Rẹcht|schreib|re|form 〈f. 20〉 Reform, Neuregelung der Rechtschreibung
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Rẹcht|schreib|re|form, die:
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Rechtschreibreform,
Orthographiereform, die Änderung des geltenden Schreibgebrauchs, des orthographischen Systems einer Sprache aus sprachwissenschaftlichen, pädagogischen und gesellschaftlichen Gründen. Rechtschreibreformen zielen auf eine optimale Funktionserfüllung der geschriebenen Sprache ab; einerseits wird leichtere Erlernbarkeit und bessere Beherrschung der Rechtschreibung angestrebt, andererseits soll eine schnelle Überschaubarkeit und leichte Erfassung des Geschriebenen ermöglicht werden. Eine Rechtschreibreform darf das vertraute Schriftbild nicht zu stark verändern, muss den Bedürfnissen sowohl der Schreiber als auch der Leser Rechnung tragen und gesellschaftliche Faktoren (z. B. Schwierigkeiten und Kosten bei der Umstellung, Auswirkungen, das Verhältnis zur Tradition) berücksichtigen.
Die Bemühungen, die deutsche Rechtschreibung zu vereinfachen und zu verbessern, setzten schon bald nach der Einführung des Buchdrucks ein. Da die Schrift den Wandlungen der gesprochenen Sprache nicht oder nur langsam folgt, ging es bei den Reformbestrebungen v. a. darum, Aussprache und Schreibung in Einklang zu bringen, d. h. möglichst eindeutige Laut-Buchstaben-Beziehungen (Phonem-Graphem-Entsprechungen) herzustellen. Eines der bedeutendsten Reformprogramme vor der amtlichen Regelung der deutschen Rechtschreibung im Jahre 1901, das von F. G. Klopstock, folgte strikt dem phonetischen Prinzip; J. Grimm dagegen wollte die Orthographie des Deutschen nach dem historisch-etymologischen Prinzip ändern.
Nach der Durchsetzung einer einheitlichen orthographischen Norm für das Deutsche zu Beginn des 20. Jahrhunderts wurden zahlreiche Reformprogramme entwickelt. Am heftigsten umstritten war stets die Frage der Groß- oder Kleinschreibung. Die wichtigsten Programme sind die »Leitsätze aus der Sachverständigen-Beratung über die Vereinfachung der Rechtschreibung« (1921), das »Rechtschreibungsprogramm des 7. Vertretertages des Bildungsverbandes der deutschen Buchdrucker« (1931), die »Vorschläge des Vorausschusses zur Bearbeitung der Frage der Rechtschreibung bei der deutschen Verwaltung für Volksbildung« (1946), die »Empfehlungen zur Erneuerung der deutschen Rechtschreibung« (1954; Stuttgarter Empfehlungen), die »Empfehlungen des Arbeitskreises für Rechtschreibregelung« (1958; Wiesbadener Empfehlungen), das »Gutachten zu einer Reform der deutschen Rechtschreibung« (1975) und die Vorschläge des Internationalen Arbeitskreises für Orthographie »Deutsche Rechtschreibung. Vorschläge zu ihrer Neuregelung« (1993), die in überarbeiteter Form in die amtliche Neuregelung eingingen. Die darin erarbeiteten Reformvorschläge betreffen im Wesentlichen sechs Bereiche: 1) Laut-Buchstaben-Zuordnungen; 2) Getrennt- und Zusammenschreibung; 3) Schreibung mit Bindestrich; 4) Groß- und Kleinschreibung; 5) Zeichensetzung; 6) Worttrennung am Zeilenende.
Auf der Wiener Orthographiekonferenz vom November 1994 wurden die Vorschläge zur Neuregelung der deutschen Rechtschreibung zur Annahme empfohlen. Nach Österreich und der Schweiz stimmte die Ständige Konferenz der Kultusminister der deutschen Länder der Reform auf ihrer Sitzung vom 30. 11.-1. 12. 1995 zu. Am 14. 12. 1995 schlossen sich die Ministerpräsidenten der Länder dem Votum der Kultusminister an. Schließlich wurde die Neuregelung der deutschen Rechtschreibung am 1. Juli 1996 durch eine zwischenstaatliche Vereinbarung der an der Reform beteiligten Länder formell verabschiedet. Die neue amtliche Rechtschreibung wurde am 1. 8. 1998 eingeführt und soll ab 1. 8. 2005 besonders für Schulen und Behörden verbindlich sein; bis dahin gelten Schreibungen nach dem alten Regelwerk im Unterricht nicht als Fehler. - Das Bundesverfassungsgericht erklärte am 14. 7. 1998 den Weg der Einführung der Rechtschreibreform für rechtmäßig.
