaft des serbischen Nemanjidenfürsten Konstantin Tich (1257-77) akzeptieren musste. Verschwörungen und Machtkämpfe der Bojaren begünstigten den Aufstieg des Kumanen Georgi I. Terter (1280-92) und der vom Zentrum Widin an der Donau regierenden Dynastie der Schischmaniden (1324-96). Nach der Niederlage gegen das aufstrebende serbische Reich 1330 bei Welbaschd (heute Kjustendil) geriet Bulgarien unter serbischen Einfluss; die Bulgaren mussten auch gegen Ungarn und Byzanz schwere Niederlagen hinnehmen und waren seit 1352 durch das Übergreifen der Türken nach Europa bedroht. Um 1363 zerfiel Bulgarien in Teilstaaten im Ägäisraum sowie im Südwesten; Restbulgarien wurde in die Fürstentümer Dobrudscha, Widin und Tarnowo aufgeteilt. Nach der Niederlage bei Tschernomen 1371 mußte Iwan Schischman (1371-93) von Tarnowo die Oberhoheit der Türken anerkennen (1375), die 1388 Ostbulgarien unterwarfen, 1393 Tarnowo eroberten und mit der Einnahme von Widin, nach dem Sieg über ein Kreuzfahrerheer bei Nikopol am 25. 9. 1396, ganz Bulgarien beherrschten.
Bulgarien unter der Türkenherrschaft (1396-1878):
Das eroberte Bulgarien wurde dem Beglerbeg von Rumelien mit dem Sitz (bis 1836) in Sofia unterstellt und in fünf Sandschaks eingeteilt (Widin, Nikopol, Silistra, Makedonien, Thrakien). Durch die Ansiedlung anatolischer Kolonisten und der Juruken (kleinasiatische Viehzüchter) sollten die Bevölkerungsverluste ausgeglichen werden. Der einheimische Adel wurde sozial und wirtschaftlich nivelliert sowie durch türkische Spahis ersetzt (Timarsystem); die gesamte Bevölkerung wurde hoch besteuert und zum Glaubenswechsel angehalten (Pomaken), zum Teil auch gewaltsam islamisiert. Da die höhere Geistlichkeit fast ausschließlich aus Phanarioten bestand und Griechisch Liturgiesprache geworden war, wurde der Klerus der bulgarisch-orthodoxen Kirche gräzisiert; die niedere Geistlichkeit und die Klöster entwickelten sich zu Zellen des nationalen Widerstandes. Nach der Niederschlagung eines Aufstandes in Nordbulgarien (unter Beteiligung Mirceas des Alten) 1404, der Schlacht von Warna 1444 und der Einnahme Konstantinopels durch die Türken (1453) bestand keine Hoffnung mehr auf eine rasche Beendigung der Türkenherrschaft. Mit Ausnahme der über Ragusa laufenden Wirtschaftskontakte rissen die Außenbeziehungen völlig ab. Das Bemühen der türkischen Spahikrieger, ihre Dienstlehen in erblichen Großgrundbesitz zu überführen, verschlechterte die materielle Lage der bulgarischen Bauern. Der Niedergang des Osmanischen Reiches und die erfolglosen Kriege gegen die Habsburger lösten in Tarnowo (1598 und 1686), in Gabrowo (1686), in Tschiprowez (1688 und 1737/38) lokale Aufstände aus, die - ebenso wie die Aktionen der Heiducken - blutig niedergeschlagen wurden. Ende des 17. und Anfang des 18. Jahrhunderts suchten daher viele Bulgaren Zuflucht in der Donaumonarchie.
