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Fénelon
Fénelon
 
[fen(ə)'lɔ̃], eigentlich François de Salignac de la Mothe-Fénelon [-də sali'ɲak də la 'mot-], französischer Theologe und Schriftsteller, * Schloss Fénelon (Département Dordogne) 6. 8. 1651, ✝ Cambrai 7. 1. 1715; seit etwa 1675 Priester, beauftragt mit der Betreuung konvertierter Hugenottinnen. Die in diesem Zusammenhang entstandene Abhandlung »Éducation des filles« (1687; deutsch »Über die Erziehung der jungen Mädchen«) stellt die Erziehung, ähnlich wie später bei J.-J. Rousseau, als behutsam lenkendes Freilegen natürlicher Anlagen dar. Nachdem er sich auch als Prediger in Paris einen Namen gemacht hatte, wurde er 1689 von Ludwig XIV. zum Erzieher seines Enkels Louis, Herzog von Bourgogne, ernannt, 1695 wurde er Erzbischof von Cambrai. Als Prinzenerzieher verfasste er mehrere lehrhafte Schriften, u. a. die »Dialogues des morts« (herausgegeben 1712; deutsch »Totengespräche«), v. a. aber »Les aventures de Télémaque. ..« (deutsch »Die Erlebnisse des Telemach. ..«), einen Fürstenspiegel in Romanform nach dem Muster des Abenteuer- und Reiseromans, der das Idealbild eines weisen Königtums entwirft. Das Werk, nur für den Dauphin bestimmt und 1699 gegen Fénelons Willen veröffentlicht, wurde nicht ohne Grund als Kritik am Regierungsstil Ludwigs XIV. aufgefasst und verboten. Nach der Neuausgabe (1717) wurde es in ganz Europa verbreitet. Schon seit 1688 stand Fénelon in Verbindung mit Jeanne-Marie Guyon de Chesnoy (* 1648, ✝ 1717), der Hauptvertreterin des französischen Quietismus; er verteidigte diesen in den 1697 erschienenen »Explications des maximes des saints. ..« und zog sich dadurch die Gegnerschaft des Theologen J. B. Bossuet, des Hofes und schließlich des Papstes zu. In seine Diözese Cambrai verwiesen, widmete sich Fénelon seelsorgerischer Tätigkeit und verfasste noch eine Reihe politischer, theologischer und literarkritischer Schriften, unter denen die »Lettre à l'Académie« (herausgegeben 1716) eine besondere Stelle einnimmt; in dieser Darstellung literarische und sprachliche Fragen vertrat er (im Unterschied zu N. Boileau-Despréaux) eine die Fantasie und das Gefühl ansprechende Auffassung von Poesie und Sprache; damit nahm er den Stil der Empfindsamkeit sowie dichtungstheoretische Positionen der Romantik vorweg. Auch von den Aufklärern wurde er als einer ihrer Vorläufer angesehen.
 
Ausgaben: Œuvres complètes, herausgegeben von J. E. A. Gosselin, 11 Bände (1848-52); Fénelon inédit, d'après les documents de Pistoia, bearbeitet von E. Jovy (1917); Correspondances, herausgegeben von J. Orcibal, auf mehrere Bände berechnet (1972 folgende); Madame Guyon et Fénelon. La correspondance secrète, herausgegeben von B. Sahler (1982); Œuvres, herausgegeben von J. Le Brun, auf mehrere Bände berechnet (1983 folgende).
 
Geistliche Werke, herausgegeben von F. Varillon (1961).
 
Literatur:
 
A. Chérel: F. au XVIIIe siècle en France, 1715-1820, 2 Bde. (Paris 1917, Nachdr. Genf 1970);
 E. Carcassonne: F., l'homme et l'œuvre (Paris 1946);
 J. H. Davis: F. (Boston, Mass., 1979);
 V. Kapp: Télémaque de F. (Tübingen 1982).
 

Universal-Lexikon. 2012.