Die Neuregelung greift nur behutsam in die tradierte Schreibung ein. So erfolgen Angleichungen nach dem Stammprinzip (z. B. »Gämse« wegen »Gams«). »ß« steht nur noch nach langem Vokal, nach einem kurzen folgt »ss« (z. B. »fließen«, aber: »Fluss«). Vermieden wurde eine forcierte Eindeutschung von Fremdwörtern. Es bleibt also bei Schreibungen wie »Rhythmus« und »Apotheke«; ph kann in Wörtern mit »phon«, »phot« und »graph« zu f eingedeutscht werden (also auch: »Geografie«, aber nur: »Katastrophe«). Weiter gibt es Veränderungen bei der Getrennt- und Zusammenschreibung (nur noch »sitzen bleiben«) und der Groß- und Kleinschreibung (nur noch »im Dunkeln tappen«; »in Bezug« wie heute schon »mit Bezug«). Die Zeichensetzung wurde teilweise liberalisiert. So ist z. B. in Zukunft das Komma zwischen mit »und«/»oder« verbundenen vollständigen Hauptsätzen freigestellt (»Sie liest ein Buch[,] und er schreibt einen Brief.«). Bei der Worttrennung am Zeilenende darf verstärkt auch nach Sprechsilben getrennt werden (neu: »Pä-dagoge«, »Helikop-ter«, »Wes-te«).
Die Einführung der Rechtschreibreform war umstritten, neben inhaltlicher Kritik trat ab 1997 zunehmend die rechtliche Frage, ob die Rechtschreibreform per Erlass eingeführt werden dürfe oder eine gesetzliche Grundlage notwendig sei. Das Bundesverfassungsgericht erklärte am 14. 7. 1998 den Weg der Einführung der R. für rechtmäßig.
Rechtschreibreformen wurden auch in anderen Sprachen durchgeführt (dänische Sprache, niederländische Sprache, norwegische Sprache, schwedische Sprache). Ein Hauptproblem ist hierbei immer die Anpassung der Fremdwortschreibung. Im Unterschied etwa zum Englischen und Französischen bietet die Rechtschreibung des Italienischen und Spanischen kaum orthographische Probleme, da sie auf einer phonologisierenden Schreibung beruht. (Schriftreform, Sprachreform)
Dt. Rechtschreibung mangelhaft? Materialien u. Meinungen zur R., hg. v. G. Augst (1974);
D. Nerius: Unterss. zu einer Reform der dt. Orthographie (Berlin-Ost 1975);
Die dt. Rechtschreibung u. ihre Reform. 1722-1974, hg. v. B. Garbe (1978);
H.-G. Küppers: Orthographiereform u. Öffentlichkeit. Zur Entwicklung u. Diskussion der R. Bemühungen zw. 1876 u. 1982 (1984);
P. Gallmann: Graph. Elemente der geschriebenen Sprache. Grundl. für eine Reform der Orthographie (1985);
G. Drosdowski: Rechtschreibung u. R. aus der Sicht des Dudens (1987);
Dt. Rechtschreibung. Vorschläge zu ihrer Neuregelung, hg. vom Internat. Arbeitskreis für Orthographie (21993);
Dt. Rechtschreibung. Regeln u. Wörterverz., hg. vom Internat. Arbeitskreis für Orthographie (1995);
P. Gallmann u. H. Sitta: Duden. Die Neuregelung der dt. Rechtschreibung. Regeln, Komm. u. Verz. wichtiger Neuschreibungen (1996);
Zur Neuregelung der dt. Orthographie, hg. v. G. Augst u. a. (1997);
T. Ickler: Die sogenannte R. Ein Schildbürgerstreich (1997).
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Rẹcht|schreib|re|form, die: Reform der ↑Rechtschreibung (1).
Universal-Lexikon. 2012.