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Kernwaffen
Kernwaffen,
 
Nuklearwaffen, Atomwaffen, Sammelbezeichnung für alle Arten von Sprengkörpern (Flugzeug- und Wasserbomben, Flugkörpergefechtsköpfe, Artilleriegranaten, Minen), deren Wirkung auf der bei der Kernspaltung oder -fusion explosionsartig freigesetzten Energie beruht. Atomsprengkörper mit Kernmaterial zur Kernspaltung werden als nukleare Sprengkörper bezeichnet, jene mit Kernmaterial zur Kernfusion als thermonukleare Sprengkörper (Kernfusionswaffen; Wasserstoff- oder H-Bomben).
 
Einsatzmittel für Kernwaffen werden als Kernwaffenträger, Kernwaffensysteme oder nukleare Trägersysteme bezeichnet. Zu ihnen gehören die nachladbaren Abschussgestelle für mit einfachen (einen Atomsprengkörper enthaltenden) oder mit Mehrfachgefechtsköpfen versehene Flugkörper aller Art sowie die Flugkörper selbst (in Kräftevergleichen werden in der Regel nur die Abschussgestelle gezählt); Flugzeuge, die in der Lage sind, Atombomben, nukleare Cruisemissiles (ALCM) und nukleare kurz reichende Luft-Boden-Raketen (SRAM, Reichweiten bis 300 km) zu tragen (nuklearfähige Bomber, Jagdbomber); Artilleriegeschütze ab Kaliber 15 cm für den Verschuss von Atomgranaten (nuklearfähige Rohrartillerie). Im weiteren Sinn werden auch Schiffe und U-Boote, die nukleare Wasserbomben und Flugkörper tragen, als nukleare Trägersysteme bezeichnet, sie tauchen jedoch als solche kaum in Kräftevergleichen auf. - Kernwaffen und künstlich radioaktiv gemachtes Material (radioaktive Kampfstoffe) werden zusammengefasst als »atomare Kampfmittel« bezeichnet.
 
 Physikalische Grundlagen und Funktionsweise
 
Bei nuklearen Sprengkörpern dient als Material für die Kernspaltung entweder das Uranisotop U 235 (Uransprengkörper) oder das Plutoniumisotop Pu 239 (Plutoniumsprengkörper). U 235 kommt in natürlichem Uran nur zu 0,71 % vor und muss daher in speziellen Anlagen angereichert werden, Pu 239 wird in besonderen Brutreaktoren gewonnen. Seine Wirkung erzielt ein nuklearer Sprengkörper durch das Auslösen einer nuklearen, »unkontrollierten« Kettenreaktion. Um diese hervorzurufen, werden beim Zünden einer Kernwaffe zwei oder mehr unterkritische Kernbrennstoffmengen schussartig zu einer überkritischen Masse vereint. Abhängig vom Reinheitsgrad des Spaltmaterials kann man die kritische Masse bei Pu 239 mit 5-6 kg annehmen (Vollkugel mit etwa 4 cm Radius), bei U 235 mit 10-15 kg. Eine andere Zündart ist das plötzliche Entfernen von Neutronen absorbierenden Stoffen (z. B. Cadmium) aus einer kritischen Masse. Die bei beiden Zündarten hervorgerufene Kettenreaktion führt innerhalb von 5 · 10-6 s zur atomaren Detonation bei 50 Mio. Kelvin und einem Überdruck von 1 Mio. Bar. Der maximale Durchmesser des Feuerballs z. B. einer 20-kt-Bombe wird dabei mit 500 m nach 1 s erreicht und hält etwa 10 s an, bevor er durch Abkühlung kleiner wird.
 
Bei thermonuklearen Sprengkörpern entsteht die Energie durch das Verschmelzen (Fusion) leichter Atomkerne (v. a. schweren und überschweren Wasserstoffs) zu Helium. Da zur Einleitung einer solchen Reaktion sehr hohe Temperaturen erforderlich sind (bei einer Mischung Tritium/Deuterium rd. 50 Mio. Kelvin für einige μs), wird als Zünder ein nuklearer Sprengkörper verwendet.
 
