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Häuptling
Leiter; Führer; Oberhaupt; Hauptmann; Anführer

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Häupt|ling ['hɔy̮ptlɪŋ], der; -s, -e:
Anführer eines Stammes, Vorsteher eines Dorfes bei Naturvölkern:
der weise Häuptling beschwichtigte seine Krieger.
Syn.: Ältester, Haupt, Oberhaupt.

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Häupt|ling 〈m. 1
1. 〈bei traditionellen Völkern〉 Anführer eines Dorfes od. Stammes
2. 〈umg.; scherzh.〉 Anführer
[→ Haupt]

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Häupt|ling , der; -s, -e [urspr. = (Familien)oberhaupt, Anführer, seit dem Erscheinen von Coopers Indianererzählungen in der 1. Hälfte des 19. Jh.s speziell für das Oberhaupt eines Stammes bei Naturvölkern (als Übers. von engl. chief)]:
1. Stammesführer, Vorsteher eines Dorfes bei Naturvölkern:
der weise H. beschwichtigte seine Krieger.
2. (iron. abwertend) Anführer [einer Bande], leitende Persönlichkeit:
in seiner Gruppe avancierte er rasch zum H.

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Häuptling,
 
1) (Familien-)Oberhaupt, Anführer. - In Friesland, friesisch Hovetling, im 14./15. Jahrhundert Bezeichnung der militärischen und politischen Führer der Dorfgemeinde. Die Häuptlinge waren ursprünglich Bauern, die v. a. durch ihre auf Grundbesitz beruhende Wirtschaftsmacht aufgestiegen waren. Sichtbarer Ausdruck ihrer Macht waren neben einem bewaffneten Gefolge die »Burgen« (Steinhäuser, deren Bau den freien Friesen sonst untersagt war). Den Häuptlingen aus dem Geschlecht der Cirksena gelang die Einigung Ostfrieslands.
 
 2) Völkerkunde: die oberste Herrschaftsinstanz von Verwandtschafts- oder Lokalgruppen sowie eines Dorfes (Dorfhäuptling) oder Stammes (Stammeshäuptling). Häuptlinge sind Inhaber von Ämtern, deren Kompetenzen und Nachfolgeregeln (Erbschaft, Wahl, Designation u. a.) festgelegt sind. Ihre Machtmittel sind jedoch gering und beschränken sich weitgehend auf Überredung, Schlichtung, Vorbildhaftigkeit; sie sind daher auf die Mitarbeit der angesehenen Gruppenmitglieder angewiesen. Der Häuptling fungiert als die rituell-politische Integrationsfigur der Gruppe oder des Territoriums. Man kann zwei Typen von Häuptlingen unterscheiden: 1) »Älteste« von Lineages oder Klans sowie Vorstände von gleichrangigen Lokalgruppen (englisch headmen); 2) Oberhäupter von aus mehreren derartigen Primärgruppen zusammengesetzten Sekundärgruppen, wie z. B. Stämmen oder Gauen (englisch chiefs, französisch chefs).
 
Der Häuptling hat oft auch besondere religiöse Funktionen, z. B. Oberaufsicht über kollektive Riten. Dabei ergibt sich manchmal eine Konkurrenz mit dem in den politischen Bereich hineinwirkenden Medizinmann (so entstand bei den nordamerikanischen Shawnee im 19. Jahrhundert der exemplarische Konflikt zwischen dem Häuptling Tecumseh und seinem Bruder, dem Medizinmann Tenskwatawa). Der Häuptling gilt vielfach als Nachkomme des ersten Besiedlers der Region, des mythischen Vorfahren oder des Stammesgründers. Hieraus hat sich wohl die Idee des sakralen Herrschertums entwickelt (König).
 
Bei der Ausübung europäischer Kolonialherrschaft, v. a. in Afrika, waren die aus dem Mutterland entsandten Beamten auf einheimische Hilfskräfte angewiesen. Sie suchten sie (v. a. Großbritannien) unter den »echten« traditionellen Häuptlingen (System der Indirect Rule), die jedoch nicht immer zur Zusammenarbeit bereit waren. In diesen Fällen sowie bei Völkern, die keine Einzelperson als politische Autorität kannten, versuchten sie, durch eingesetzte Häuptlinge (z. B. Warrant Chiefs bei den Ibo in Ostnigeria) zu regieren. In den französischen Afrikakolonien wurden grundsätzlich Beauftragte der Verwaltung, oft aus den Reihen der pensionierten Soldaten, als Chefs de Canton (einer Gebietskörperschaft, die ohne Rücksicht auf Traditionen geschaffen wurde) eingesetzt.
 
Der Grad europäischer Schulbildung war bei afrikanischen Häuptlingen der Kolonialzeit sehr unterschiedlich; oft standen sie wegen geringer Bildung in Konkurrenz zu den Absolventen weiterführender Schulen, die für sich Aufstiegschancen in der »weißen« Verwaltung forderten. Eine klare Abgrenzung zwischen Häuptlingen und Herrschern vorkolonialer Staaten, deren Ämter unter der Kolonialherrschaft erhalten blieben, ist nicht möglich. Bis heute tragen (im englischen Sprachbereich) sowohl Angehörige der Monarchenfamilien den Häuptlingstitel (z. B. Chief G. M. Buthelezi bei den südafrikanischen Zulu) wie auch Politiker aus der Intellektuellenschicht (z. B. O. Awolowo in Nigeria). Dagegen wurde das Häuptlingswesen bei der Entkolonialisierung Französisch-Afrikas in der Regel abgeschafft. Mit dem wirtschaftlichen und politischen Versagen vieler nachkolonialer Regierungen Afrikas erstarkten traditionelle Autoritäten wieder, ohne dass dies notwendigerweise die Verfassungen beeinflusste.
 
Literatur:
 
M. H. Fried: The evolution of political society (New York 1967);
 E. R. Service: Ursprünge des Staates u. der Zivilisation (a. d. Engl., 1977);
 F. Nuscheler u. K. Ziemer: Polit. Herrschaft in Schwarzafrika (1980);
 P. Decraene: Vielle Afrique, jeunes nations (Paris 1982).
 
Weitere Literatur: Big Man.

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Häupt|ling, der; -s, -e [urspr. = (Familien)oberhaupt, Anführer, seit dem Erscheinen von Coopers Indianererzählungen in der 1. Hälfte des 19. Jh.s speziell für das Oberhaupt eines Stammes bei Naturvölkern (als Übers. von engl. chief)]: 1. Stammesführer, Vorsteher eines Dorfes bei Naturvölkern: der weise H. beschwichtigte seine Krieger. Die Trommler bearbeiten die mannshohen Tamtams weiter, während der junge H. seinem Zeremonienmeister seine kurzen Befehle erteilt (a & r 2, 1997, 98). 2. (iron. abwertend) Anführer [einer Bande], leitende Persönlichkeit: Die -e des sowjetischen KGB und des Ministeriums für Staatssicherheit (Hamburger Abendblatt 24. 8. 85, 25).

Universal-Lexikon. 2012.