Akademik

Hildesheim
Hịldesheim,
 
1) Kreisstadt in Niedersachsen, 91 m über dem Meeresspiegel, im Übergangsgebiet vom niedersächsischen Bergland (Hildesheimer Wald) zur Hildesheimer Lössbörde an der Innerste, 106 000 Einwohner. Die Stadt ist Sitz zahlreicher Landesbehörden (Niedersächsisches Landesamt für Zentrale Soziale Aufgaben, Niedersächsischer Landesrechnungshof, Niedersächsisches Landesamt für Ökologie), katholischer Bischofssitz und als kulturelles Zentrum Anziehungspunkt eines lebhaften Fremdenverkehrs; Universität, Fachhochschule Hildesheim/Holzminden, Niedersächsische Fachhochschule für Verwaltungs- und Rechtspflege, Niedersächsisches Landesinstitut für Fortbildung und Weiterbildung im Schulwesen und Medienpädagogik; Roemer- und Pelizaeus-Museum, Dom- und Diözesanmuseum, Stadtarchiv (mit wissenschaftlicher Bibliothek und historischen Dokumenten ab dem 12. Jahrhundert). Als Industriezentrum hat Hildesheim besonders Betriebe aus den Bereichen Autoradio-, Rundfunk- und Fernsehgerätebau, Autoelektrik, Maschinen- und Apparatebau, Druck- und Verlagswesen, Metallgießerei, Gummiverarbeitung, Anlagenbau sowie Industrie- und Tiefbau. Hildesheim liegt verkehrsgünstig und hat einen Hafen am Ende des Zweigkanals zum Mittellandkanal.
 
Stadtbild:
 
Der reiche Bestand an Fachwerkhäusern wurde 1945 weitgehend zerstört. Insbesondere am Markt versuchte man, das historische Erscheinungsbild des Vorkriegszustandes wiederzugewinnen (1984-89). So wurde z. B. 1987-89 das »Knochenhaueramtshaus« (1529), einst der bedeutendste Fachwerkbau Deutschlands, wieder aufgebaut und originalgetreu rekonstruiert (farbige Fassung 1994). Der fast völlig zerstörte Dom Sankta Mariä wurde in der unter Bischof Hezilo errichteten Form von 1054-79 wieder aufgebaut, die flach gedeckte romanische Basilika mit sächsischem Stützenwechsel und Westwerk besitzt erstrangige Kunstwerke, so die Bronzetüren des Bischofs Bernward (1015), die Bernwardssäule (nach 1015), einen Radleuchter (zwischen 1055 und 1065) und ein Bronzetaufbecken (um 1230) sowie einen reichen Domschatz; in der Krypta der Godehardschrein (1131/32); im gotischen Kreuzgang die Annenkapelle (1322). Die ottonische Kirche Sankt Michael, ebenfalls 1945 stark zerstört, wurde nach dem Muster des Bernwardsbaus von 1010-33 wieder errichtet, die gemalte hölzerne Mittelschiffdecke (13. Jahrhundert, mit einer Darstellung der »Wurzel Jesse«) gilt als ein Hauptwerk mittelalterlicher Monumentalmalerei. Die Stuckreliefs an den Querschiffarmen, die »Engelsemporen«, entstanden um 1230 (Datierung umstritten); in der Krypta die Bernwardsgruft (1015 geweiht). Die UNESCO erklärte den Dom und Sankt Michael zum Weltkulturerbe. Die päpstliche Basilika Sankt Godehard (1172 geweiht) mit Chorumgang besitzt vorzüglich Kapitellplastik. Romanische Heiligkreuzkirche (11. Jahrhundert ff.) mit ehemaligen Kollegiatsgebäuden; Sankt Mauritius (3. Viertel 11. Jahrhundert ff.) wurde im 18. Jahrhundert barockisiert. In den gotischen Neubau von Sankt Andreas (Ende 13. Jahrhundert-Anfang 16. Jahrhundert) wurde das romanische Westwerk (um 1140) einbezogen. Vor dem Rathaus (ursprünglich 13. Jahrhundert, spätere Veränderungen) der Marktbrunnen (ursprünglich 1540), daneben das Tempelherrenhaus (1457) mit Renaissanceerker (1591). Andreaneum (1960-62) und die Zwölf-Apostel-Kirche (1964-67) sind Werke von Dieter Oesterlen.
 
