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Spinnerei
Flausen (umgangssprachlich); Allüren

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Spin|ne|rei 〈f. 18
I 〈unz.〉
1. das Spinnen (, 2, 3)
2. 〈fig.; umg.〉 anhaltendes, lästiges Spinnen (4, 5.1, 5.2)
II 〈zählb.〉
1. Betrieb, in dem tierische, pflanzliche od. künstliche Fasern od. Spinnlösungen zu Fäden versponnen werden
2. 〈fig.; umg.〉 verrückter Gedanke, verrückte Idee, Tat

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Spin|ne|rei, die; -, -en:
1.
a) <o. Pl.> das Spinnen (1 a-c, e);
b) Betrieb, in dem aus Fasern o. Ä. Fäden gesponnen werden.
2. (ugs. abwertend)
a) <o. Pl.> [dauerndes] Spinnen (3 a):
das ist doch alles S.;
b) absonderliche, skurrile, spleenige Idee, Handlungsweise:
deine -en haben uns schon genug Geld gekostet.

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Spinnerei,
 
Herstellung von Garn aus Spinnfasern auf mechanischem Weg; auch Bezeichnung eines Betriebs, in dem Garn gesponnen wird. Als Rohstoff verwendet man natürliche Spinnfasern (Fasern) und Chemiespinnfasern (Chemiefasern). Auch die Herstellung der Monofile und Multifile für Chemiefaserendlosgarne wird als »Spinnen« bezeichnet. Eine Ausnahme bilden die Seidengarne, die aus den Kokons des Maulbeerspinners als Endlosgarne gewonnen werden. Dagegen werden die Seidenabfälle als Spinnfasern weiterverarbeitet.
 
Beim Handspinnen werden die Fasern aus dem Spinnrocken gezogen, geordnet, mit der Hand und mithilfe einer Handspindel gedreht und aufgewickelt. Mit dem Spinnrad wird der Faden durch eine Flügelspindel bereits mechanisch gedreht und aufgewunden; das Ordnen der Fasern geschieht noch von Hand.
 
Der älteste Zweig ist die Baumwollspinnerei (3- oder 4-Zylinderspinnerei, Kurzfaserspinnerei) mit im Wesentlichen folgenden Ablaufstufen: Öffnen, Reinigen und Mischen der Faserstoffe auf dem Batteur, Herstellung eines Spinnfaserbandes auf der Karde, Vergleichmäßigen des Produktes und Längsorientierung der Fasern durch Doppeln und Verziehen der Bänder auf der Strecke. Das weitere Verfeinern und Drehen des Faserbandes zu einem Vorgarn erfolgt auf dem Flyer. Das letzte Verziehen bis zur gewünschten Garnfeinheit und das Aufwinden wird auf der Ringspinnmaschine durchgeführt. Für besonders feine und saubere Ringspinngarne wird bei der Baumwollverarbeitung ein Kämmprozess eingeschaltet. Ein heute häufig angewandtes Spinnverfahren ist auch das Offenendspinnen (OE-Spinnen). Dazu zählen das Rotorspinnen und das Friktionsspinnen. Beim Rotorspinnen entfällt die Vorgarnherstellung, weil direkt Streckenbänder vorgelegt werden können. Die erreichbare Produktion pro Spinnstelle ist bis zum Siebenfachen höher als auf der Ringspinnmaschine. Die gefertigten Garne sind stärker strukturiert (kein paralleler Faserverlauf) und haben eine geringere Festigkeit als vergleichbare Ringspinngarne.
 
In der Kammgarnspinnerei (Wollspinnerei, Langfaserspinnerei) wurde früher nur Wolle versponnen. Heute mischt man häufig mit Chemiespinnfasern, auch als Melange. Der Spinnprozess ist im Prinzip dem der Baumwollspinnerei ähnlich, weil auch hier das Garn durch Doppeln und Verziehen von Spinnfaserbändern gebildet wird. Baumwoll- und Kammgarnspinnerei werden auch unter dem Oberbegriff »Streckwerk-S.« eingeordnet. Die Aufbereitung der Wolle erfordert zunächst einen Waschprozess und das Auskämmen von Kurzfasern und Unreinigkeiten, im eigentlichen Spinnprozess folgt häufig ein weiteres Waschen und Nachkämmen. Die Maschinen der Kammgarnspinnerei sind der größeren Faserlänge angepasst. Die Strecken haben besondere Faserführungssysteme (Hechel), das Vorgarn kann statt auf dem Flyer auch ohne echte Drehung durch Nitscheln (Nitschelwerk) auf einer Nitschelstrecke (Finisseur) hergestellt werden.
 