Der im 18. Jahrhundert einsetzende wirtschaftliche Aufschwung mit einem starken Bevölkerungswachstum begünstigte die nationale Wiedergeburt, die durch die 1762 beendete »Slawisch-Bulgarische Geschichte« des Paissij von Chilendar und den Russisch-Türkischen Krieg 1768-74 Auftrieb erhielt; 1835 wurde die erste weltliche bulgarische Schule in Gabrowo eröffnet. Der von Russland unterstützte Freiheitskampf der Serben (1804-17) und Griechen (1821-29) sowie die innerosmanischen Reformen stärkten die Nationalbewegung, die im Kampf um eine nationalbulgarische Kirche auch die aufständischen Bauern (1835, 1841, 1850) unterstützte. Von der Walachei und von Russland aus bereiteten Emigranten die nationale Erhebung vor. 1861 organisierte G. Rakowski in Belgrad die Erste Bulgarische Legion und versuchte 1862, die Heiducken zum Kampf gegen die Türken zu organisieren. In Bukarest gründeten W. Lewski und L. Karawelow nach dem Vorbild der russischen Narodniki ein Bulgarisches Revolutionäres Zentralkomitee und 1868 eine Bulgarische Gesellschaft. Auch die Einrichtung des Bulgarischen Exarchats in Konstantinopel (1870) ließ trotz vieler Rückschläge den Wunsch nach Erringung der nationalen Freiheit und Vereinigung der bulgarischen Gebiete weiter wachsen. Der Aprilaufstand von 1876, u. a. C. Botew, konnte von den Türken zwar blutig niedergeschlagen werden (»Bulgarengreuel«), doch beendete der folgende Russisch-Türkische Krieg 1877/78 die türkische Fremdherrschaft (u. a. Beteiligung bulgarischer Freischärler an der Schlacht um Plewen und auf dem Schipka-Pass).
und Königreich Bulgarien (1878 bis 1944/46): Im Vorfrieden von San Stefano (3. 3. 1878 wurde ein großbulgarischer Staat geschaffen, der außer dem Kernland auch den Zugang zur Ägäis mit dem größten Teil von Makedonien und Thrakien umfasste. Unter britischen und österreichischen Einfluss reduzierte der Berliner Kongress (1. 7. 1878) dieses russische Diktat auf die Teilung Bulgarien in ein autonomes, dem Sultan tributpflichtiges Lehnsfürstentum Bulgarien, bestehend aus Mösien und dem Sandschak Sofia, sowie die einem christlichen Gouvernement unterstellte, aber unmittelbar türkischer Oberhoheit unterworfene Provinz Ostrumelien (Südbulgarien; Hauptstadt Plowdiw) und die unter türkischer Herrschaft verbleibenden Gebiete (Makedonien, Thrakien). Entgegen den Wünschen der provisorischen russischen Verwaltung beschloss am 28. 4. 1879 eine Notabelnversammlung in Tarnowo eine liberale Verfassung.; Hauptstadt wurde Sofia. Der von der Nationalversammlung gewählte Alexander I. von Battenberg, beendete die Parteikämpfe zwischen »Konservativen« und »Liberalen« 1881 durch die Aufhebung der Verfassung und vereinigte nach dem Sturz des ostrumelischen Direktoriums diese Provinz am 18. 9. 1885 mit dem Fürstentum Bulgarien (Personalunion). Nach dem Serbisch-Bulgarischen Krieg (Serbien, Geschichte) wurden im Frieden von Bukarest (3. 3. 1886) die Vereinigung de facto und die Vorkriegsgrenzen anerkannt. Die Weigerung Russlands, Alexander als Fürsten des vereinigten Bulgarien anzuerkennen, veranlasste eine Gruppe von Offizieren, ihn am 9. 8. 1886 zur Abdankung zu zwingen. Zwar brachte eine vom Parlamentspräsidenten S. Stambolow geführte Gegenaktion ihn auf den Thron zurück, doch verzichtete er am 7. 9. 1886 wegen der persönlichen Vorbehalte Kaiser Alexanders III. von Russland.