Geschichte:
 
An einer Innerstefurt entstand vermutlich im 8. Jahrhundert der Fernhandelswik Hildesheim, die Keimzelle der späteren Stadt. 815 gründete Kaiser Ludwig der Fromme das Bistum mit Domburg. Unter Bischof Bernward erlebte die Siedlung eine erste Blüte. Um 1000 erhielt Hildesheim Marktrecht. Der wachsende Handelsverkehr ließ seit der Mitte des 12. Jahrhunderts die Stadt eine weitgehende Selbstständigkeit vom Stadtherrn erreichen. 1367 schloss sich Hildesheim der Hanse an. Die Hildesheimer Stiftsfehde sowie der Dreißigjährige Krieg (1618-48) trugen zum Niedergang der Stadt bei. Mit der Säkularisation der geistlichen Staaten verlor Hildesheim seinen Status als Hauptstadt eines reichsunmittelbaren Fürstentums. Es fiel an Preußen, gehörte 1806-15 zum Königreich Westfalen, 1815-66 zu Hannover und danach wieder zu Preußen.
 
Literatur:
 
H., einst und heute, bearb. v. H.-G. Borck (31980);
 V. H. Elbern u. H. Wehmeyer: Dom u. Domschatz in H. (21991).
 
 2) Landkreis im Regierungsbezirk Hannover, Niedersachsen, 1 205 km2, 292 500 Einwohner. Der Nordteil des Kreises liegt in der Hildesheimer und Calenberger Lössbörde. Der größere südliche Teil erstreckt sich im Leinebergland (bis 394 m über dem Meeresspiegel); zwischen bewaldeten Höhenzügen (Hildesheimer Wald, Duinger Berg, Sieben Berge, Sackwald, Harplage) finden sich lösslehmbedeckte Senken und Flusstäler. Wirtschaftsschwerpunkt des Kreises ist die Kreisstadt Hildesheim, bis auf Sarstedt liegen die anderen Städte (Alfeld/Leine, Bad Salzdetfurth, Bockenem, Elze, Gronau/Leine) im Südteil. Zum vielseitig produzierenden Gewerbe gehören Metall-, Papier-, Zuckerindustrie und Kalisalzbergbau. Bad Salzdetfurth ist ein Moor- und Solbad. Die Landwirtschaft findet auf Lösslehm- und Lehmböden gute Voraussetzungen für den Weizen- und Zuckerrübenanbau.
 
 3) katholisches Bistum; 815 von Ludwig dem Frommen gegründet, umfasste es das Gebiet zwischen Leine, Oker, Aller und dem nördlichen Harzrand und gehörte zur Kirchenprovinz Mainz. 1802 säkularisiert, wurde das Bistum 1824 neu errichtet und in seinen Grenzen erheblich vergrößert (ebenfalls 1834 und 1929). Heute umfasst es auf einer Fläche von 30 000 km2 Teile des Landes Bremen und den größten Teil Niedersachsens. Bis zur Errichtung des Erzbistums Hamburg und der Bistümer Erfurt und Magdeburg (1994) erstreckte sich das Bistumsterritorium (33 500 km2) auch auf einen Teil Hamburgs und und reichte im geringen Umfang in die Länder Sachsen-Anhalt, Thüringen und (bis zur Rückgliederung des Amtes Neuhaus/Elbe nach Niedersachsen 1993) Mecklenburg-Vorpommern hinein. Seit 1929 Suffraganbistum von Paderborn, wurde Hildesheim 1994 Suffraganbistum der neu gebildeten Kirchenprovinz Hamburg. Bischof ist seit 1983 Josef Homeyer (* 1929). (katholische Kirche, Übersicht)
 
Literatur:
 
A. Bertram: Gesch. des Bisthums H., 3 Bde. (1899-1925).
 

Universal-Lexikon. 2012.