Ẹphe|sos, Ẹphe|sus:
altgriechische Stadt in Kleinasien.
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Ẹphesos,
lateinisch Ẹphesus, türkisch Ẹfes, antike Stadt an der Westküste Kleinasiens; ursprünglich an der Mündung des Kaystros (heute Küçük Menderes) gelegen; die Ruinenstätte liegt heute etwa 10 km landeinwärts, rd. 75 km südöstlich von İzmir bei dem Ort Selçuk, Türkei. - In ältester Zeit eine Siedlung der vorhellen. Karer, seit dem 10. Jahrhundert v. Chr. von Griechen aus Athen besiedelt, wurde Ephesos zum Mittelpunkt ionischen Griechentums und entwickelte sich zu einer reichen Handelsstadt mit wichtigem Hafen. Um 560 v. Chr. wurde sie vom Lyderkönig Krösus erobert. Ephesos vermied die Teilnahme am Ionischen Aufstand (500-494) und beteiligte sich, obwohl Mitglied des 1. Attischen Seebundes, ab 412 am Peloponnesischen Krieg auf der Seite Spartas. Die Stadt erlebte in hellenistisch-römischer Zeit eine weitere Blüte; unter den Römern (ab 133 v. Chr.) wurde sie Hauptstadt der Provinz Asia. Der Apostel Paulus gründete hier 54 n. Chr. eine der ersten großen Christengemeinden. 263 wurde Ephesos von den Goten zerstört, im 4. Jahrhundert (358, 365), im 7. Jahrhundert (614) von schweren Erdbeben verwüstet. Dennoch war die Stadt in byzantinischer Zeit ein bedeutendes politisches, wirtschaftliches, religiöses und kulturelles Zentrum sowie ein frühchristlicher Wallfahrtsort (nach der Legende war Ephesos der Sterbeort Marias). Von fortschreitender Versumpfung bedroht, verlagerte sich das Zentrum der Stadt mehr und mehr auf den Aya-Soluk-Hügel. Unter osmanischer Herrschaft (ab 1304, endgültig ab 1425) sank Ephesos zur Bedeutungslosigkeit herab und wurde ein Dorf.
Weit bekannt war Ephesos in der Antike durch den Kult der Artemis (Diana), der früh mit dem Kult der in Kleinasien unter verschiedenen Formen bekannten Kybele, »Magna Mater« (»Große Mutter«), synkretistisch verbunden worden war. »Groß ist die Diana der Epheser« war nach Apostelgeschichte 19, 23 ff. der Kampfruf von Silberschmieden, die ihr Geschäft durch die Predigt des Apostels Paulus geschmälert sahen. 431 n. Chr. tagte in der Marienkirche das von Kaiser Theodosius II. berufene 3. ökumenische Konzil (Ephesos, Konzil von Ephesos) und 449 die Räubersynode.
Die Lage des alten, auf vorgriechische Zeit zurückgehenden Heiligtums der Artemis-Kybele ist nicht geklärt; die ionische Stadt der ersten Hälfte des 1. Jahrtausends v. Chr. lag am Nordhang des Panayɪr Tepesi (griechisch Pion), an dessen Westhang später das griechisch-römische Theater entstand. Nordöstlich am Fuße der Erhebung fand der Engländer J. T. Wood 1863-74 Reste des großen Artemistempels (Artemision); er wurde an der Stelle einer Anlage des 8. Jahrhunderts v. Chr. im 6. Jahrhundert v. Chr. vom Baumeister Chersiphron als ionischer Großtempel (etwa 155 × 55 m, 127 Säulen) erbaut. 356 v. Chr. von dem Brandstifter Herostratos angezündet, wurde das Artemision wieder aufgebaut (reicher Skulpturenschmuck; viele Reliefs im Britischen Museum); es wurde zu den sieben Weltwundern gezählt. Durch die Goten wurde es 263 n. Chr. beschädigt; seit dem 4. Jahrhundert als Steinbruch benutzt. Die Reste des Altars lassen auf ein Hofheiligtum (ähnlich Pergamon) schließen. Die von Krösus in die Ebene verlegte Stadt blieb während der klassischen Zeit unbefestigt und wurde wegen des Schwemmsandes um 300 v. Chr. von Lysimachos erneut mitsamt ihrem Hafen nach Südwesten verlegt. Die Neugründung Arsinoeia wurde nach seiner Gemahlin Arsinoe II. benannt und mit einer 9 km langen Mauer umgeben.