Der am 19. 7. 1887 gewählte Wettiner Ferdinand I., der erst 1896, nach der Aussöhnung mit Kaiser Nikolaus II. von Russland, die Anerkennung der Türkei und der Großmächte erhielt, leitete mit seinem Ministerpräsidenten Stambolow (1887-94) den Aufbau und die Europäisierung Bulgariens ein. Die im türkischen Makedonien und in Südthrakien tätigen probulgarischen Befreiungsbewegungen wurden tatkräftig unterstützt. Trotz eines langsamen wirtschaftlichen Aufschwungs kam es wegen der hohen Staatsverschuldung und bei häufig wechselnden Kabinetten zu verstärkter Agitation der kleinen Sozialdemokratischen Partei (gegründet 1891, ab 1894 Bulgarische Sozialdemokratische Arbeiterpartei), zu Bauernunruhen und Volkserhebungen. Als Antwort auf die jungtürkische Revolution proklamierte Ferdinand I. am 5. 10. 1908 die Unabhängigkeit Bulgariens und nahm den Königstitel (Zar) an. Da die russische Regierung diesen Schritt billigte, stimmten 1909 die Türkei und die Großmächte zu. Die wachsenden Gegensätze zwischen der Türkei und den jungen Balkanstaaten über das Schicksal der europäischen Gebiete mit nichttürkischer Bevölkerung führten am 13. 3. 1912 zum serbisch-bulgarischen Bündnis (Balkanbund). Im Ersten Balkankrieg (1912-13) trug Bulgarien die Hauptlast der Kämpfe gegen die Türkei und konnte Thrakien, Teile Makedoniens und Adrianopel besetzen. Bei der Verteilung der im Frieden von London (30. 5. 1913 der Türkei abgesprochenen Gebiete kam es zu Streitigkeiten zwischen den bisherigen Partnern, die am 29./30. 6. 1913 zum Zweiten Balkankrieg führten. Dabei wurde der Angreifer Bulgarien von Serbien, Griechenland, der Türkei und Rumänien geschlagen und verlor im Frieden von Bukarest (10. 8. 1913) Vardar- und Ägäis-Makedonien sowie die Süddobrudscha und das Gebiet Adrianopel. Im Ersten Weltkrieg (1914-18) hielt sich Bulgarien zunächst neutral, schloss sich aber nach Ablehnung seiner Gebietsansprüche in Makedonien am 14. 10. 1915 den Mittelmächten an und besetzte die von ihm beanspruchten Gebiete. Im Frieden von Bukarest (7. 5. 1918; erloschen mit dem Waffenstillstand von Compiègne, 11. 11. 1918) erhielt Bulgarien kurzzeitig die Süddobrudscha zurück.
Am 3. 10. 1918 dankte König (Zar) Ferdinand I. zugunsten seines Sohnes Boris III. ab. Ministerpräsident A. Stambolijski (seit 2. 10. 1919), der Führer der revolutionären Bauernpartei (gegründet 1899 als Bulgarische Nationale Agrarunion, bulgarische Abkürzung BZNS), unterzeichnete am 27. 11. 1919 den Friedensvertrag von Neuilly, durch den zwei ostmakedonische Kreise an Jugoslawien und die Ägäisküste an Griechenland verloren gingen (Letzteres abschließend geregelt auf der Entente-Konferenz von San Remo, 19.-26. 4. 1920) und Bulgarien hohe Reparationen auferlegt wurden. Das innenpolitische Reformprogramm (u. a. Aufteilung des Großgrundbesitzes, progressive Einkommensteuer) und die außenpolitischen Pläne (Balkanföderation) riefen wachsenden Widerstand hervor; die IMRO bekämpfte v. a. die bulgarisch-jugoslawische Annäherung. Am 9. 6. 1923 wurde Stambolijski durch einen Offiziersputsch gestürzt und wenig später ermordet (14. 6.). Der kommunistische Septemberaufstand unter W. Kolarow und G. Dimitrow am 23. 9. 1923 zum Sturz der Regierung A. Zankow (1923-26) wurde niedergeschlagen und war Anlass für die Unterdrückung der KP (1919 gegründet, 1938-48 Bulgarische Arbeiterpartei) sowie der Bauernpartei (ab 1924). Unter Ministerpräsident A. Ljaptschew (1926-31), dessen Regierung vom Nationalen Block (Zusammenschluss aus Demokratischer Partei, Bauernpartei, Nationalliberaler Partei und Radikaldemokratischer Partei) getragen wurde, verschärften terroristischen Aktionen der IMRO die bulgarisch-jugoslawische Kontroverse um Makedonien. Nach dem Putsch des Zweno-Kreises (1934) und der autoritären Regierung (Auflösung der politischen Parteien) des Ministerpräsidenten K. Georgiew (1934-35) errichtete Boris III. eine autokratische Herrschaft, gestützt auf die Ministerpräsidenten G. Kiosse-Iwanow (1935-40) und Bulgarien Filow (1940-43). Die 1933 eingeleitete bulgarisch-jugoslawische Annäherung fand ihren Höhepunkt in einem Freundschaftsvertrag vom 24. 