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Marseille
Mar|seille [mar'sɛ:j ]:
Stadt in Südfrankreich.

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Marseille
 
[mar'sɛj], bedeutendste Hafenstadt Frankreichs, mit 800 000 Einwohnern im Stadtgebiet zweitgrößte Stadt des Landes (der Ballungsraum Marseille liegt mit 1,23 Mio. Einwohnern nach Paris und Lyon an dritter Stelle). Marseille liegt am Mittelmeer östlich des Rhônedeltas in einer vor Versandung und dem Mistral geschützten Bucht des Golfe du Lion und erstreckt sich bis in die umgebenden Kalkhügel; ist Verwaltungssitz des Départements Bouches-du-Rhône und Hauptstadt der Region Provence-Alpes-Côte-d'Azur, Sitz eines katholischen Erzbischofs. Marseille hat zwei Universitäten (Aix-Marseille; gegründet 1970 beziehungsweise 1973), eine höhere Ingenieur- und höhere Chemieschule, Observatorium; zahlreiche Kunstmuseen, archäologisches Museum, Musée des Docks Romains (römische Funde aus Unterwassergrabungen im Alten Hafen), Bibliotheken; Theater, Oper; Börse, mehrere Handelskammern, Messe. Westlich von Marseille liegt die Motorsport-Rennstrecke Circuit Paul Ricard (5,8 km lang). Der Hafen ist mit einem Umschlag von (1996) 92 Mio. t drittgrößter Europas (nach Rotterdam und Antwerpen) und größter des europäischen Mittelmeerraumes. Er bewältigt rd. ein Drittel des französischen Seeverkehrs. Der Umschlag von Rohöl und Mineralölprodukten hat mit (1996) 62,3 Mio. t den Hauptanteil am Gesamtumschlag. Der autonome Hafen Marseille umfasst die städtischen Hafenbecken, den Erdölhafen Lavéra am Golf von Fos, die Hafenanlagen am Étang de Berre und den Vorhafen Port-Saint-Louis-du-Rhône in der Rhônemündung. Der Alte Hafen dient als Fischerei-, Jacht- und Fährhafen. Die alte Schiffsverbindung Marseille-Rhône-Kanal (Marseille-Rove-Tunnel-Étang de Berre-Port-de-Bouc-Port-Saint-Louis-du-Rhône) ist im ersten Teil (Rove-Tunnel) außer Funktion (Berre). Marseille ist der Ausgangspunkt der Südeuropäischen Pipeline und einer Pipeline nach Genf. Eine bedeutende Rolle spielt Marseille auch als Passagier- und Fischereihafen. Zu den wichtigsten Industriezweigen gehören außer der Erdöl- und petrochemischen Industrie Hüttenwerke, Zement- und chemische Industrie, Schiffbau u. a. Metall verarbeitende Betriebe sowie eine bedeutende Nahrungsmittelindustrie (importorientiert). Der internationale Flughafen Marignane steht unter den französischen Flughäfen an vierter Stelle. Die Anbindung von Marseille an das französische Hochgeschwindigkeitsnetz der Eisenbahn (TGV) ist als Verlängerung der Strecke Paris-Lyon im Bau.
 
Stadtbild:
 
