Akademik

Hartmann
Hạrtmann,
 
1) Eduard von, Philosoph, * Berlin 23. 2. 1842, ✝ Groß-Lichterfelde (heute zu Berlin) 5. 6. 1906. Entscheidend durch den Idealismus beeinflusst, strebte Hartmann unter Einbeziehung von Elementen der Philosophie von F. W. J. Schelling und G. W. Leibniz - eine »Synthese Hegels und Schopenhauers« zu einem »konkreten Monismus« an, wobei er sein System mithilfe der empirisch-induktiven Methode der modernen Natur- und Geschichtswissenschaft aufbauen und absichern wollte. Im Einzelnen versuchte Hartmann mit seinem Begriff des »absoluten Unbewussten« erkenntnistheoretisch eine Synthese zwischen Hegels »absolutem Geist«, dem Willensbegriff A. Schopenhauers und Schellings Begriff des »Unbewussten«. Hartmann nimmt in seiner Axiologie zugleich einen optomistischen und pessimistischen Standpunkt ein, indem er sowohl den teleologisch-evolutionistischen als auch den eudämonologischen Maßstab gelten lässt. Als Gegner des Darwinismus war er Mitbegründer des Neovitalismus. Sein gegen die Illusion egoistischen Glücksstrebens gerichteter Pessimismus führte ihn in die Nähe des Buddhismus.
 
Werke: Philosophie des Unbewußten (1869); Geschichte der Metaphysik, 2 Bände (1899-1900); System der Philosophie im Grundriß, 8 Bände (herausgegeben 1907-09).
 
 2) Georg, Instrumentenbauer und Mathematiker, * Eggolsheim (bei Forchheim) 9. 2. 1489, ✝ Nürnberg 9. 4. 1564; lebte seit 1518 als Geistlicher in Nürnberg (Freundschaft mit W. Pirckheimer und A. Dürer), wo er sich um die Ausgabe von Manuskripten des Regiomontanus verdient machte und als Instrumentenbauer (Sonnenuhren, Astrolabien, Globen) große Bedeutung erlangte. 1544 entdeckte er die magnetische Deklination.
 
Literatur:
 
L. B. Ritvo: G. H., in: Dictionary of scientific biography, hg. v. C. C. Gillispie, Bd. 6 (Neuausg. New York 1981).
 
 3) Johann, Mathematiker und Naturforscher, * Amberg 15. 1. 1568, ✝ Marburg 7. 12. 1631; wurde 1592 Professor der Mathematik und 1609 Professor der Chemie in Marburg. Hartmann war der erste Lehrer der Chemie an einer europäischen Universität.
 
 4) Johannes Franz, Astronom, * Erfurt 11. 1. 1865, ✝ Göttingen 13. 9. 1936; war 1896-1909 am Observatorium in Potsdam, 1909-21 Professor in Göttingen, 1921-35 Direktor des Observatoriums in La Plata (Argentinien). Hartmanns wichtiges Arbeitsgebiet war die Astrospektroskopie (Erfindung des Mikrophotometers, 1899, des Spektrokomparators, 1904, und des Flächenphotometers, 1910). 1904 beobachtete er die stationären Calciumlinien im Spektrum des Sterns δ Orionis und konnte damit erstmals die Existenz interstellarer Materie beweisen.
 
Literatur:
 
R. Schmitz: J. H., in: Dictionary of scientific biography, hg. v. C. C. Gillispie, Bd. 6 (Neuausg. New York 1981).
 
 5) Johan Peter Emilius, dänischer Komponist, * Kopenhagen 14. 5. 1805, ✝ ebenda 10. 3. 1900; frühester Vertreter der musikalischen Romantik in Dänemark; übernahm mit seinem Schwiegersohn N. Gade und mit Holger Simon Paulli (* 1810, ✝ 1891) 1867 die Direktion des neu gegründeten Konservatoriums in Kopenhagen. Hartmann schrieb Opern (»Ravnen«, 1832; »Liden Kirsten«, 1846), das Melodram »Guldhornene« (1832), Ballette, Orchesterwerke (Sinfonie g-Moll, 1835), Kammermusik, Chorwerke, Lieder sowie Bühnenmusiken.
 
 
V. Bitsch: J. P. E. H. (Hellerup 1954);
 L. Brix: Die Klaviermusik von J. P. E. H. (Diss. Göttingen 1971).
 
 6) Karl Amadeus, Komponist, * München 2. 8. 1905, ✝ ebenda 5. 12. 1963; studierte in den 20er-Jahren bei J. Haas und H. Scherchen sowie 1942 bei A. Webern, machte sich jedoch die Kompositionsart der Schönberg-Schule niemals ganz zu Eigen. Seine Werke wurden 1933-45 nur im Ausland gespielt. 1945 begründete er in München die Konzertreihe »Musica viva« zur Aufführung zeitgenössischer Musik, die er bis 1963 leitete. - Hartmanns expressiv-humanistische Musik ist durch eine großräumig dimensionierte (sinfonische) Anlage, weit gespannte Melodiebögen und kunstvoll kontrapunktische Ausarbeitung charakterisiert.
 