1. 1937. Mit seiner Annäherung an die Achsenmächte - besonders nach Ausbruch des Zweiten Weltkrieges (1939) - isolierte sich Bulgarien gegenüber den anderen Balkanstaaten. Unter deutschem Druck trat Rumänien im Vertrag von Craiova (7. 9. 1940 die Süddobrudscha an Bulgarien ab. Am 1. 3. 1941 schloss sich Bulgarien dem Dreimächte-, am 25. 11. dem Antikominternpakt an; am 2. 3. kamen deutsche Truppen ins Land (26. 6. Bildung erster Partisaneneinheiten). Bulgarien beteiligte sich fortan am Krieg der Achsenmächte gegen Griechenland und Jugoslawien (u. a. bis 1944 bulgarische Besetzung von Makedonien, Thrakien). Am 13. 12. 1941 erklärte Bulgarien Großbritannien und den USA den Krieg (nicht der UdSSR). Nach Verkündung ihres ersten Programms (17. 7. 1942) bildete sich Mitte 1943 in der Vaterländischen Front eine halblegale Opposition unter Mitwirkung der Kommunisten. Nach dem Tod Boris' III. (28. 8. 1943 übte ein Regentschaftsrat für den minderjährigen Kronprinzen Simeon die Regierungsgewalt aus. Am 5. 9. 1944 erklärte die UdSSR Bulgarien den Krieg. Nach dem widerstandslosen Einmarsch der Roten Armee am 8. 9. kam es am 9. 9. zu einem Aufstand (Staatsstreich), in dessen Folge eine Regierung der Vaterländischen Front unter Ministerpräsident K. Georgiew (1944-46) an die Macht kam und am 28. 10. 1944 den Waffenstillstand mit den Alliierten unterzeichnete; Bulgarien trat mit einem bedeutenden Truppenkontingent aktiv in den Krieg gegen Deutschland ein (Kriegserklärung am 10. 9.).
Die Volksrepublik Bulgarien (1946-1989/90):
Am 15. 9. 1946 wurde die Monarchie (Referendum vom 8. 9.) abgeschafft und die »Volksrepublik« ausgerufen. Nach den Wahlen vom 18. 11. 1945 (88,2 % der Stimmen für die von der KP bestimmten Vaterländischen Front) beziehungsweise 27. 10. 1946 (70 % der Stimmen) konnte die Bulgarische KP (seit 1948; Abkürzung BKP) unter Führung von Generalsekretär G. Dimitrow (1944-49; seit 1945 im Land, ab November 1946 auch Ministerpräsident) Bulgarien in eine Volksdemokratie kommunistischer Prägung umwandeln (u. a. 12. 3. 1946 Bodenreformgesetz, Dezember 1947 Nationalisierung der Industrie und Banken). Die Opposition, schon im Herbst 1944 (etwa 28 000 Menschen verschleppt und ermordet) und durch die Bestrafung von »Kriegsverbrechern« geschwächt, wurde im Frühjahr 1947 scharf bekämpft (u. a. Auflösung der nichtkommunistischen Parteien) und - nach ihrer endgültigen Ausschaltung, besonders der Bauernpartei (Hinrichtung ihres Vorsitzenden Nikola Dimitrow Petkow [* 1889, ✝ 1947]) - am 4. 12. 1947 eine am sowjetischen Vorbild orientierte Verfassung in Kraft gesetzt. Der Friedensvertrag von Paris (10. 2. 1947) legte Bulgarien u. a. Reparationen auf.
Die von Dimitrow geförderten Pläne für eine Balkanföderation der kommunistischen Staaten scheiterten am Veto Stalins, der im Sinne sowjetischer Machtpolitik das System zweiseitiger Freundschafts- und Beistandsverträge durchsetzte. Nach der Auflehnung Titos gegen die Hegemonie der UdSSR (1948) kündigte Bulgarien 1949 den Freundschaftsvertrag mit Jugoslawien. Mit dem Beitritt zum Kominform (1947), dem Abschluss eines Freundschafts- und Beistandspaktes mit der UdSSR (18. 3. 1948, dem Beitritt zum RGW und zum Warschauer Pakt (1955) band sich Bulgarien fest in den von der UdSSR geführten Ostblock ein.