Bei einem »Dreiphasensprengkörper« besteht der Kern aus Uran 235 oder Plutonium 239 als Zünder, es folgt eine dicke Schale aus schweren Wasserstoffisotopen und Lithium (Kernfusionsmaterial) und außen ein Mantel aus Uran 238. Es handelt sich hierbei um eine Waffe, bei der ein thermonuklearer »Zünder« in einer dritten Phase die Kernspaltung bei Uran 238 auslöst.
 
Die Detonationsenergie eines Atomsprengkörpers wird in Gewichtsäquivalenten des klassischen Sprengstoffs Trinitrotoluol (TNT) angegeben, ohne ihm jedoch in der Wirkung voll zu entsprechen. Die Detonationswerte reichen von etwa 0,05 kt (= 50 t) bis etwa 60 Mt (= 60 Mio. t). Der Detonationsnullpunkt (englisch ground zero) ist der lotrecht unter oder über dem Detonationspunkt liegende Punkt auf der Erdoberfläche.
 
Eine Kernwaffendetonation beginnt mit einem grellen Lichtblitz, um den sich eine Detonationswolke bildet. Danach entsteht ein Feuerball, der in einen Stamm aufsteigend Staub, Erde oder Wasser nach oben reißt, sowie um den Nullpunkt auf der Erdoberfläche die Basiswolke; das entstehende Gesamtgebilde nennt man »Atompilz«.
 
Einen Eindruck von der Kraft von Kernsprengladungen ergeben die Ausmaße der Sprengkrater, die bei Kernwaffendetonationen auf trockenem Sandboden entstehen:
 
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| Feuerbälle nuklearer Detonationen (nach A. Bühl)             |
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| Detonationswert     | maximaler Durchmesser      | Leuchtdauer    |
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| 1 kt                       | 150 m nach         | 0,3 s      | 2 s                  |
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| 20 kt                     | 500 m nach         | 1 s        | 10 s                |
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| 1 Mt                      | 2 000 m nach      | 10 s       | 1 min              |
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| 20 Mt                    | 7 000 m nach      | 20 s       | 2 min              |
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 Wirkungen
 
Die durch die Detonation eines Atomsprengkörpers verursachte Zerstörung beruht in einem gewissen Abstand zum Nullpunkt zu etwa 35 % auf thermischer Strahlung, zu etwa 15 % auf radioaktiver Strahlung (davon etwa 3 % Neutronenstrahlung mit einer für den Menschen tödliche Reichweite von rd. 2 km) und zu etwa 50 % auf der Druckwelle. Durch eine spezielle Konstruktion des Atomsprengkörpers kann der Anteil der radioaktiven Strahlung und hier der Neutronenanteil zulasten anderer Anteile vergrößert werden; man spricht dann - nicht ganz korrekt - von einer »Neutronenwaffe«. Während normalerweise die Reichweiten von thermischer Strahlung und Druckwelle weit über der der radioaktiven Strahlung liegen, werden sie bei »Waffen mit erhöhter Strahlung« (so der korrekte Ausdruck) einander angeglichen. Die zeitlichen und räumlichen Reichweiten der drei unmittelbaren Wirkungskomponenten sind je nach Waffentyp, Detonationswert, -art und -nullpunkt unterschiedlich.
 
Die thermische Strahlung äußert sich als Lichtblitz und Wärmestrahlung. Die Wärmestrahlung bewirkt infolge der großen Hitze auch über weite Entfernungen hinweg Hautverbrennungen bei Mensch und Tier, entflammbares Material entzündet sich (z. B. bei einer 1-Mt-Bombe Papier im Umkreis von 14 km).
 
