Wert|ethik,
jene Richtung der Ethik, in der die Richtmaße für das sittliche Handeln als Werte verstanden und begrifflich gefasst werden. Meist wird dabei von einer Werthierarchie ausgegangen.
Die erste Wertethik wurde von den antiken Stoikern aufgestellt, die aus der Unterscheidung des unterschiedlichen Wertes von Zielen Weisungen für das richtige sittliche Handeln ableiteten. Allerdings setzte sich dieser Ansatz gegen das platonisch-idealistische Wertdenken, orientiert an der Idee des Guten, nicht durch und gelangte erst im 19. Jahrhundert zu neuer Wirksamkeit. Initiiert durch F. Brentanos Wertphilosophie, legte zunächst C. von Ehrenfels den Entwurf einer Wertethik vor. E. Husserl begründete die Hauptrichtung der Wertethik des 20. Jahrhunderts, die phänomenologische Wertethik, die 1913 durch M. Scheler sowie 1926 durch N. Hartmann eine jeweils eigene bedeutende Ausgestaltung erfuhr. Schelers materiale Wertethik geht von einer Werthierarchie aus (den Werten des Angenehmen, der Vitalsphäre, des Geistes sowie des Heiligen), auf die ein übersubjektives »Wertfühlen« angelegt ist, das die Rangordnung der an sich seienden Werte erkennt und die jeweils höheren Werte als das sittlich Gute handelnd realisiert. In einer umfangreichen Systematik, die versucht, Sinn und Inhalt des »Guten« zur Erscheinung zu bringen, führte Hartmann die Gedanken Schelers fort.
Kritisch nahm Robert Reininger (* 1869, ✝ 1955) zur materialen Wertethik Stellung, indem er auf die Subjektivität aller Werterkenntnis hinwies. Auch D. von Hildebrand gründete seine Wertethik nicht auf eine subjektunabhängige Wertrangordnung, sondern auf den Gegensatz von Wert und »für mich Wichtigem«. Jeder Wert besitzt dabei seine ideal ihm gebührende Antwort. Verschiedene Arten von Wertantwort sind z. B. Bewunderung, Begeisterung, Liebe, Realisierenwollen. Ein neues System phänomenologischer Wertethik entwarf H. Reiner, der das sittlich Gute auf ein Vorziehen »objektiv bedeutsamer« vor den nur »subjektiv bedeutsamen« Werten zu gründen suchte, der Wertrangordnung aber Bedeutung für das (vom Guten zu unterscheidende) »sittlich Richtige« beimaß.
R. Reininger: Wertphilosophie u. Ethik (31947);
N. Hartmann: Ethik (41962);
H. Reiner: Die philosoph. Ethik (1964);
H. Reiner: Die Grundl. der Sittlichkeit (21974);
M. Scheler: Der Formalismus in der Ethik u. die materiale W. (Bern 61980);
A. J. Buch: Wert - Wertbewußtsein - Wertgeltung. Grundlagen u. Grundprobleme der Ethik Nicolai Hartmanns (1982);
D. von Hildebrand: Sittlichkeit u. eth. Werterkenntnis (31982).
Universal-Lexikon. 2012.