Akademik

Stereochemie
Ste|reo|che|mie 〈[ -çe-] f.; -; unz.〉 Zweig der Chemie, der den räumlichen Aufbau von Molekülen untersucht [<grch. stereos „fest, starr“ + Chemie]

* * *

Ste|re|o|che|mie [ stereo- u. Chemie] Teilgebiet der Chemie, das sich mit der räumlichen Anordnung der Atome im Molekül befasst, mit Atomabständen, Wirkungsquerschnitten u. Bindungswinkeln sowie mit den daraus folgenden Einflüssen auf die chem., enzymatischen, physiol. u. physikal. Eigenschaften der Verbindungen. Speziell beschäftigt sich die S. mit Konfiguration u. Konformation der Verb., zu deren eindeutiger Beschreibung sie sich spezif. Präfixe u. Stereodeskriptoren bedient, mit Chiralität u. optischer Aktivität, mit Stereoisomerie u. Enantiomerentrennung, mit Stereoselektivität bzw. -spezifität von chem. u. enzymatischen Reaktionen u. der Änderung der Reaktivität z. B. durch Baeyer-, Pitzer- oder Prelog-Spannung (vgl. sterische Hinderung). Als Hilfsmittel zur Veranschaulichung der Molekülstrukturen benutzt die S. Molekülmodelle (2), Projektionsformeln (Stereoformeln), stereoskopische Abbildungen u. Computeranimationen.

* * *

Stereochemie,
 
Teilgebiet der Chemie, das sich mit dem räumlichen (sterischen) Aufbau der Moleküle befasst. Zur Darstellung des räumlichen Molekülaufbaus dienen perspektiv. oder Keilstrichformeln, Projektionsformeln (»Fischer-Projektionsformeln«) oder mithilfe von Computern hergestellte Stereobilder, die einen direkten Raumeindruck vermitteln. Stereoisomere sind Verbindungen mit derselben Summenformel und Konstitution, deren Atome sich aber in der räumlichen Anordnung (Konfiguration, Konformation) unterscheiden (Isomerie).
 
Die Klassifizierung von Stereoisomeren kann nach ihren Symmetrieeigenschaften erfolgen: Enantiomere sind Stereoisomere, deren Moleküle sich wie Bild und Spiegelbild zueinander verhalten (Chiralität). Sie haben sehr ähnliche physikalische, aber unterschiedliche physiologische (z. B. Giftigkeit) und sensorische (z. B. Geruch) Eigenschaften. Enantiomerie (Spiegelbildisomerie) tritt auf, wenn vier unterschiedliche Atome oder Atomgruppen tetraedrisch um ein Zentralatom (Chiralitätszentrum) angeordnet sind. Ist das Zentralatom ein Kohlenstoffatom, wird es asymmetrischen Kohlenstoff-(C-)Atom genannt. Verbindungen mit mehreren asymmetrischen C-Atomen, die sich nur in einem Asymmetriezentrum voneinander unterscheiden, werden als Epimere bezeichnet (z. B. α-D-Glucose und α-D-Mannose). Enantiomere zeigen optische Aktivität, sie werden deshalb auch optische Isomere genannt. Optisch aktive Verbindungen drehen die Schwingungsebene des linear polarisierten Lichtes. Die Konfiguration am asymmetrischen C-Atom bezeichnet man unabhängig vom Drehsinn der Verbindung (der durch den Zusatz (+) für rechtsdrehend oder (—) für linksdrehend gekennzeichnet wird) mit D- (Abkürzung für dextrogyr, abgeleitet von lateinisch dexter »rechts«), wenn sie der des rechtsdrehenden, mit L- (Abkürzung für lävogyr, abgeleitet von lateinisch laevus »links«), wenn sie der des linksdrehenden Glycerinaldehyds entspricht (D/L-Nomenklatur). Nach der von Robert Sidney Cahn (* 1899, ✝ 1981), C. Ingold und V. Prelog 1951 eingeführten R/S-Nomenklatur werden die vier direkt an ein Chiralitätszentrum gebundenen Atome a, b, c, d nach abnehmender Ordnungszahl Z geordnet. Bei Atomen mit derselben Ordnungszahl wie z. B. bei den Gruppen —CH3 und —COOH geben Ordnung und Anzahl der nächststehenden Atome (H beziehungsweise O) den Ausschlag, wobei ein doppelt gebundenes Atom wie zwei Einzelatome zählt. Das Molekül wird dann so orientiert, dass das Atom mit der niedrigsten Ordnungszahl (bei Glycerinaldehyd: H) nach hinten gerichtet ist. Sind die Gruppen a, b, c (bei Glycerinaldehyd: —OH, —COH, —CH2OH) dann im Uhrzeigersinn angeordnet, verwendet man das Symbol R (von lateinisch rectus »rechts«), bei einer Anordnung entgegen dem Uhrzeigersinn das Symbol S (von lateinisch sinister »links«).
 
Bei Vorliegen von Diastereoisomerie verhalten sich die Moleküle, die Diastereoisomeren (Diastereomeren), nicht wie Bild und Spiegelbild. Das ist z. B. bei den unterschiedlichen Molekülformen der cis-trans-Isomerie der Fall, die auftritt, wenn Paare von Atomen oder Atomgruppen über eine Doppelbindung starr miteinander verbunden sind. Die Atome oder Atomgruppen haben bei der cis-Form den kleineren, bei der trans-Form den größeren Abstand zueinander.
 
Eine Unterteilung von Stereoisomeren ist auch nach dem Mechanismus möglich, nach dem sich diese ineinander umwandeln lassen. Konfigurationsisomere sind nur schwer (z. B. unter Spaltung von Bindungen) ineinander überführbar. Konformationsisomere (Konformation) lassen sich leicht (z. B. durch Rotation von Bindungen) ineinander überführen. Ein Beispiel dafür sind die »Sesselform« und die »Wannenform« des Cyclohexans. Bei stereoselektiven Reaktionen wird von zwei oder mehr möglichen Stereoisomeren eines bevorzugt gebildet. Stereospezifische Reaktionen führen von stereochemisch definierten Reaktionspartnern nur zu ganz bestimmten stereochemisch definierten Produkten. Stereospezifität ist charakteristisch z. B. für die Diels-Alder-Reaktion, v. a. aber für enzymatische Reaktionen. Wegen der unterschiedlichen physiologischen Wirksamkeit von bestimmten Stereoisomeren haben stereospezifische Reaktionen bei der Synthese von pharmazeutischen Wirkstoffen, Aminosäuren und Enzymen große Bedeutung.
 
Die Stereochemie wurde 1874 von J. A. Le Bel und J. H. van't Hoff begründet. Die Messung der optischen Drehung ist die älteste Methode zur Untersuchung von Stereoisomeren (Enantiomeren). Heute werden für stereochemische Untersuchungen bevorzugt die IR- und NMR-Spektroskopie, bei Kristallen auch die Röntgenstrukturanalyse verwendet.
 

* * *

Ste|reo|che|mie, die; -: Teilgebiet der Chemie, in dem die räumliche Anordnung der Atome in einem Molekül erforscht wird.

Universal-Lexikon. 2012.