Bei der radioaktiven Strahlung unterscheidet man Anfangs- und Rückstandsstrahlung. Die Anfangsstrahlung, bestehend aus Alpha-, Beta-, Gamma- und Neutronenstrahlen, geht unmittelbar vom Detonationsmittelpunkt aus und wirkt bis zu einer Minute. Derjenige Teil der radioaktiven Strahlung, der nach Ablauf einer Minute noch wirksam ist, ist die Rückstandsstrahlung. Sie besteht aus der neutroneninduzierten Strahlung und dem radioaktiven Niederschlag (Fall-out). Die neutroneninduzierte Strahlung (Alpha-, Beta- und Gammastrahlen) entsteht durch Umwandlung bestimmter Elemente der von der Anfangs-Neutronenstrahlung getroffenen Materie in radioaktive Isotope. In verstrahltem Gelände nimmt die Radioaktivität innerhalb der ersten 24 Stunden nach der Kernwaffendetonation stark ab (die neutroneninduzierte Gammastrahlung innerhalb von 15 Stunden um die Hälfte), nach einer Woche sinkt sie auf einen in der Regel nicht mehr lebensbedrohenden Wert ab. Der radioaktive Niederschlag fällt langsam zu Boden und verursacht hier je nach Dauer der Schwebezeit der Partikel mehr oder minder starke Verstrahlungen. Man unterscheidet lokalen Fall-out, der - innerhalb von 10-20 Stunden nach der Detonation niedergehend - in Entfernungen bis zu 400 km mit intensiver Strahlung wirkt, kontinentalen Fall-out, der - innerhalb einer Woche in Entfernungen bis zu 4 000 km niedergehend - lang anhaltende Verstrahlungen bewirkt, sowie weltweiten Fall-out, dessen Schwebeteilchen erst nach Monaten oder Jahren zur Erde gelangen.
 
Die Druckwelle, eine von der im Detonationspunkt vorhandenen erhitzten Luft ausgehende Stoßwelle, trifft mit donnerähnlichem Knall ein. Sie wird durch Erdbodenreflexion verstärkt und in der Reichweite vergrößert. Der Überdruck beträgt im Detonationspunkt bis zu rd. 1 Mio. Bar, sinkt jedoch - umgekehrt proportional der Entfernung - rasch ab. Die Detonationshöhe hat einen wichtigen Einfluss auf den Verlauf der Druckwelle und damit auf die von ihr u. a. ausgelöste Zerstörung von Gebäuden. Der Druckwelle folgt eine Unterdrucksphäre, die sich als starker Sog zum Detonationsherd hin äußert. (EMP, Strahlenschäden)
 
 Kernwaffenkategorien
 
Gegenwärtig existiert ein breites Spektrum an nuklearen Waffen, die jeweils nach Einsatzreichweite, Waffenwirkungsparametern (Zahl der Sprengköpfe pro Trägersystem, Sprengkraft pro Sprengkörper, Zielgenauigkeit) und Stationierungscharakteristika (land-, luft- oder seegestützte Stationierung, mobile oder stationäre Abschussvorrichtung) unterschiedliche militärische Bedeutung aufweisen. Da sich besonders aus der Reichweite einer Kernwaffe deren Bedeutung im militärstrategischen Spektrum ableitet, werden nukleare Waffensysteme v. a. hiernach klassifiziert und zum Zweck der relativen Vergleichbarkeit (in Kräftevergleichen und Verhandlungen) in bestimmte Reichweitenkategorien eingeteilt. In jeder Reichweitenkategorie gibt es unterschiedliche Trägersystemarten. So unterscheidet man: Strategische Nuklearkräfte (englisch Strategic Nuclear Forces) mit Reichweiten über 5 500 km; hierzu gehören ballistische Interkontinentalraketen (englisch Intercontinental Ballistic Missiles, Abkürzung ICBM), seegestützte ballistische Raketen (englisch Sea-launched Ballistic Missiles, Abkürzung SLBM) und strategische Langstreckenbomber. Mittelstrecken-Nuklearkräfte (englisch Intermediate-Range Nuclear Forces, Abkürzung INF) mit Reichweiten von 150-5 500 km; hierzu gehören Mittelstreckenbomber und Jagdbomber, Cruisemissiles und Mittelstreckenraketen. Die INF werden nochmals unterteilt in Mittelstreckenkräfte größerer Reichweite (englisch Longer-Range Intermediate Nuclear Forces, Abkürzung LRINF; 1 000-5 500 km) und solche kürzerer Reichweite (englisch Shorter-Range Intermediate Nuclear Forces, Abkürzung SRINF; 150 bis 1 000 km). Die letzte Kategorie wird gebildet von den Kurzstrecken-Nuklearkräften (englisch Short-Range Nuclear Forces, Abkürzung SNF) mit Reichweiten bis zu 150 km; hierzu gehören nuklearfähige Artilleriewaffen und Kurzstreckenraketen. Da die SNF für den Einsatz auf dem Gefechtsfeld im weiteren Sinn vorgesehen sind, werden sie auch als nukleare Gefechtsfeldwaffen bezeichnet.
 
