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dialektische Theologie
dialẹktische Theologie,
 
theologische Richtung im Protestantismus des deutschen Sprachraums, die nach dem Ersten Weltkrieg durch K. Barth, F. Gogarten, E. Brunner, R. Bultmann, E. Thurneysen u. a. begründet wurde auf der Basis der These von der absoluten Transzendenz Gottes und der unbedingten Souveränität der Offenbarung gegenüber jedem theologischen, philosophischen, ethischen oder religiösen Bemühen; ihr Ziel war insbesondere die Überwindung des Kulturprotestantismus des 19. Jahrhunderts mit seiner weit reichenden Identifizierung von Kultur und Reich Gottes.
 
Im Anschluss an die Existenzphilosophie S. Kierkegaards wird der diametrale Gegensatz von Gott und Mensch, Zeit und Ewigkeit hervorgehoben. Gott als der (gegenüber der Welt) ganz andere kann, da die Gottestat absolut geschichtstranszendent ist, nur durch die dialektisch strukturierte Offenbarung erkannt werden, die die sich ausschließenden Gegensätze Gott und Mensch, Ewigkeit und Zeit vereint, ohne dass sie etwa im hegelschen Sinn in einem historischen Prozess aufgehoben werden. Die Überschreitung der »Grenze«, vor die sich der Mensch gestellt sieht, oder eine Vermittlung über diese Grenze hinweg ist dem Menschen weder durch Anstrengung seines Intellekts noch durch ethische Vervollkommnung möglich. Gott bleibt immer der absolut Transzendente, er geht nicht in die Geschichte ein, auch nicht in dem historischen Jesus. Die Wahrheit Gottes ist nur dialektisch aussagbar in Thesis und Antithesis, eine Synthesis ist nicht möglich. Die Mitte zwischen Position und Negation, Thesis und Antithesis, von der aus Gott in der »Zweiheit« allein zu begreifen ist, ist (nach Barth) die Einheit Gottes mit dem Menschen in Jesus Christus, in dem die Ebene menschlicher Erfahrungswelt durch die göttliche Geschichte berührt wird. - Die d. T. erwuchs aus der Krise der Kultur nach dem Ersten Weltkrieg. Unter den neue Wege Suchenden, z. B. in der Jugendbewegung und bei den Religiös-Sozialen, fand sie ihre ersten Anhänger. Sie sammelten sich seit 1922 um das Organ der d. T., die Zeitschrift »Zwischen den Zeiten«, deren Erscheinen jedoch 1933 eingestellt wurde, da der gemeinsame Ansatz der Hauptvertreter der d. T. nicht mehr gegeben war. Barth warf Bultmann, Brunner und Gogarten vor, sie begründeten ihre Theologie erneut auf Voraussetzungen, die sie im Menschen selbst (d. h. anthropologisch) zu finden meinten.
 
Literatur:
 
Anfänge der d. T., hg. v. J. Moltmann, 2 Bde. (3-41977);
 C. Gestrich: Neuzeitl. Denken u. die Spaltung der d. T. (1977);
 P. Eicher u. M. Weinrich: Der gute Widerspruch. Das unbegriffene Zeugnis von Karl Barth (1986).
 
Hier finden Sie in Überblicksartikeln weiterführende Informationen:
 
dialektische Theologie: »Zwischen den Zeiten«
 

Universal-Lexikon. 2012.