Mühle (umgangssprachlich); Tretmühle (umgangssprachlich); Routine; Joch; Alltagstrott; täglich Brot (umgangssprachlich); Tagesgeschäft
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All|tag ['alta:k], der; -[e]s, -e:1. Werktag:
die Feier fand an einem Alltag statt.
2. <ohne Plural> gleichförmiges tägliches Einerlei:
der graue Alltag; nach den Ferien in den Alltag zurückkehren.
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Ạll|tag 〈m. 1; unz.〉
1. Gesamtheit der Wochen-, Werktage
2. die gewohnten, sich täglich wiederholenden Handlungen u. Geschehnisse
● im \Alltag
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Ạll|tag , der; -[e]s, -e <Pl. selten> [zu älter alletag = täglich, gewöhnlich]:
1. <o. Pl.> tägliches Einerlei, gleichförmiger Ablauf im [Arbeits]leben:
der politische, berufliche A.;
der graue A. hat uns wieder;
aus dem A. ausbrechen.
2. <Pl. selten> Werktag, Arbeitstag:
die Feier fand an einem A. statt.
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Alltag,
die Lebensverhältnisse und Handlungsformen einzelner Menschen, kleiner und größerer Gruppen und von Gesellschaften, eingebettet in bestimmte religiöse, kulturelle und soziale Traditionen und historische Entwicklungen, so wie sie sich als einmaliges Ereignis, als immer wiederkehrende und wenig beachtete Routinetätigkeit, als Erlebtes und Erlittenes zeigen; dabei werden oft bestimmte Verhaltensmuster und Mentalitäten fest ausgeprägt. In der Erforschung des Alltags stellten sich u. a. die Fragen nach Essen und Schlafen, nach Hunger und Durst, nach Arbeit und Freizeit (z. B. Reisen), nach Volksfrömmigkeit und Brauchtum, d. h. nach den Grundkomponenten (»Bausteinen«) des Lebensgefühls; Fragen also, die dicht an den einzelnen, oft anonymen Menschen und dessen unmittelbaren Lebensbereich heranzukommen suchen.
Auch Philosophie, Psychologie und Soziologie untersuchen den Alltag, insbesondere das »Alltagwissen«, das Wissen um Verhaltensmuster, deren Kenntnis von den jeweils Beteiligten stillschweigend vorausgesetzt wird (z. B. Gruß-, Anrede- und Gesprächsformen oder Arten des Gedenkens und Feierns). Diesbezügliche Forschungen wurden u. a. von der phänomenologisch orientierten Soziologie (A. Schütz) unternommen, die den Begriff der »Lebenswelt« entwickelte. Mit verfeinerter Methodik wird das Alltagshandeln von der Ethnomethodologie und dem symbolischen Interaktionismus untersucht; richtungweisend wurden auch die historisch orientierten Arbeiten von N. Elias. Es wird auch von »Mythen« des Alltags gesprochen (R. Barthes), die das Leben des Menschen beeinflussen (z. B. einprägsame Werbung). - Aus religiös-philosophischer Sicht wird oft ein bewussteres Leben im Alltag gefordert.
Mit der Erforschung der Alltagsgeschichte zeigen sich auch in der Geschichtswissenschaft Bemühungen, die anthropologische Dimension der Geschichte, d. h. die auf den Menschen und sein erlebtes und erlittenes Schicksal bezogenen Ereignisse, also die spezifische Ausprägung der Lebensverhältnisse und des Lebensgefühls beziehungsweise der Erfahrungsräume in vergangenen Epochen (u. a. Denk-, Empfindungs- und Verhaltensweisen) zur Richtschnur und zum Darstellungsrahmen der Forschung zu machen (»Geschichte von unten« als ein wesentlicher Teil der Alltagsgeschichte; Historische Anthropologie). Schon ab Ende der 20er-Jahre orientierte sich die französische Historiographie um M. Bloch, L. Febvre und F. Braudel (»École des Annales«) mit ihrer Abkehr von der »Ereignis-« zur »Strukturgeschichte« auch auf die Erforschung von »Mentalitäten« (»histoire des mentalités«) und »Lebens-Welten«. In Großbritannien besitzt die Erforschung der Alltagsgeschichte (historische Alltagsforschung) ebenfalls eine gewisse Tradition (»Peoples history»). In Deutschland wurde sie erst ab Ende der 70er-Jahre bedeutsam.