 Sicherung gegen Missbrauch und Unfall
 
Neben einer strengen Bewachung und der »Zwei-Mann-Regel«, nach der mindestens zwei autorisierte Personen bei Handlungen an Kernwaffen zugegen sein müssen, sind Kernsprengkörper durch komplexe elektronische Sperrmechanismen (englisch permissive action links) gegen unbefugten Gebrauch geschützt. Um eine Zündung zu ermöglichen, müssen zwei getrennte Codes in den Sprengkopf eingegeben werden; falsche Codes führen zur völligen Funktionsunfähigkeit der Waffe.
 
Um sicherzustellen, dass bei einer unbeabsichtigten Detonation des chemischen Sprengstoffes - etwa bei einem Unfall - keine Nuklearexplosion stattfindet, werden moderne Kernsprengkörper so ausgelegt, dass der Spaltstoff im beschriebenen Fall unterkritisch bleibt und eine Nuklearexplosion prinzipiell unmöglich ist. Um zu verhindern, dass durch die Detonation des konventionellen Sprengstoffes in einem Nuklearsprengkörper durch Unfall oder Feuer toxische und radioaktive Substanzen in die Umwelt entweichen, wird bei neueren Kernwaffen die Detonationssicherheit gegenüber Feuer, kleinen Geschossen, Flugzeugabsturz und unbeabsichtigtem Bombenabwurf mithilfe eines speziellen Sprengstoffes wesentlich gesteigert.
 
 Geschichte und internationale Abkommen
 
Grundlage für die Entwicklung der Kernwaffen war die Entdeckung der Uranspaltung durch O. Hahn und F. Strassmann Ende 1938. Hierauf aufbauend untersuchte E. Fermi die Möglichkeit zur Erzeugung einer nuklearen Kettenreaktion, die ihm in Chicago (Illinois) am 2. 12. 1942 gelang. Nachdem A. Einstein 1939 und eine amerikanische Wissenschaftlerkonferenz am 6. 12. 1941 dem Präsidenten der USA die Empfehlung gegeben hatten, eine auf dem Prinzip der Kernspaltung beruhende Bombe zu bauen, errichtete man in den USA ab 1943 Großanlagen zur Gewinnung von Uran 235, der erste Plutonium erzeugende Reaktor wurde 1944 in Betrieb genommen. 1943 wurde unter der Leitung R. Oppenheimers in Los Alamos (New Mexico) ein Laboratorium aufgebaut, in dem im Rahmen des »Manhattan Project« die ersten Atombomben gefertigt wurden. Wegen der kritischen Größe konnte man die Sprengkörper nicht in verkleinerten Modellversuchen erproben.
 
Die erste Atombombe wurde am 16. 7. 1945 auf dem Versuchsgelände bei Alamogordo in New Mexico (USA) gezündet. Die zweite Bombe (Deckname »Little Boy«) explodierte am 6. 8. 1945 in 600 m Höhe über Hiroshima. Bei diesem Sprengkörper handelte es sich um eine 3,2 m lange zylindrische Flugbombe (Durchmesser 73 cm; Gesamtgewicht 4,5 t) mit einem ballgroßen, 60 kg schweren Uran-235-Kern, der bei der Detonation eine Sprengkraft von 13,5 kt freigab. Abgeworfen wurde die Bombe aus einem B-29-Bomber. Die dritte Bombe (Deckname »Fat Man«) wurde am 9. 8. 1945 über Nagasaki abgeworfen. Gefüllt war die eiförmige Bombe (Durchmesser 3,3 m; Gesamtgewicht 4 t) mit 8 kg Plutonium 239, der erreichte Detonationswert betrug 22 kt. Nach dem Abwurf der Atombomben auf Hiroshima und Nagasaki mehrten sich die kritischen Stimmen; A. Einstein und R. Oppenheimer sprachen sich gegen die Weiterentwicklung der Atombombe aus.
 