Beim Streichgarnverfahren (2-Zylinderspinnerei, Vigognespinnerei, Imitatgarnspinnerei) kommen nahezu alle spinnfähigen Faserstoffe mittlerer und kurzer Stapellänge zur Verarbeitung (Abfallspinnerei), auch gefärbte oder melierte Garne aus Reißbaumwolle oder vorher gefärbte Faserabfälle (Buntspinnerei). Man arbeitet nach einem eigenen Spinnprinzip: Anstelle eines Spinnfaserbandes wird auf einer Krempel der Flor in Streifen geteilt und durch Nitscheln direkt zum Vorgang geformt (deshalb auch als »Teilungsspinnen« bezeichnet). Das Mischen und Öffnen der Faserstoffe erfolgt in der Wolferei auf dem Krempelwolf. Neben der Ringspinnmaschine ist hier auch noch vereinzelt der Selfaktor als Feinspinnmaschine anzutreffen.
 
Geschichtliches:
 
Die primitivste Form der Spinnerei ohne Werkzeuge wurde durch Rollen der Fasern zwischen den Händen oder auf den Schenkeln ausgeführt (drillen). Die ältesten Spindeln waren vermutlich aus Holz; als Schwunggewichte dienten meist aus Ton gefertigte Spinnwirtel. Die weitere Mechanisierung des Spinnens erfolgte in Europa im 13. Jahrhundert durch das handbetriebene Spinnrad. Das Spinnen ging zunächst diskontinuierlich vor sich, d. h., Spinnen und Aufwickeln des gesponnenen Garns wechselten einander ab. Erst das Flügelspinnrad ermöglichte ein kontinuierliches Spinnen. Das Tretspinnrad kam zu Beginn des 16. Jahrhunderts auf. Die späteren wichtigen Erfindungen wurden in England gemacht. R. Arkwright schuf 1769 die erste brauchbare Flügelspinnmaschine, die er 1775 für Wasserkraft- und 1790 für Dampfkraftantrieb ausgestaltete. 1767 mechanisierte J. Hargraves das Handspinnrad und schuf die Wagenspinnmaschine (mit acht Spindeln). S. Crompton konstruierte die Mulemaschine. Daraus entstand 1825/30 durch R. Roberts der Selfaktor. Die Kämmmaschine konstruierte 1844 J. Heilmann. Die Ringspinnmaschine wurde 1830 in den USA entwickelt. Für die Wollspinnerei waren die Erfindung des Wollschlägers (1733) durch John Kay (* 1704, ✝ 1764), des Klettenwolfs durch T. R. Williams (1826), der Wollwaschmaschine durch den Berliner Tuchmacher Sehlmacher (1833) sowie die Verbesserung der Kämmmaschine durch Sam Lister (* 1815, ✝ 1906; 1850) und J. Noble (1853) von Bedeutung. - Die weitere Entwicklung in der Spinnerei ist u. a. durch die Verwendung von Rollenlagerspindeln und Regelmotoren zur Erhöhung der Spindeldrehzahlen, durch die Konstruktion von Streckwerken mit Höchstverzügen zur Einsparung von Vorspinnpassagen und durch die Offenendspinnerei gekennzeichnet.
 
 
A. Bohnsack: Spinnen u. Weben (Neuausg. 17.-18. Tsd. 1989);
 A. Seiler-Baldinger: Systematik der textilen Techniken (Neuausg. Basel 1991).
 
Hier finden Sie in Überblicksartikeln weiterführende Informationen:
 
Textiltechnik: Garne
 

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Spin|ne|rei, die; -, -en: 1. a) <o. Pl.> das Spinnen (1a-c, e) ; b) Betrieb, in dem aus Fasern o. Ä. Fäden gesponnen werden. 2. (ugs. abwertend) a) <o. Pl.> [dauerndes] Spinnen (3 a): das ist doch alles S.; Saublödes Gerede. Der soll seine -en lassen (Spiegel 51, 1977, 28); hör doch auf mit der S.!; b) absonderliche, skurrile, spleenige Idee, Handlungsweise: deine -en haben uns schon genug Geld gekostet; Nein, ein Mann der Wissenschaft ... brauchte ... kein Parteiprogramm und nicht die -en der Weltverbesserer (Drewitz, Eingeschlossen 106); Die breite Welle der Mystery-Produkte hat aus den belächelten -en von Phantasten einen bedeutenden Trend der Unterhaltungsindustrie geschaffen (Woche 11. 4. 97, 15).

Universal-Lexikon. 2012.