Werke: Kammeroper »Simplicius Simplicissimus Jugend« (1935, nach Grimmelshausen, Uraufführung 1949, Neufassung 1955 als »Simplicius Simplicissimus«); Kantate »Lamento« (1936, nach A. Gryphius); 1. Sinfonie »Versuch eines Requiems« für Alt und Orchester (1937, nach W. Whitman); 2. Sinfonie »Adagio« (1946); 3. Sinfonie (1948-49); 4. Sinfonie (1947); 5. Sinfonie »Symphonie concertante« (1950); 6. Sinfonie (1951-53); 7. Sinfonie (1957/58); 8. Sinfonie (1960-62); »Concerto funebre« für Violine und Streichorchester (1939); 2 Streichquartette (»Carillon«, 1933; 1945-46); Konzert für Viola, Klavier, Bläser und Schlagzeug (1955); »Ghetto« für Alt, Bariton und Kammerorchester aus der Gemeinschaftskomposition »Jüdische Chronik« mit B. Blacher, P. Dessau, H. W. Henze und R. Wagner-Régeny (1960); Gesangsszene »Sodom und Gomorrha« für Bariton und Orchester (1963, nach J. Giraudoux).
 
Kleine Schriften (herausgegeben 1964).
 
 
K. A. H. u. die Musica viva. Essays, hg. v. R. Wagner (1980).
 
 7) Max, eigentlich Maximilian Hartmann, Biologe und Naturphilosoph, * Lauterecken (bei Kusel) 7. 7. 1876, ✝ Buchenbühl (heute zu Weiler-Simmerberg) 11. 10. 1962; seit 1909 Professor in Berlin, ab 1914 Direktor am Kaiser-Wilhelm-Institut, später Max-Planck-Institut für Biologie (Berlin, Hechingen, Tübingen). Er befasste sich mit den erkenntnistheoretischen und methodologischen Grundlagen der Naturwissenschaften.
 
Werke: Allgemeine Biologie, 2 Bände (1925-27); Die Sexualität (1943); Die philosophische Grundlage der Naturwissenschaften (1948); Einführung in die allgemeine Biologie. .. (1956).
 
 8) Moritz, österreichischer Schriftsteller, * Duschnik (bei Příbram) 15. 10. 1821, ✝ Oberdöbling (heute zu Wien) 13. 5. 1872; politischer Lyriker und Publizist, radikaler Demokrat; verließ 1844 Österreich, wandte sich nach Berlin und Leipzig, dann nach Paris, wo er mit H. Heine, H. Béranger und A. de Musset verkehrte; stand 1848 als Mitglied der Deutschen Nationalversammlung auf der äußersten Linken; war an der Wiener Revolution und am Badischen Aufstand beteiligt und lebte dann in der Schweiz, in England, im Orient, in Frankreich; 1862 Schriftleiter in Stuttgart, 1868 (nach Amnestie) Feuilletonredakteur in Wien, schrieb auch idyllische Dichtung, Romane, Novellen.
 
Werke: Kelch und Schwert (1845); Reimchronik des Pfaffen Maurizius (1849); Tagebuch aus Languedoc und Provence, 2 Bände (1852-53); Erzählungen eines Unstäten, 2 Bände (1858); Novellen, 3 Bände (1863); Nach der Natur, 3 Bände (1866); Die Diamanten der Baronin, 2 Bände (1868).
 
Ausgabe: Gesammelte Werke, herausgegeben von O. Wittner, 2 Bände (1907-08).
 
