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Zwei-plus-Vier-Vertrag
Zwei-plus-Vier-Vertrag,
 
Kurzbezeichnung für den »Vertrag über die abschließenden Regelungen in Bezug auf Deutschland« vom 12. 9. 1990, der zur außenpolitischen Absicherung der deutschen Einheit als völkerrechtlicher Vertrag über deren äußeren Aspekte zwischen den beiden deutschen Staaten und den vier Siegermächten des Zweiten Weltkrieges (Frankreich, Großbritannien, Sowjetunion, USA) in Moskau geschlossen wurde (in Kraft getreten am 15. 3. 1991).
 
Vorgeschichte:
 
Angesichts des dynamischen Einigungsprozesses der beiden deutschen Staaten verabredeten die Außenminister der Bundesrepublik Deutschland, der DDR und der vier Mächte Frankreich, Großbritannien, USA und Sowjetunion in Ottawa vom 11. bis 13. 2. 1990 das »Zwei-plus-Vier-Konzept«: Vereinbart wurde die Beteiligung der Siegermächte des Zweiten Weltkriegs an den Gesprächen der beiden deutschen Staaten über die »äußeren Aspekte der Herstellung der deutschen Einheit, einschließlich der Fragen der Sicherheit der Nachbarstaaten«. Nach Treffen in Bonn (5. 5. 1990), Berlin (22. 6. 1990) und Paris (17. 7. 1990, unter Beteiligung des polnischen Außenministers) konnte am 12. 9. 1990 nach letzten Verhandlungen in Moskau der »Vertrag über die abschließende Regelung in Bezug auf Deutschland« von den Außenministern der beiden deutschen Staaten und der vier Mächte unterzeichnet werden.
 
Inhalt:
 
Durch den Vertrag wurde die volle Souveränität Deutschlands über seine inneren und äußeren Angelegenheiten wiederhergestellt (Art. 7 Absatz 2). Mit dem vereinten Deutschland wurde kein neuer Staat geschaffen: Es handelt sich um die Wiederherstellung eines noch bestehenden, aber mangels institutionalisierter Organe nicht handlungsfähigen Völkerrechtssubjekts (Deutschland; Deutsches Reich, Rechtslage nach 1945), auf dessen Territorium seit 1949 zwei Staaten agierten. Der Vertrag wurde demnach von der Bundesrepublik Deutschland und der DDR im eigenen Namen abgeschlossen, gilt aber für das vereinte Deutschland als Vertragspartner und musste von diesem ratifiziert werden. Gleichzeitig verzichteten die vier Mächte auf alle mit der Besetzung Deutschlands verbundenen Rechte und Verantwortlichkeiten in Bezug auf Berlin und Deutschland als Ganzes. Sämtliche damit zusammenhängenden vierseitigen Vereinbarungen, Beschlüsse und Praktiken wurden beendet, alle entsprechenden Einrichtungen aufgelöst, z. B. die Militärmissionen. Art. 6 bekräftigt die volle Bündnisfreiheit des vereinten Deutschlands. Gemäß Art. 1 umfasst das Gebiet des vereinten Deutschlands die Bundesrepublik Deutschland, die DDR und Berlin. Deren Außengrenzen bilden die endgültigen Grenzen Deutschlands. Deutschland verzichtet darauf, Gebietsansprüche gegen andere Staaten zu erheben. Deutschland und Polen werden ihre gemeinsame Grenze in einem weiteren völkerrechtlichen Vertrag bestätigen (geschehen am 14. 11. 1990 im Deutsch-Polnischen Grenzvertrag). Deutschland verpflichtet sich im Art. 3, das Gewaltverbot einzuhalten, keine atomaren, biologischen oder chemischen Waffen herzustellen oder zu besitzen und innerhalb von drei bis vier Jahren seine Streitkräfte auf 370 000 Mann zu reduzieren. Die sowjetischen Truppen werden bis Ende 1994 abgezogen, worüber zwischen Deutschland und der Sowjetunion Abmachungen zu treffen waren (Art. 4; geschehen am 12. 10. 1990 im Deutsch-Sowjetischen Truppenabzugsvertrag nebst dem die Kosten regelnden Überleitungsabkommen vom 9. 10. 1990). Bis dahin durften auf dem Gebiet der früheren DDR nur deutsche Streitkräfte stationiert werden, die nicht in die Bündnisstruktur der NATO integriert waren; Art. 5 Absatz 2 sieht bis zum Abschluss des Abzuges der sowjetischen Streitkräfte auf deutschem Wunsch den Verbleib der Westalliierten in Berlin vor. Ausländische Streitkräfte und Kernwaffen oder deren Träger dürfen auch nach dem sowjetischen Abzug im Gebiet der früheren DDR weder stationiert noch dorthin verlegt werden.
 
Bedeutung:
 
Der Vertrag ist kein Friedensvertrag im herkömmlichen Sinn. Sofern aber ältere Verträge an den Abschluss eines Friedensvertrages Rechtsfolgen knüpfen, ist der Zwei-plus-Vier-Vertrag als solcher anzusehen. Neben diesen Verträgen ist der Zwei-plus-Vier-Vertrag mit weiteren völkerrechtlichen Verträgen verflochten, die teilweise durch ihn bedingt worden sind, so u. a. mit dem Deutsch-Polnischen Nachbarschaftsvertrag und dem Deutsch-Sowjetischen Wirtschaftsvertrag, beide vom 9. 11. 1990.

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Zwei-plus-vier-Ver|trag, der <o. Pl.> [der Vertrag wurde zwischen den beiden deutschen Staaten u. den vier Siegermächten des Zweiten Weltkriegs (Frankreich, Großbritannien, Sowjetunion, USA) geschlossen]: völkerrechtlicher Vertrag von 1990 über die äußeren Aspekte der deutschen Einheit.

Universal-Lexikon. 2012.