Nach dem Tod Dimitrows (1949) führte sein Nachfolger als Generalsekretär der BKP, der Stalinist W. Tscherwenkow (1949-54), 1950-56 zugleich Ministerpräsident, eine Säuberung der Partei durch, um vermeintliche oder tatsächliche Anhänger Titos und seiner nationalkommunistischen Ideen auszuschalten. Nach einem Schauprozess 1949 wurde der frühere stellvertretende Ministerpräsident T. Kostow hingerichtet. Der Personenkult und der stalinistische Terror gegen politische Gegner (Entstalinisierung) nahmen zu (Ausbau des »bulgarischen Gulag«; bestand von 1944 bis Anfang der 60er-Jahre). Anfang März 1954 wurde T. Schiwkow Erster beziehungsweise (ab 1981) Generalsekretär der BKP (1962-71 auch Ministerpräsident); 1971 wurde er zugleich Vorsitzender des neu konstituierten Staatsrates. Im August 1968 beteiligten sich bulgarische Truppen am Einmarsch in die Tschechoslowakei. In der Verfassung vom 18. 5. 1971 wurde die Freundschaft zur UdSSR als Grundorientierung der bulgarischen Politik festgelegt. Seit etwa 1966 war ein offiziell geförderter bulgarischer Nationalismus in Politik und Kultur prägend geworden. Obwohl sich mit der jugoslawisch-bulgarischen Erklärung über die Unverletzlichkeit der gemeinsamen Grenzen (1978) die Beziehungen zu Jugoslawien verbesserten, gab es weiterhin tief greifende Meinungsverschiedenheiten bezüglich Makedoniens.
Unter den kommunistischen Ministerpräsidenten (1956-62 der Stalinist A. T. Jugow [* 1904], dann Schiwkow, 1971-81 S. Todorow [* 1920], 1981-86 G. Filipow [* 1919], ab 1986 G. Atanassow [* 1933]) war Bulgarien auch wirtschaftlich eng an die UdSSR angebunden. Wegen der von Schiwkow betriebenen nationalistischen und minderheitenfeindlichen Behandlung der türkischen Nationalität in Bulgarien (Bulgarotürken; etwa 1 Mio.) kam es zum Zerwürfnis mit der Türkei; Ende 1982 wurden in so genannten »Bulgarisierungskampagnen« den bulgarischen Türken bulgarische Namen und damit die Aufgabe ihrer kulturellen Eigenständigkeit aufgezwungen. Diese v. a. ab Mitte der 1980er-Jahre verstärkte Zwangsbulgarisierung (offiziell aufgehoben erst am 29. 12. 1989) löste am 20. 5. 1989 im Nordosten Bulgariens schwere Unruhen aus, über 300 000 Bulgarotürken flohen in die Türkei (bis zur Schließung der Grenzen durch die Türkei am 17. 8. 1989). Erstmals wurde am 3. 3. 1988 ein neuer Nationalfeiertag begangen (zuvor 9. 9.). Ab Herbst 1989 erzwangen oppositionelle Kräfte am 10. 11. 1989 den Rücktritt T. Schiwkows als Vorsitzender der BKP; am 17. 11. wurde er auch von seiner Funktion als Vorsitzender des Staatsrats entbunden und später (am 18. 1. 1990) verhaftet und verurteilt (4. 9. 1992, bestätigt am 19. 1. 1994). Sein Nachfolger als Generalsekretär der BKP (bis Februar 1990) und Vorsitzender des Staatsrats, Petar Mladenow (* 1936), versuchte mit der Verkündigung eines »neuen Kurses«, die sich formierende Bürgerbewegung unter Kontrolle zu bringen, und leitete unter dem Druck der Ereignisse (u. a. Massendemonstrationen am 18. 11. 1989) eine vorsichtige Demokratisierung ein. Schon am 11. 2. 1989 hatten Künstler und Intellektuelle in Plowdiw die (seit 1944) erste unabhängige Gewerkschaft Podkrepa Unabhängige Arbeiterkonföderation gegründet; am 7. 12. 1989 erfolgte die Bildung eines Dachverbandes zahlreicher oppositioneller Parteien und Bewegungen (Union Demokratischer Kräfte, Abkürzung UDK). Im Januar 1990 billigten die Abgeordneten des Parlaments eine Deklaration zur Nationalitätenfrage, die die Rechte der türkischen Minderheit wieder herstellte, bei der bulgarischen Bevölkerungsmehrheit aber nationalistisch motivierte Massenaktionen auslöste. Mit dem erklärten Verzicht der BKP (13. 12. 1989) und der Annullierung ihres bisher in der Verfassung festgeschriebenen Führungsanspruchs durch das Parlament am 15. 1. 1990 wurde nach der Verfassungsänderung vom 3. 4. die rechtmäßige Bildung von Parteien ermöglicht. Nach ihrer Grundsatzverständigung vom 27. 12. 1989 begannen Regierung und Opposition am 16. 1. 1990 ihre Verhandlungen am »runden Tisch«, der am 12. 3. den Übergang zu einem parlamentarisch-demokratischen System und am 30. 3. Wahlen für Juni 1990 beschloss. Am 3. 2. 1990 wurde der Reformkommunist Andrej Lukanow (* 1938, ✝ [erschossen] 1996) Ministerpräsident einer reinen BKP-Regierung; am 3. 4. 1990 verabschiedete das Parlament ein Wahl- und Parteiengesetz (das Streikrecht war schon am 6. 3. legalisiert worden), strich die Bezeichnung »sozialistisch« aus der Verfassung und löste sich auf.