1895 begannen die österreichischen Ausgrabungen der lysimach. Stadt, die noch heute andauern, ebenso der Wiederaufbau einzelner Gebäude. Ein Teil der Ummauerung ist erhalten; der Turm im Westteil am ehemaligen Hafen heißt irrtümlich »Gefängnis des heiligen Paulus«. Das hellenistische Theater aus dem 3. Jahrhundert v. Chr. wurde in römischer Zeit (1. Jahrhundert n. Chr.) für 24 000-30 000 Zuschauer erweitert und erneuert. Unter dem oströmischen Kaiser Arkadios (395-408) wurde die Straße vom Theater zum Hafen als 5 m breite Marmorprachtstraße (Arkadiane) ausgebaut. In Hafennähe lagen an ihr eine Agora, Thermen und ein Gymnasion. Nahe dem Theater befand sich eine zweite Agora (3. Jahrhundert v. Chr.; Ausgrabungen), westlich davon das große Serapeion (Mitte 2. Jahrhundert n. Chr.). Das Theater war durch eine Marmorstraße mit der Celsusbibliothek (zwischen 117 und 125 n. Chr.; Fassade wieder aufgebaut) verbunden. An ihrer Fortsetzung nach Südosten und einer weiteren Agora (für Staatsangelegenheiten) lagen Tempel für die Kaiser Domitian (1. Jahrhundert n. Chr.) und Hadrian (wieder aufgebaut; 2. Jahrhundert n. Chr.). Der Name »Kuretenstraße« bezieht sich auf Inschriften, die aus dem Prytaneion stammen (ein Teil wurde in den Scholasticathermen des 4. Jahrhunderts gefunden). Neben dem Prytaneion Reste des Odeion (2. Jahrhundert; für Senatssitzungen). Am Hang oberhalb der Kuretenstraße wurde ein vornehmes Wohnviertel freigelegt, oberhalb des Hadriantempels der Trajansbrunnen. - Die frühchristliche Marienkirche wurde im 3. Jahrhundert in ein über 260 m langes antikes Gebäude unbekannter Funktion (Bank ?) eingebaut. Die von Justinian I. errichtete Johanneskirche war ein kreuzförmiger Kuppelbau und wurde, wahrscheinlich nach dem Vorbild der Apostelkirche in Konstantinopel, über zwei Vorgängerbauten an der Stelle des legendären Apostelgrabs errichtet. Auf dem Aya-Soluk-Hügel liegt ein Kastell aus mittelbyzantinischer Zeit; an seinem Fuß steht die Isa-Bei-Moschee (1375), erbaut unter den turkmenischen Ayɪniden. Im Ort Selçuk befindet sich ein archäologisches Museum mit den für Ephesos charakteristischen »vielbrüstigen« Artemisstatuetten (Deutung umstritten), Mosaiken und dem Sarkophag von Belevi. - Die Nekropole in einer Schlucht östlich von Ephesos beherbergt die Grabstätte der Siebenschläfer von Ephesos (die um 250 lebenden christlichen jungen Männer sollen 200 Jahre geschlafen haben). - Panaya Kapulu, südlich von Ephesos, gilt als das Haus der Jungfrau Maria (heutiges Mauerwerk 6. oder 7. Jahrhundert). - 13 km von Ephesos entfernt, bei Belevi, ein von Quadern umgebener Tumulus und die Basis eines Mausoleums (Fläche 400 m2) des 3. oder 4. Jahrhunderts.
Die Inschriften von E., bearb. v. H. Vetters, 6 Bde. (1979-80);
H. Vetters:E. Vorläufiger Grabungsbericht 1983 (Wien 1985);
D. Knibbe: Der Staatsmarkt. Die Inschriften des Prytaneions. Die Kureteninschrift u. sonstige religiöse Texte (Wien 1981);
A. Bammer: Das Heiligtum der Artemis von E. (Graz 1984);
S. Karwiese: Groß ist die Artemis von E. (1995).
Hier finden Sie in Überblicksartikeln weiterführende Informationen:
Ephesos, Baalbek, Leptis Magna: Der Glanz der Stadtbaukunst
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Ẹphe|sos, Ẹphe|sus: altgriechische Stadt in Kleinasien.
Universal-Lexikon. 2012.