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Sittlichkeit
Wertesystem; Ethik; Moralvorstellungen; Moral; sittliche Werte; Wertmaßstäbe; moralische Werte; Wertvorstellungen; Anstand; Sitte; Lauterkeit; Anständigkeit

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Sịtt|lich|keit 〈f. 20; unz.〉
1. Inbegriff dessen, was in einer Gesellschaft für gut, anständig, richtig gehalten wird
2. anständige innere Haltung, anständiges Verhalten

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Sịtt|lich|keit, die; -, -en:
1.↑ Sitte, (2)Moral (1 a):
die öffentliche S. gefährden.
2.↑ sittliches (2) Empfinden, Verhalten eines Einzelnen, einer Gruppe; Moral (1 b), Moralität (1):
ein Mensch ohne, von hoher S.

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I
Sittlichkeit,
 
umgangssprachlich die Sexualmoral; im engeren Sinn dem Sittengesetz entsprechendes Denken und Handeln, das auf freier Entscheidung beruht. »Moral« bezeichnet darüber hinausgehend auch die Gesamtheit herrschender ethischer Normen, »Ethos« eine sittliche Prinzipien entsprechende Haltung, die aber auf einen Bereich (z. B. Berufsethos) eingegrenzt sein kann; die Begriffe werden zum Teil synonym verwendet.
 
Sittlichkeit stellt einen Anspruch an den Menschen als freies Vernunftwesen dar, der nicht aufgrund einer zu erwartenden Anerkennung, sondern um ihrer selbst willen zu realisieren ist. Sie ist nicht auf einen bestimmten Gegenstandsbereich beschränkt, sondern bezieht sich auf die Gesamtheit menschlichen Tuns. Der Mensch handelt dann sittlich (moralisch, ethisch) gut, wenn er sich ihrem Anspruch stellt, sich die Ziele seines Handelns selbst gibt und das Gute zu verwirklichen sucht. Hier liegt der Gedanke zugrunde, dass der Mensch in seinem Verhalten zwar biologisch, psychologisch und soziokulturell bedingt ist, aber nicht vollständiger Determination unterliegt. Vielmehr kann er diese Bedingungen aufgrund seines sittlichen Wesens benennen, kritisch befragen und sich dann zu ihnen ablehnend oder anerkennend verhalten. So trägt der Mensch im Unterschied zum Tier Verantwortung für sein Verhalten. Inhaltlich wird der Begriff Sittlichkeit von verschiedenen ethischen Ansätzen unterschiedlich bestimmt: Während er in der Antike primär eudämonistisch ausgelegt wurde (Aristoteles), bezeichnet er bei I. Kant die Moralität des Subjekts, die als Ziel eine Übereinstimmung mit dem Sittengesetz einfordert (Pflicht, kategorischer Imperativ). In Kritik an Kant und im Rückgriff auf Aristoteles wird Sittlichkeit von G. W. F. Hegel politisch bestimmt und an die Institutionen (Familie, bürgerliche Gesellschaft, Staat) gebunden.
 
Literatur:
 
F. Wagner: Gesch. des S.-Begriffes, 3 Bde. (1928-36);
 O. F. Bollnow: Einfache S. (41968);
 D. von Hildebrand: Die Idee der sittl. Handlung (Neuausg. 1969);
 H. Reiner: Die Grundl. der S. (21974);
 A. M. Weiss: Sittl. Wert u. nichtsittl. Werte (Freiburg 1996).
II
Sittlichkeit,
 
veralteter Begriff für das menschliche Verhalten gemäß ungeschriebener Regeln, besonders in Bezug auf Sexualität. Diese Regeln waren und sind stark von religiösen Normen beeinflusst. Mit dem schwindenden Einfluss dieser Normen verliert auch der Begriff Sittlichkeit seine Bedeutung.

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Sịtt|lich|keit, die; -: 1. Sitte (2), ↑Moral (1 a): die öffentliche S. gefährden; Weil sie doch erst sechzehn ist ... Das kann er nicht verantworten, ist gegen die S. (Nachbar, Mond 133); Relativierung der religiös gebundenen Begriffe von Recht und S. durch die Philosophie (Fraenkel, Staat 259). 2. sittliches (2) Empfinden, Verhalten eines Einzelnen, einer Gruppe; ↑Moral (1 b), ↑Moralität (1): das geht gegen seine S.; ein Mensch ohne, von hoher S.

Universal-Lexikon. 2012.