 
O. Wittner: M. H.s Leben u. Werke, 2 Bde. (Prag 1906-07).
 
 9) Nicolai, Philosoph, * Riga 20. 2. 1882, ✝ Göttingen 9. 10. 1950; war ab 1920 Professor in Marburg, ab 1925 in Köln, ab 1931 in Berlin, ab 1946 in Göttingen. Die frühen Arbeiten Hartmanns entstanden noch innerhalb der Marburger Schule des Neukantianismus (H. Cohen, P. Natorp). Der Aufbau einer eigenständigen Philosophie, die unter dem Einfluss der Phänomenologie (E. Husserl) und der philosophischen Tradition (Aristoteles, Scholastik, C. Wolff, G. W. F. Hegel) stand, hat ihren methodischen Ausgangspunkt in einer realistischen Ontologie. Durch sie will Hartmann den Rationalismus der traditionellen Wesensontologie überwinden. Ihren Apriorismus vermeidet er durch die phänomenologische Analyse lebensweltlicher und wissenschaftlicher Erfahrung, die zu den ontologischen Grundbegriffen und Grundgesetzen führte. Die materialistische Tendenz seines philosophischen Realismus wird durch die Unterscheidung von realem und idealem Sein aufgehoben. Hartmann unterscheidet eine reale und eine ideale Seinssphäre, auf der Seite des realen Seins eine anorganische, eine organische, eine seelische und eine geistige Schicht, während das ideale Sein das Gebiet des »objektiven Geistes« (Sprache, Wissenschaft, Kunst, ethische und ästhetische Werte usw.) umfasst. Die diesen Schichten entsprechenden Kategorienlehren wie auch die Erkenntnistheorie sind der Ontologie methodisch nachgeordnet. Folglich lehnt Hartmann die konstruktive Erkenntnistheorie Kants ab. Erkennen ist »Erfassen« der unabhängig vom Erkennenden bereits existierenden Wirklichkeit. Der vollständigen Erfassung der Wirklichkeit sind prinzipiell Grenzen gesetzt, die aber im Forschungsprozess erweitert werden können. Hinter diesen Grenzen beginnt das »Irrationale«. Gegenüber vielen Problemstellungen ist somit nur eine aporetische (Aporie) Haltung möglich. - Die Kategorien und Gesetze der Ethik gründen sich nach Hartmann auf eine Analyse, die der phänomenologischen Wertethik M. Schelers ähnlich ist. Da Hartmann zwar den absoluten Charakter des Sittlichen betont, aber jede Sinntranszendenz ausschließt, postuliert er in der Ethik - im Gegensatz zu Kant - den Atheismus, um das an der Erkenntnis der Werte sich orientierende freie Handeln zu ermöglichen.
 
Werke: Philosophische Grundfragen der Biologie (1912); Grundzüge einer Metaphysik der Erkenntnis (1921); Die Philosophie des deutschen Idealismus, 2 Bände (1923-29); Ethik (1926); Das Problem des geistigen Seins. Untersuchungen zur Grundlegung der Geschichtsphilosophie und der Geisteswissenschaften (1933); Zur Grundlegung der Ontologie (1935); Möglichkeit und Wirklichkeit (1938); Der Aufbau der realen Welt (1940); Philosophie der Natur (1950); Teleologisches Denken (1951); Ästhetik (herausgegeben 1953).
 
 
H. M. Baumgartner: Die Unbedingtheit des Sittlichen. Eine Auseinandersetzung mit N. H. (1962);
 A. J. Buch: Wert-Wertbewußtsein-Wertgeltung. Grundl. u. Grundprobleme der Ethik N. H.s (1982);
 
N. H., hg. v. A. J. Buch (1982);
 G. Lukács: Zur Ontologie des gesellschaftl. Seins, 2 Bde. (1984-86);
 M. Morgenstern: N. H. (1992).
 
 10) Paul, Schauspieler, * Fürth 8. 1. 1889, ✝ München 30. 6. 1977; spielte 1914-26 am Deutschen Theater Berlin, 1926-34 am Wiener Burgtheater, 1934-45 am Staatstheater Berlin. Er galt als namhafter Vertreter des Heldenfachs (Faust, 1941 und 1942, neben G. Gründgens als Mephisto; Wetter vom Strahl im »Käthchen von Heilbronn«, Jupiter in »Amphitryon«); spielte auch in Filmen.
 
Filme: Zur Chronik von Grieshuus (1925); F. P. 1 antwortet nicht (1932); Der Tunnel (1933); Der Schritt vom Wege (1939); Bal paré (1940); Bismarck (1940); Rittmeister Wronski (1954); Die Barrings (1955); Rosen für den Staatsanwalt (1959).
 
 11) Richard, Orientalist, * Neunkirchen (bei Eberbach) 8. 6. 1881, ✝ Berlin 5. 2. 1965; Professor in Leipzig, Königsberg (heute Kaliningrad), Heidelberg, Göttingen und Berlin; seine Forschungen galten v. a. der historischen Geographie, der Geschichte und der Literatur im Islam sowie dem Modernismus.
 
Werke: Das Sûfîtum nach al-Kuschairî (1914); Das Tübinger Fragment der Chronik des Ibn Tūlūn (1926); Im neuen Anatolien (1928); Die Religion des Islam (1944).
 
 12) Rudolf, Regisseur und Theaterleiter, * Ingolstadt 11. 10. 1900, ✝ München 26. 8. 1988; kam 1928 als Oberspielleiter nach Nürnberg, 1934 an die Staatsoper Berlin, wo seine Zusammenarbeit mit C. Krauss begann. Seit 1937 wirkte er an der Staatsoper München, deren Staatsintendant er 1952-67 war. Hartmann inszenierte zahlreiche Uraufführungen bedeutender Opern (R. Strauss, C. Orff, P. Hindemith), daneben v. a. Opern von W. A. Mozart und R. Wagner. Er schrieb »Das geliebte Haus. Mein Leben mit der Oper« (1975) und »Richard Strauss. Die Bühnenwerke von der Uraufführung bis heute« (1980).

* * *

Hạrt|mann, der <Pl. ...männer> (scherzh. veraltend): runder, steifer, schwarzer Herrenhut.

Universal-Lexikon. 2012.