Akademik

Prager Frühling,

 

1) Musik: seit 1946 jährlich im Mai/Juni in Prag stattfindende Musikfestspiele, die traditionsgemäß am Todestag B. Smetanas (12. 5.) mit einer festlichen Aufführung der sinfonischen Dichtung »Mein Vaterland« eröffnet werden. Schwerpunkte des Programms sind neben Aufführungen zeitgenössischer Musik Komponistenjubiläen u. a. Die Festspiele sind begleitet von Ausstellungen und Symposien.

 

 2) Zeitgeschichte: Bezeichnung für den Liberalisierungs- und Demokratisierungsprozess in der ČSSR von Januar bis August 1968, in dessen Verlauf die neue Parteiführung unter A. Dubček - vorbehaltlich der führenden Rolle der KP - einen »Sozialismus mit menschlichem Antlitz« zu verwirklichen suchte (Tschechoslowakei, Geschichte). Das Experiment wurde durch die militärische Intervention der UdSSR und vier weiterer Staaten des Warschauer Paktes am 20./21. 8. 1968 gewaltsam unterbunden (94 Todesopfer, über 300 schwer Verletzte; pseudolegitimiert durch die Breschnew-Doktrin; als treibende Kraft wirkte v. a. W. Ulbricht). Die NVA war, wenn auch mit ihren Kampftruppen auf DDR-Territorium nur in Bereitschaft gehalten, umfassend in die Vorbereitung (u. a. Geheimtreffen der Generalsekretär der KPdSU, der SED sowie der ungarischen, polnischen und bulgarischen KP am 18. 8.) sowie Planung der Aktionen integriert. Im »Moskauer Protokoll« vom 26. 8. 1968 wurde das in die UdSSR verschleppte Politbüro der KPČ gezwungen, dem Abbau der Reformen zuzustimmen. Neuere Forschung (v. a. J. Pauer) lässt eine größere Verstrickung der reformkommunistischen Führung als bisher erwartet vermuten. - Die Niederwerfung des Prager Frühlings brachte das Ende reformkommunistischer Versuche; in der ČSSR entstanden informelle Gruppen, Repräsentanten des Prager Frühlings wurden zu Trägern der sich formierenden Bürgerbewegung (u. a. Charta 77).

 

Literatur:

 

H. Haefs: Die Ereignisse in der Tschechoslowakei. Vom 27. 6. 1967 bis 18. 10. 1968. Ein dokumentar. Bericht (1969);

 Z. Mlynář: Nachtfrost. Das Ende des P. F. (a. d. Tschech., 1988);

 

Zwanzig Jahre nach dem P. F., hg. v. G. Breuer (Wien 1989);

 J. Valenta: Soviet intervention in Czechoslovakia, 1968 (Baltimore, Md., 1991);

 R. Wenzke: Die NVA u. der P. F. 1968. Die Rolle Ulbrichts u. der DDR-Streitkräfte bei der Niederschlagung der tschechoslowak. Reformbewegung (1995);

 J. Pauer: Prag 1968. Der Einmarsch des Warschauer Paktes. Hintergründe - Planung - Durchführung (1995);

 L. Prieß u. a.: Die SED u. der »P. F.« 1968. Politik gegen einen »Sozialismus mit menschl. Antlitz« (1996).