Akademik

Ulbricht
Ụlbricht,
 
Walter, Politiker, * Leipzig 30. 6. 1893, ✝ Berlin (Ost) 1. 8. 1973; Tischler, zunächst (ab 1912) Mitglied der SPD, dann (ab 1919) der KPD, wurde 1923 in die Parteizentrale gewählt. Er trat dort v. a. als Organisator hervor (u. a. Aufbau der Partei auf der Basis von Betriebszellen). 1924/25 arbeitete er in Moskau im Apparat der Komintern. 1926-29 war er Mitglieder des Landtags von Sachsen, 1928-33 Mitglied des Reichstags; ab 1927 gehörte er dem ZK, ab 1929 auch dem Politbüro der KPD an. 1929-32 leitete er auch den Parteibezirk Berlin-Brandenburg-Lausitz-Grenzmark. Nach der nationalsozialistischen Machtübernahme 1933 emigrierte Ulbricht zunächst nach Frankreich, dann (1938) in die UdSSR. Er gewann in dieser Zeit eine programmatisch richtungweisende Funktion in der Exil-KPD (offiziell geführt von W. Pieck). 1936 bis 1938 nahm er als politischer Kommissar auf republikanischer Seite am Spanischen Bürgerkrieg teil. Nach dem deutschen Angriff auf die UdSSR beteiligte er sich führend an der Gründung des Nationalkomitees Freies Deutschland.
 
Als Vertrauensmann Stalins kehrte Ulbricht im Zuge des sowjetischen Vorstoßes auf Berlin am 30. 4./1. 5. 1945 an der Spitze der Gruppe Ulbricht nach Berlin zurück. Gestützt auf die SMAD, organisierte er als Mitglied des Sekretariats nach der deutschen Kapitulation (7. beziehungsweise 8./9. 5. 1945) den Wiederaufbau der KPD, brachte Mitglieder seiner Partei in Schlüsselpositionen der Berliner Stadtverwaltung und setzte 1946 den Zusammenschluss von KPD und SPD zur SED durch. Er war 1946-50 Mitglied ihres Zentralsekretariates und stellvertretender Parteivorsitzender und nahm in diesen Funktionen entscheidenden Einfluss auf die Umwandlung der SED in eine marxistisch-leninistische Kaderpartei; 1949 wurde er Mitglied ihres Politbüros. 1950 übernahm er die Führung der SED, zunächst als Generalsekretär, später (ab 1953) als Erster Sekretär. Im Bereich der sich unter sowjetischer Aufsicht bildenden Staatlichkeit in der SBZ war er 1946-50 Mitglied des Landtags von Sachsen-Anhalt, 1948/49 Mitglied des Deutschen Volksrates und der Deutschen Wirtschaftskommission.
 
In der DDR formierte Ulbricht als politisch bestimmende Persönlichkeit (neben seiner Parteifunktion 1949-55 stellvertretender Ministerpräsident, 1955-60 Erster Stellvertretender Ministerpräsident) diese im Sinne der sowjetischen Deutschlandpolitik zu einem kommunistischen Staat nach volksdemokratischem Muster (Sowjetisierung); er folgte dabei - sowohl ideologisch als auch praktisch-politisch - den Wendungen der sowjetischen Politik. Innerparteiliche Gegner schaltete er mit rigorosen Methoden, das heißt auch unter Anwendung von Verleumdung und Kriminalisierung politischer Reformvorschläge, aus: v. a. 1952 F. Dahlem, 1953 die Gruppe um W. Zaisser und R. Herrnstadt, 1958 K. Schirdewan und E. Wollweber. Ulbricht fügte die DDR fest in das politische und wirtschaftliche System des Ostblocks ein (deutsche Geschichte, Deutsche Demokratische Republik). Seit 1955 vertrat er in der Deutschlandpolitik die Zweistaatentheorie. Nach dem Tod des Staatspräsidenten W. Pieck (1960) übernahm Ulbricht neben seinen führenden Parteiämtern den Vorsitz des neu gebildeten Staatsrates (1960-73; damit faktisch Staatsoberhaupt) und die Leitung des Nationalen Verteidigungsrates (1963-72). Nach dem Bau der Berliner Mauer (1961) bemühte er sich innenpolitisch um Ausbau und Reform der Wirtschaft (NÖS; um 1966 gescheitert) und außenpolitisch - mit wachsendem Erfolg - um die internationale Anerkennung der DDR. Seit Mitte der 60er-Jahre suchte er deren Bewegungsfreiheit unter sowjetischer Vorherrschaft zu vergrößern; gegen Moskauer Verdikt unterhielt er Kontakte zu bundesdeutschen Politikern, ab 1969 zur sozialliberalen Koalition. Ulbricht gehörte 1968 zu den schärfsten Kritikern der reformkommunistischen Bestrebungen in der Tschechoslowakei. Sowjetisches Misstrauen und Meinungsverschiedenheiten in der SED-Spitze führten zu einem parteiinternen Putsch, infolge dessen es zum - von E. Honecker in Moskau vorbereiteten - Rücktritt Ulbrichts als SED-Chef kam (3. 5. 1971; fortan »Ehrenvorsitzender« der SED).
 
Literatur:
 
C. Stern: U. Eine polit. Biogr. (1963);
 E. W. Gniffke: Jahre mit U. (1966);
 P. C. Lutz: Parteielite im Wandel. Funktionsaufbau, Sozialstruktur u. Ideologie der SED-Führung (31970);
 N. Podewin: W. U. Eine neue Biogr. (1995);
 M. Kaiser: Machtwechsel von U. zu Honecker. Funktionsmechanismen der SED-Diktatur in Konfliktsituationen 1962 bis 1972 (1997).

Universal-Lexikon. 2012.