In den ersten Jahren nach Ende des Zweiten Weltkriegs verfügten die USA über ein uneingeschränktes Kernwaffenmonopol, das erst am 29. 8. 1949 durch die erfolgreiche Explosion der ersten sowjetischen Atombombe gebrochen wurde. In den Kreis der Staaten, die Kernwaffen besitzen, reihten sich seither folgende Mächte durch Zünden eines ersten nuklearen Sprengkörpers ein: Großbritannien (3. 10. 1952, Frankreich (13. 2. 1960, die Volksrepublik China (16. 10. 1964 und Indien (18. 5. 1974; weitere Staaten sind heute in der Lage, Kernwaffen herzustellen (Schwellenmächte). Die erste Zündung eines thermonuklearen Sprengkörpers gelang den USA am 1. 11. 1952 auf dem Eniwetok-Atoll, der UdSSR am 12. 8. 1953. Ebenfalls über H-Bomben verfügen Großbritannien und die Volksrepublik China (jeweils seit 1967) sowie Frankreich (seit 1968).
 
Ende der 50er-Jahre besaßen beide Supermächte Kernwaffenträger (Bomber und Raketen), mit denen sie das gegnerische Territorium erreichen konnten; der Zustand der gegenseitigen Abschreckung beziehungsweise des »atomaren Patts« war erreicht. Bedingt u. a. durch diese veränderte Situation kam es nach der Kubakrise 1963 zu ersten Ansätzen einer Entspannungspolitik zwischen den USA und der UdSSR. Zunächst verbesserte man die gegenseitige Kommunikationsfähigkeit durch Einrichtung des »heißen Drahts«, anschließend einigte man sich auf das Teststoppabkommen und den Kernwaffensperrvertrag. Da nach Eintreten des atomaren Patts die Drohung mit einem nuklearen Vergeltungsschlag als Reaktion auf einen konventionellen Angriff seitens des Warschauer Paktes unglaubwürdig geworden war, änderte die NATO in einem langwierigen Prozess ihre Militärstrategie und löste das Konzept der massiven Vergeltung 1968 durch das Konzept der flexiblen Reaktion (Flexible Response) ab, das bis 1991 gültig war.
 
Im Laufe der weiteren Entwicklung nuklearer Waffensysteme zeigten sich folgende Tendenzen: Reichweitenvergrößerung in allen Kategorien, Verbesserung der Treffgenauigkeit, Einführung landgestützter mobiler Systeme, zunehmende Verwendung von Mehrfachgefechtsköpfen. Dies veränderte nicht nur die Grundsätze der Militärstrategie grundlegend, sondern auch die Sicherheits- und Außenpolitik der Staaten, besonders der Groß- und Weltmächte. In den Konzeptionen der Kernwaffen besitzenden Mächte und ihrer Bündnispartner wurden Kernwaffen als politische Waffen betrachtet, sollte doch durch die gegenseitige Abschreckung ein globaler, atomar geführter Krieg verhindert werden; dabei galt - offiziell unausgesprochen - die Bevölkerung des potenziellen Gegners als »Geisel« (Nuklearstrategie). Kritiker dieser Politik bezweifelten wiederholt die friedenserhaltende Wirkung dieser Strategie und sahen in ihr ein destabilisierendes Element der Weltpolitik, denn das vorhandene Potenzial an Kernwaffen reichte aus, die Erde mehrfach zu verwüsten, ihre Bewohner um das Vielfache ihrer Zahl auszulöschen (»overkill capability«, Overkill) oder die Menschen mehrerer Generationen physisch und psychisch zu schädigen. Gegen die Bedrohung der Menschheit durch die militärische Nutzung der Kernkraft wandte sich deshalb v. a. die Friedensbewegung; sie verstärkte besonders seit den 1970er-Jahren den Druck auf die Kernwaffen besitzenden Mächte, im Rahmen von Abrüstungsverhandlungen die Bestände an Kernwaffen zu reduzieren und - letztendlich - aufzulösen. Durch den SALT-II-Vertrag (SALT) von 1979 konnte zwar die Zahl der Trägersysteme und Sprengköpfe limitiert werden, die Rüstungsdynamik hielt jedoch - bedingt durch das kontinuierliche Ersetzen älterer durch neue, qualitativ bessere Systeme - weiter an.
 