Die parlamentarisch-demokratische Republik Bulgarien (seit 1990):
Die seit 1946 ersten freien Wahlen am 10./17. 6. 1990 gewann die aus der BKP hervorgegangene BSP (Name seit seit 4. 4.) unter Vorsitz von Lukanow; am 10. 7. trat in Weliko Tarnowo erstmals die neue Volksversammlung zusammen. Nach dem Rücktritt des am 3. 4. 1990 vom Parlament nach Abschaffung des Staatsrates zum Präsidenten gewählten P. Mladenow (6. 7.) wurde am 1. 8. 1990 der Vertreter der UDK, S. Schelew, Staatspräsident und am 12./19. 1. 1992 in Direktwahl bestätigt (bis 1996). Das Parlament stimmte am 15. 11. 1990 dem neuen Namen »Republik Bulgarien« zu. Am 29. 11. 1990 trat Ministerpräsident Lukanow nach Generalstreik am 26. 11. und dreiwöchigen landesweiten Demonstrationen zurück (1992 inhaftiert); am 7. 12. 1990 kam es zur Bildung einer Übergangsregierung unter Beteiligung von UDK und BSP unter dem parteilosen Dimitar Popow (* 1927). Ein Abkommen aller im Parlament vertretenen Parteien schrieb den »friedlichen Übergang zur Demokratie in Bulgarien« fest (3. 1. 1991); die Wirtschaftsreform wurde beschlossen (23. 1.) und gesetzlich verankert (23. 5.). Am 12. 7. 1991 nahm das Parlament eine neue demokratische Verfassung an. Nach dem Sieg in den Parlamentswahlen vom 13. 10. 1991 (nach neuem Wahlrecht) übernahm die UDK unter ihrem Vorsitzenden Filip Dimitrow (* 1955) am 8. 11. die Bildung der Regierung, die (im Mai 1992 umgebildet) die Reformpolitik v. a. in der Wirtschaft trotz sozialer Härten entschieden fortsetzen wollte (neue Gesetze zur Landrückgabe, 20. 3. 1992, und zur Privatisierung, 23. 4. 1992). Im Frühjahr/Sommer 1992 kam es zu einer neuen Massenauswanderung von Bulgarotürken. Nach dem Sturz der Regierung durch einen Misstrauensantrag in der Volksversammlung (28. 10.) wurde der parteilose Ljuben Berow (* 1925) am 30. 12. 1992 zum Ministerpräsidenten gewählt (Spaltung der UDK), scheiterte aber wie seine Vorgänger an den großen wirtschaftlichen Schwierigkeiten und der Lähmung des Reformprozesses (Rücktritt am 8. 9. 1994). Die vorgezogenen Wahlen vom 18. 12. 1994 gewann die BSP mit absoluter Mehrheit; Ministerpräsident wurde am 25. 1. 1995 der Vorsitzende der BSP, Schan Widenjow (* 1959). Am 3. 11. 1996 wurde Petar Stojanow (UDK) zum Nachfolger des bisherigen Amtsinhabers Schelew als Staatspräsident gewählt.