Wesentliche Anstöße zur Erforschung der Alltagsgeschichte und der historischen Volkskultur (»popular culture«, »subaltern studies«) der nicht herrschenden Schichten, v. a. der bäuerlichen und städtischen Unterschichten des 16.-19. Jahrhunderts, kamen aus Italien (C. Ginzburg), Frankreich (E. Le Roy) und Großbritannien.
In der Hinwendung zur Mikrohistorie ist die interdisziplinäre Forschung, bereichert auch durch Fragestellungen und Methoden der historischen Soziologie (insbesondere der historischen Familienforschung), der Kultursoziologie und der Sozialanthropologie, des Interaktionismus u. a., bestrebt, das in hohem Maße veränderl., stets vom Wandel der sozialen Verhältnisse und der allgemeinen geschichtlichen Rahmenbedingungen, aber auch von religiösen und kulturellen Traditionen sowie sozialen Gewohnheiten mitbeeinflusste, zum Teil an bestimmte kalendaristische Ordnungen (Brauchtum usw.) gebundene, jeweils schichten-, altersgruppen-, geschlechts- und regionalspezif. Alltagsleben der Vergangenheit mit allen seinen Einflüssen auf die Herrschafts- und Volkskultur in seiner Entwicklung und konkreten Ausformung zu rekonstruieren. Sie kann hierbei u. a. auch an ältere Forschungen der Volkskunde und Ergologie, der deutschsprachigen Universal- und Kulturgeschichtsschreibung des 19./20. Jahrhunderts sowie der Kunstgeschichte (A.Warburg) anknüpfen. Der allgemeine Gang der politisch-gesellschaftlichen Entwicklung einer Region, eines Landes beziehungsweise eines Kontinents wird kritisch gemessen in seinen Auswirkungen auf die Privatsphäre der Menschen (u. a. Arbeitsbedingungen, Familienleben, Gemeinschaftsleben, Festkultur und Geselligkeit, Traditionen in Sitten und Gebräuchen, soziale Protestformen usw.), wobei in hohem Maße Quellen herangezogen werden, die das Lebensgefühl der »kleinen Leute«, also der nicht privilegierten Gruppen, und ihr »privates Leben« unmittelbar wiedergeben (u. a. alle privaten Aufzeichnungen beziehungsweise Notizen wie Tagebücher, Haushaltsrechnungen, Hausbücher, aber auch Herrschaftsakten). Die Oral History erlebte eine neue Beachtung.
Obwohl in den letzten Jahren zahlreiche, oft regional und lokal begrenzte, auf bestimmte Zeitabschnitte bezogene Einzel- und Mikrostudien erschienen und Forschungsergebnisse zu nahezu allen Zeitperioden, Völkern und Kontinenten vorliegen, existieren in unserem Wissen über den Alltag der Menschen in der Vergangenheit noch große Lücken.
H. Lefèbvre: Kritik des Alltagslebens, 3 Bde. (a. d. Frz., 1-21975-76);
A. Heller: Das Alltagsleben (a. d. Ungar., 1978);
A. Plack: Philosophie des A. (1979);
Umwelt u. A. in der Psychologie, hg. v. H. Fielkau u. a. (1981);
P. Ahlheit: Alltagsleben (1983);
Gesch. von unten, hg. v. H. C. Ehalt (1984);
Gerhard Müller: A. u. Identität (1985);
Gesch. des privaten Lebens, hg. v. P. Ariés u. a., 5 Bde. (a. d. Frz., 1-51989-95);
Europ. Mentalitätsgesch. Hauptthemen in Einzeldarst., hg. v. P. Dinzelbacher (1993);
Zeitschrift: Der A. (Zürich 1978 ff.).
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Ạll|tag, der; -[e]s, -e [zu älter alletag = täglich, gewöhnlich]: 1. <Pl. selten> Werktag, Arbeitstag: die Feier fand an einem A. statt. 2. <o. Pl.> (geh.) tägliches Einerlei, gleichförmiger Ablauf im [Arbeits]leben: Man müsste aus dem A. ausbrechen können, wofür lebt man denn sonst? (Ziegler, Konsequenz 185); Für uns, die wir den grauen A. der Politik zu begreifen ... versuchen (Dönhoff, Ära 82); Schwere Kopfverletzungen von Skifahrern gehören ... leider schon bald zum A. (werden alltäglich; NZZ 30. 1. 83, 7).
Universal-Lexikon. 2012.