Polyklet,
griechisch Polỵkleitos, Name von drei griechischen Bildhauern, vielleicht Mitglieder einer Familie:
1) Polyklet, griechischer Erzbildner aus Argos (nach Plinius dem Älteren aus Sikyon), neben Phidias der bedeutendste griechische Bildhauer, tätig etwa 450-410 v. Chr.; ausgebildet bei Hageladas in Argos. Seine in zahlreichen römischen Marmorkopien erhaltenen Bronzestatuen sind Hauptwerke der klassischen Epoche der griechischen Kunst. Am bekanntesten ist sein Doryphoros; er gilt als Musterbeispiel der von Polyklet in seiner (verlorenen) Schrift »Kanon« erörterten Maßverhältnisse (Proportionen) des menschlichen Körpers (Kanon), zugleich auch für die Ponderation des Polyklet, der seine stehenden Figuren auf einem Standbein (immer dem rechten) ruhen lässt, infolgedessen sich zum Ausgleich die Hüfte verschiebt (zum Spielbein, dessen Fuß nur noch auf Ballen oder Zehen steht), ebenso Oberkörper, Schultern und Kopf (der sich im klassischen Kontrapost zum Standbein neigt). Auch die nachfolgenden Bronzen zeigen diesen Körperaufbau in einer rhythmischen s-förmigen Kurve. Dem Doryphoros (um 440) voraus gehen, dem strengen Stil noch nahe, der Diskophoros (Diskuswerfer) und Hermes (von dem nur der Kopf des Originals in Kopien gesichert ist), auf den Doryphoros folgen ein Herakles (wichtigste Kopie in Rom, Thermenmuseum) und (um 430) Diadumenos, die am stärksten in den Raum ausgreifende Figur des Polyklet (wichtigste Kopien in Basel, Antikenmuseum, und Madrid, Prado); die Statue wird als Athlet oder als Apoll gedeutet, der Doryphoros zum Teil als Achill. Von den nach antiker Überlieferung im Wettstreit zwischen Polyklet, Phidias, Kresilas u. a. für das Artemision in Ephesos um 430 geschaffenen, in Kopien erhaltenen Statuen verwundeter Amazonen geht (nach A. Furtwängler und heute erneut vorgetragen) die Amazone Sciarra (Kopie in Kopenhagen, Ny Carlsberg Glyptotek; weitere Kopien in Oxford, Ashmolean Museum, und Berlin, Antikensammlung) auf Polyklet zurück. Bei dieser Statue ist der klassische Kontrapost durchgeführt.
Zur unmittelbaren Polyklet-Nachfolge zählen der Ephebe Westmacott (etwa 420-410; London, Britisches Museum), der Dresdner Knabe und der so genannte Narkissos (vielleicht Hyakinthos) im Louvre.
H. von Steuben: Der Kanon des P., Doryphoros u. Amazone (1973);
W. Sonntagbauer: Das Eigentliche ist unaussprechbar (1995).
2) Polyklet der Jüngere, P.Polyklet II., aus Argos, von Pausanias genannter, etwa 420/410-370/360 tätiger Bildhauer, Vertreter der peloponnesischen Polyklet-Schule von Argos, vielleicht Enkel von 1) und Bruder der Bildhauer Naukydes und Daidalos von Sikyon. Das bei Plinius dem Älteren für Polyklet (d. h. für Polyklet 1) genannte Goldelfenbeinbild der Hera im Heraion von Argos wird heute diesem jüngeren Polyklet zugeschrieben (um 405/400); sie ist u. a. auf argivischen Münzen wiedergegeben, im Museum of Fine Arts in Boston (Massachusetts) befindet sich eine Kopie dieses Sitzbildes. Angeschlossen werden u. a. so bedeutende Originale oder Kopien wie die Aphrodite von Epidauros (Athen, Nationalmuseum), die Hera Borghese (Kopenhagen, Ny Carlsberg Glyptotek), die so genannte Artemis von Aulis (Theben, Museum), die Hygieia Hope (Rom, Thermenmuseum), der Asklepios Doria (Florenz, Boboligarten) und die Aphrodite Fréjus (auch Kallimachos zugeschrieben).
3) Polyklet der Jüngere, P.Polyklet der Jüngste, Polyklet III., aus Argos, um 370 bis gegen Ende des 4. Jahrhunderts tätiger Bildhauer, vielleicht Neffe von 2) und Sohn des Bildhauers Naukydes; soll mit Lysipp zusammengearbeitet haben und war wohl auch am Hof Alexanders des Großen tätig; genannt werden u. a. ein Zeus und eine Agenorstatue für Olympia. Polyklet ist möglicherweise identisch mit dem von Pausanias als Baumeister des Tholos von Epidauros und des Theaters ebenda genannten Polyklet, das Theater ist allerdings wohl einem jüngeren Architekten hellenistischer Zeit zuzuschreiben.
Hier finden Sie in Überblicksartikeln weiterführende Informationen:
Polyklet: In Vollkommenheit erstarrt
Universal-Lexikon. 2012.