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Westfalen
West|fa|len; -s:
nordöstl. Teil von Nordrhein-Westfalen.

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I
Westfalen
 
Plural, westgermanische beziehungsweise deutsche Stamm, der sich von seinem Kernland zwischen Ems und Hunte bis Ende des 7. Jahrhunderts nach Süden und Westen ausdehnte und neben Angrivariern (Engern) und Ostfalen (Ostsachsen) einen Volksteil der Sachsen ausmachte. In den Sachsenkriegen (772-804) wurden sie von Karl dem Großen unterworfen.
 
II
Westfalen,
 
1) nördlicher Teil von Nordrhein-Westfalen; umfasst die Westfälische Bucht mit Teilen des Ruhrgebiets, das nordwestliche Weserbergland und das Sauerland, d. h. die Regierungsbezirke Münster und Arnsberg ganz und die westlichsten Teile des Regierungsbezirks Detmold. Hauptstadt ist Münster.
 
Literatur:
 
Westfäl. Forschungen, auf zahlr. Bde. ber. (1938 ff.);
 W. Vollmer: Westfäl. Städtebilder (1963);
 
Westfäl. Städteatlas, hg. v. H. Stoob, auf zahlr. Tle. ber. (1975 ff.);
 A. K. Hömberg u. W. Müller-Wille: W. Landschaftl. Ordnung u. Bindung eines Landes (21981);
 
W. u. angrenzende Regionen, hg. v. P. Weber u. a., 2 Tle. (1983);
 
Geographisch-landeskundl. Atlas von W., bearb. v. A. Mayr u. a., auf zahlr. Tle. ber. (1985 ff.).
 
 2) ursprüngliche Bezeichnung für einen der selbstständigen Herrschaftsräume (»Heerschaften«), in die das sächsische Stammesgebiet Ende des 8. Jahrhunderts gegliedert war (Westfalen, Engern und Ostfalen, daneben das Gebiet der weniger bedeutenden Nordleute). Westfalen erstreckte sich von der unteren Hunte nach Süden bis über die Ruhr, nach Osten in die Senne und nach Westen bis an die Issel. Damit schloss es den rechtsrheinischen Teil der Erzdiözese Köln ein. Nach Ausbildung des Herzogtums Sachsen schwand der Name Westfalen, lebte aber mit Zerschlagung des Herzogtums 1180 (Absetzung Heinrichs des Löwen) wieder auf, als dessen westlicher Teil als »Herzogtum Westfalen« (Westfalen 3) an das Erzstift Köln kam. Seitdem bezog sich der Name Westfalen auf das Land zwischen Weser und Rhein und seine Bewohner, während sich Sachsen (später Niedersachsen) als Territorialbezeichnung nur auf das Land zwischen Weser und Elbe bezog. - Im Spätmittelalter entstandene Gemeinschaftsbildungen wie Städtebünde, Hanse oder Landfriedenseinungen lehnten ihre Organisation an das Territorium an. Der Begriff Westfalen gewann dadurch als Herkunftsbezeichnung für die Bewohner des ganzen Raumes und ihrer Territorien Bedeutung. Die Zugehörigkeit der Herzogtümer Kleve und Berg war schwankend. Im Ganzen erhielt sich die überregionale Bedeutung des Namens Westfalen bis weit ins 19. Jahrhundert; das Eindringen außerwestfälischer Mächte (Hannover, Brandenburg-Preußen) änderte daran ebenso wenig wie die Teilung Westfalens 1815, durch die das nördliche Drittel (Osnabrück) Hannover und Oldenburg zugewiesen wurde, während das restliche Gebiet in Preußen aufging (Provinz Westfalen, Hauptstadt: Münster; Regierungsbezirk Münster, Minden und Arnsberg); Lippe blieb selbstständig. 1946 ging Westfalen in dem neu gebildeten Land Nordrhein-Westfalen auf. - Napoleon I. hatte 1807 das »Königreich Westphalen« gebildet (Hauptstadt Kassel, Westfalen 4).
 