Aus dem 3./2. Jahrhundert v. Chr. wurden Teile der griechischen Befestigungs- und Hafenanlagen freigelegt (heute Freilichtmuseum). 1992/93 entdeckten französische Forscher bei Ausgrabungsarbeiten in der Nähe des Alten Hafens u. a. ein phönizischer Schiffswrack des 6./5. Jahrhunderts Die Kirche Saint-Victor, im 5. Jahrhundert gegründet (die alte Basilika mit Atrium und Katakombe dient als Krypta), wurde im 13. Jahrhundert an der Stelle eines frühromanischen Baus neu errichtet, im 14. Jahrhundert erweitert; Alte Kathedrale (im 12. Jahrhundert erneuerter früherer Bau, spätere Veränderungen; mit Chapelle Saint-Lazare, 1481). Das Rathaus, das Hôtel-Dieu und die Forts Saint-Jean und Saint-Nicolas am Eingang des Alten Hafens stammen aus dem 17. Jahrhundert; der ehemalige Justizpalast wurde 1743-47 erbaut; seit Mitte des 19. Jahrhunderts entstanden u. a. die Börse, die Neue Kathedrale und Notre-Dame-de-la-Garde auf einem 150 m hohen Kalksteinfelsen; im Palais Longchamps (1862-70) ist heute eine Gemäldegalerie untergebracht. Das ehemalige Armenhospiz Vieille Charité (17. Jahrhundert, von P. Puget) wurde restauriert und modernisiert und beherbergt die Museen für mediterrane Archäologie sowie für afrikanische, ozeanische und lateinamerikanische Kunst. Für die zeitgenössische Kunst entstand das Museum für Gegenwartskunst (1994 eröffnet), während sich die Sammlung französischer Kunst von 1880 bis 1960 im Musée Cantini befindet. Im Süden der Stadt schuf Le Corbusier 1947-52 ein auf 7,5 m hohen Betonpfeilern (Piloten) ruhendes Wohnhochhaus (»Unité d'Habitation«) mit 350 Wohnungen und einem Ladengeschoss. Im Rahmen des städtebaulichen Großprojektes »Euro-Meditérranée« werden u. a. die ehemaligen Docks zu einem modernen Dienstleistungszentrum umgebaut (Architekt: Eric Castaldi) sowie große Teile der nördlichen Innenstadt neu gestaltet.
 
Geschichte:
 
Marseille, griechisch Massalịa, lateinisch Massilia, wurde um 600 v. Chr. von Griechen aus Phokaia (Kleinasien) gegründet und entwickelte sich schnell zur bedeutendsten Handelsstadt im westlichen Mittelmeer (Verbindungen bis zum Rheinland und der Ägäis) mit großem kulturellem Einfluss besonders auf Ligurer und Gallier. Marseille gründete selbst mehrere Kolonien an der südfranzösischen und spanischen Küste, so Monoikos (Monaco), Nikaia (Nizza) und Emporion (Ampurias) und schuf sich ein Herrschaftsgebiet bis weit ins Binnenland. Im Jahr 49 v. Chr. wurde Marseille Teil der römischen Provinz Gallia Narbonensis. Im 5. und 6. Jahrhundert n. Chr. stand Marseille unter gotischer, dann unter fränkischer Herrschaft. Stadtherren waren der Bischof (Bistum seit 314) und, in Teilen der Unterstadt, der Abt des Klosters Saint-Victor. Nach dem Aussterben der von den Karolingern eingesetzten Vizegrafen (1192) wurde Marseille Stadtrepublik Durch die Kreuzzüge erlebte es eine neue wirtschaftliche Blüte, die mit der Unterwerfung durch den Grafen der Provence, Karl I. von Anjou (1252), endete. 1481 fiel Marseille mit der Provence an die französische Krone. Der Handel entwickelte sich wieder seit dem Ende des 16. Jahrhunderts (1599 Gründung der Handelskammer, 1669 Freihafen). Einen Niedergang bewirkte die Pest von 1720 (40 000 Tote) und die napoleonische Kontinentalsperre (1806-14). Dann folgte ein ständiger Aufschwung, begünstigt durch die französischen Erwerbungen in Nordafrika (seit 1830). Der Hafen wurde ab 1844 ausgebaut. Die Bevölkerung stieg von (1816) 107 000 Einwohner auf (1851) 195 000, (1866) 300 000 und (1891) 404 000 Einwohner. 1800 löste Marseille Aix-en-Provence als Dép.-Hauptstadt ab.
 
Literatur:
 
P. Guiral u. P. Amargier: Histoire de M. (Paris 1983);
 
Histoire de M., hg. v. É. Baratier (Neuausg. Toulouse 1990).
 

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Mar|seille [mar'sɛ:j]: Stadt in Südfrankreich.

Universal-Lexikon. 2012.