Mit dem Ende des Ost-West-Konflikts verloren Kernwaffen für die nuklearen Supermächte erheblich an Bedeutung. Durch die Implementierung des 1987 beziehungsweise 1991 abgeschlossenen INF- und START-I-Vertrags (INF, START) wurden aufseiten der USA und der UdSSR (beziehungsweise der GUS-Staaten Russland, Kasachstan, Ukraine und Weißrussland) alle landgestützten Mittelstreckensysteme (Reichweite von 500 bis 5 500 km) und deren Abschussvorrichtungen verschrottet sowie die Zahl der nuklearen Trägersysteme reduziert. Damit kam der Prozess der Modernisierung von Kernwaffen fast zum Erliegen und die Abrüstung einen wesentlichen Schritt voran. Die Rückführung der nuklearen Gefechtsköpfe aus Weißrussland, Kasachstan und der Ukraine an Russland wurde 1992 vereinbart und im Dezember 1996 abgeschlossen. Das Problem beim Abbau von Kernwaffen ist dabei weniger die Zerstörung der Waffenträger (Raketen, Flugzeuge, Schiffe/U-Boote) als vielmehr die Entsorgung der nuklearen Sprengkörper. Deshalb unterstützen zahlreiche westliche Staaten und Japan Russland bei der Beseitigung atomarer Waffen. Der START-II-Vertrag von 1993 sieht bis zum Jahr 2003 die Verringerung der in START I erlaubten Potenziale um nochmals die Hälfte vor und verbietet alle landgestützten Interkontinentalraketen mit Mehrfachsprengköpfen.
 
2002 wurde zwischen den USA und Russland ein Abkommen zur Reduzierung ihrer Nuklearsprengköpfe auf jeweils 1 700 bis 2 200 Einheiten bis zum 31. 12. 2012 geschlossen. Die Umsetzung dieses Vertrages würde bedeuten, dass die Kernwaffenarsenale beider Seiten auf etwa die im SALT-I-Abkommen von 1972 festgelegten Höchstgrenzen reduziert werden würden.
 
1995 wurde schließlich die unbefristete Verlängerung des Kernwaffensperrvertrages beschlossen. Die Genfer Verhandlungen über ein umfassendes und weltweites atomares Teststoppabkommen scheiterten 1996, obwohl die Atommächte mit Ausnahme Chinas und Frankreichs seit 1993 auf Atomtests verzichteten. Der Vertragsentwurf wurde deshalb 1996 der UN-Generalversammlung zur Unterzeichnung vorgelegt; er tritt aber erst in Kraft, wenn ihn alle Staaten mit nuklearer Kapazität ratifiziert haben. Da dieses Teststoppabkommen lediglich die herkömmlichen Tests, nicht aber die Entwicklung neuartiger atomarer Sprengköpfe verbieten soll, bleibt die Gefahr eines atomaren Wettrüstens, v. a. vonseiten der noch nicht Kernwaffen besitzenden Staaten, weiterhin bestehen.
 
Der Internationale Gerichtshof in Den Haag stellte in einem Gutachten 1996 klar, dass die Anwendung von Kernwaffen oder die Drohung des Einsatzes von Kernwaffen den Bestimmungen des Völkerrechts, v. a. der Menschenrechte, zuwiderlaufe. Nur in einem extremen Fall der Selbstverteidigung eines Staates könnte dies unter Umständen anders ausgelegt werden.
 
Literatur:
 
A. Bühl: Atomwaffen (31972);
 H. Hoffmann: Atomkrieg - Atomfrieden. Technik, Strategie, Abrüstung (1980);
 
United Nations. Die UNO-Studie: K. (a. d. Amerikan., 1982);
 
K. im Ost-West-Vergleich. Zur Beurteilung militär. Potentiale u. Fähigkeiten, hg. v. E. Forndran u. a. (1984);
 R. Rhodes: Die Atombombe oder die Gesch. des 8. Schöpfungstages (a. d. Amerikan., 1988);
 M. Dembinski: Nukleare Rüstungsdynamik u. Rüstungskontrolle in Europa nach dem Ende des Ost-West-Konflikts (1991);
 H.-M. Empell: Nuklearwaffeneinsätze u. humanitäres Völkerrecht (1993);
 T. Powers: Heisenbergs Krieg. Die Geheimgesch. der dt. Atombombe (a. d. Amerikan., 1993);
 J. Streich: Die neuen Atommächte (1993);
 R. Jungk: Heller als tausend Sonnen (Neuausg. 31994);
 G. Alperovitz: Hiroshima (a. d. Amerikan., 1995);
 
Das Zeitalter der Bombe. Die Gesch. der atomaren Bedrohung von Hiroshima bis heute, hg. v. M. Salewski (1995).

Universal-Lexikon. 2012.