Literatur:
 
W. Leesch: Zum geschichtl. Werden des Landesteils W. (Neuausg. 1973);
 G. Engel: Polit. Gesch. W.s (41980);
 G. Engel: Die Westfalen. Volk, Gesch., Kultur (1987);
 H. Klueting: Die Säkularisation im Herzogtum W. 1802-1834 (1980);
 H. Rothert: Westfäl. Gesch., 3 Bde. (41981);
 
Westfäl. Gesch., hg. v. W. Kohl, 5 Tle. (1-21983-84);
 P. R. Hömberg: Bibliogr. zur Vor- u. Frühgesch. W.s (1992);
 W. Kohl: Kleine westfäl. Gesch. (1994).
 
 3) ehemaliges Herzogtum, der in Westfalen gelegene Teil des Erzstifts Köln. Das 1180 entstandene Herzogtum Westfalen, durch Vereinigung von altkölnischem Besitz und Teilen des Erbes der Grafen von Werl mit der 1368 erworbenen Grafschaft Arnsberg gebildet, war im Spätmittelalter wichtige Stütze kurkölnischer Macht in diesem Gebiet. Das so aus dem Herzogtum Westfalen hervorgehende Kurfürstentum Köln umfasste jedoch nur den Kern von Westfalen (Sauerland). Der Name, nicht die Landeshoheit, wurde von der Herzogswürde der Erzbischöfe abgeleitet; insgesamt gelang es den Kurfürsten von Köln nicht, ihre herzoglichen Funktionen in ganz Westfalen auszuüben. In der Soester Fehde (1444-49) ging die Stadt Soest verloren und Arnsberg wurde der Hauptort des Territoriums. Daneben bestanden zahlreiche geistliche und weltliche Herrschaften (im Niederrheinisch-Westfälischen Kreis); von den zahlreichen Städten erlangte nur Dortmund die Reichsfreiheit. Seit dem 17. Jahrhundert fielen bedeutende Gebiete Westfalens an Brandenburg-Preußen (1614/66 Mark, Ravensberg und Kleve, 1648 Minden, 1702/07 Lingen und Tecklenburg, 1803 Ostteil des Oberstifts Münster sowie Paderborn). Das kurkölnische (Herzogtum) Westfalen kam 1803 an Hessen-Darmstadt (1815 an Preußen), das westliche Münsterland an ehemalige linksrheinische Geschlechter, Dortmund und Corvey kamen an Nassau.
 
 4) Westphalen, durch Dekret vom 18. 8. 1807 von Napoleon I. für seinen Bruder Jérôme gebildetes Königreich mit nahezu 40 000 km2 und etwa 2 Mio. Einwohner. Das Königreich, Mitglied des Rheinbundes, bestand u. a. aus Braunschweig, dem größten Teil Kurhessens, hannoverschen und sächsischen Gebieten sowie aus preußischem Territorium (Paderborn, Minden, Ravensberg, Münster, Hildesheim, Goslar, Altmark, Magdeburg, Halberstadt, Hohnstein, Quedlinburg, Eichsfeld, Mühlhausen, Nordhausen, Stolberg-Wernigerode); Hauptstadt war Kassel. Eingeteilt war das Land in die acht Departements Elbe, Saale, Harz, Oker, Leine, Werra, Weser und Fulda. Das als aufgeklärter Modellstaat gedachte Königreich erhielt eine am Liberalismus ausgerichtete Verfassung (November 1807), die den Code Napoléon als Gesetzbuch einführte. Beamtenschaft und Amtssprache waren fast ausschließlich deutsch. Die politischen Ziele (Aufhebung der Leibeigenschaft, Abschaffung der Standesvorrechte, Gewerbefreiheit) konnten nicht erreicht werden. Das nach dem Muster des französischen Kaiserreichs verwaltete Land litt unter den Steuereintreibungen und Aushebungen schwer. Die Befreiungskriege setzten dem Königreich Westfalen im Oktober 1813 (v. a. Völkerschlacht bei Leipzig) ein Ende.
 
Literatur:
 
J. Weidemann: Neubau eines Staates. Staats- u. verwaltungsrechtl. Unters. des Königreichs Westphalen (1936);
 H. Berding: Napoleon. Herrschafts- u. Gesellschaftspolitik im Königreich W. (1973).
 
III
Westfalen,
 
Arnold, A. von Westfalen.
 

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West|fa|len; -s: nordöstl. Teil von Nordrhein-Westfalen.

Universal-Lexikon. 2012.