Die wirtschaftliche und soziale Lage des Landes spitzte sich im Winter 1996/97 dramatisch zu, nachdem Hungersnöte ausgebrochen waren und es in deren Folge zu inneren Unruhen gekommen war (Erstürmung des Parlaments in Sofia im Februar 1997). Aus vorgezogenen Parlamentswahlen (April 1997) gingen die bürgerlich-liberalen »Vereinigten Demokratischen Kräfte« (ODS; u. a. SDS, Bauernpartei sowie 13 kleinere Parteien) als Sieger hervor, Ministerpräsident wurde I. Kostow. Bei den Parlamentswahlen am 17. 6. 2001 errang zwar die erst im April 2001 registrierte Partei »Nationale Bewegung Simeon II.« eine deutliche Mehrheit und am 24. 7. 2001 wählte das Parlament Simeon II. zum neuen Ministerpräsidenten; bei den Präsidentschaftswahlen am 11./18. 11. 2001 siegte jedoch in der Stichwahl der Sozialist Georgi Parwanow über den Amtsinhaber Stojanow.
Mit der Auflösung des Rates für gegenseitige Wirtschaftshilfe (RGW) und des Warschauer Paktes 1991 erlosch auch formal die Mitgliedschaft Bulgariens in diesen Organisationen. Im Hinblick auf eine neue außenpolitische Orientierung suchte Bulgarien die alten Bindungen vor allem an Russland zu wahren (Abschluss von Handels- und Freundschaftsverträgen, 1992), neue regionale Beziehungen anzuknüpfen (diplomatische Anerkennung der Republik Makedonien; Abkommen mit der Türkei, 20. 12. 1992 und 1999) und die wirtschaftlichen und politischen Beziehungen zu den Demokratien des Westens auf eine neue Grundlage zu stellen (Aufnahme in den Europarat, 5. 5. 1992; Assoziationsvertrag mit der EG, 8. 3. 1993; Unterzeichnung des NATO-Programms »Partnerschaft für den Frieden«, 14. 2. 1994; 1998 Verabschiedung eines Sicherheitskonzepts mit der NATO als Stützpfeiler, durch das Parlament mit breiter Mehrheit gebilligt). Im Juli 1998 unterzeichnete Bulgarien das Beitrittsabkommen zur CEFTA. Das bilaterale Verhältnis zu Makedonien wurde im Februar 1999 u. a. durch die Anerkennung einer makedonischen Nation vertraglich entspannt. Anfang 2000 begannen die Beitrittsverhandlungen zur Europäischen Union. Im Februar 2000 war Bulgarien als Mitglied des Südosteuropäischen Kooperationsprozesses (englische Abkürzung SEECP; gegründet 1996) mit fünf Balkanländern und der Türkei in Bukarest an der Unterzeichnung einer Charta für Zusammenarbeit und gute Nachbarschaft beteiligt, im Februar 2001 in Skopje an einer Charta zur Stabilität und Zusammenarbeit in der Balkanregion. In enger Zusammenarbeit mit EU und UN leistete Bulgarien, ebenso wie Griechenland, Makedonien im Frühjahr 2001 hinsichtlich des Erhalts seiner Souveränität und territorialen Integrität Unterstützung.
S. Russinov: B. Land u. Volk, Wirtschaft u. Kultur (1974);
G. Knauss: B. (1990);
N. Kostadinova: B. (1995).
L. S. Stavrianos: The Balkans since 1453 (New York 1958);
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C. u. Bulgarien Jelavich: The establishment of the Balkan national states, 1804-1920 (Seattle, Wash., 1977);
C. Christov: 1300 Jahre B. (a. d. Bulgar., ebd. 1980);
Seiten aus der bulgar. Gesch. Ein Beitrag über die islamisierten Bulgaren u. den Prozeß des wiederauflebenden Nationalbewußtseins. Redaktion: C. Christow (Sofia 1989);
Gjuzelev, V.: B. zw. Orient u. Okzident. Die Grundlagen seiner geistigen Kultur vom 13. bis zum 15. Jh. A. d. Bulgar. (Wien u. a. 1993);
B. vom Ende des Parteikommunismus zu den Anfängen der Regierung Widenow (1989-1995), zsgest. u. bearb. v. M. Coenen (1995).
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Bul|ga|ri|en; -s: Staat auf dem ↑Balkan (2).
Universal-Lexikon. 2012.