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Foucault
Foucault
 
[fu'ko],
 
 1) Jean Bernard Léon, französischer Physiker, * Paris 18. 9. 1819, ✝ ebenda 11. 2. 1868; wirkte am Observatorium in Paris und war seit 1862 Mitglied des Bureau des Longitudes, seit 1865 auch der Académie des sciences. Nach Arbeiten zur Optik (mit A. H. L. Fizeau) bestimmte er 1850 mit seinem Drehspiegelverfahren die Lichtgeschwindigkeit (ihren Wert gab er 1862 mit 298 000 km/s an) und stellte fest, dass sie im Wasser geringer als in der Luft ist. 1850/51 demonstrierte er die Erdrotation (foucaultscher Pendelversuch). 1852 erfand Foucault das Gyroskop. Außerdem leistete er wichtige Forschungsbeiträge zur Elektrizitätslehre (u. a. über die von D. F. Arago entdeckten Wirbelströme in Metallen), zum Magnetismus und zur Wärmelehre.
 
 2) Michel, französischer Philosoph, * 15. 10. 1926, ✝ Paris 25. 6. 1984; 1960-68 Professor für Philosophie in Clermont-Ferrand, 1968-70 an der Universität Paris-VIII (Vincennes), seit 1970 Inhaber des Lehrstuhls für die Geschichte der Denksysteme am Collège de France. Foucault vereinigt in seinem Denken Elemente des Strukturalismus (zeitweise Mitarbeit in der Tel-Quel-Gruppe) mit hermeneutischen Ansätzen. Er untersuchte die historischen Diskursformen, die zur Ausprägung des modernen Subjekts geführt haben. Dieses an F. Nietzsches Genealogie orientierte Unternehmen bezeichnete Foucault als »Archäologie«. Seine Analysen beschränken sich jedoch nicht auf erkenntnistheoretische Aspekte, im Vordergrund stehen vielmehr die Macht-, Ausgrenzungs- und Disziplinierungstechniken, die mit den Diskursen einhergehen. So analysierte Foucault in »Folie et déraison. ..« (1961; deutsch »Wahnsinn und Gesellschaft. ..«) die Entstehung des Begriffs »Wahnsinn«, eine Erscheinung, die ursprünglich als Anzeichen mystischer Entrückung gedeutet, unter dem Einfluss von Aufklärung und neuzeitlicher Wissenschaft diagnostizierbar und therapierbar wurde und die in Institutionen behandelt wird, die das Individuum mehr oder weniger von der Gesellschaft ausgrenzen.
 
Foucault beschäftigte sich ferner mit der Genese des Gesundheitswesens, des Strafvollzugs und der Sexualität (»L'histoire de la sexualité«, 3 Bände; deutsch »Die Geschichte der Sexualität«). Im ersten Band »La volonté de savoir« (1976; deutsch »Der Wille zum Wissen«) definiert Foucault die Macht, die sich durch die und in der Sexualität manifestiere, im Gegensatz zum Marxismus nicht als lokale Instanz, sondern als diffuses, die gesamte Gesellschaft durchziehendes Kräftespiel. In den beiden letzten Bänden »L'usage des plaisirs« (1984; deutsch »Der Gebrauch der Lüste«) und »Le souci de soi« (1984; deutsch »Die Sorge um sich«) werden die zuvor analysierten Wissensformationen und Machtsysteme ergänzt durch Formen der Subjektbildung, die auch so etwas wie Lebenskunst zulassen.
 
Weitere Werke: Naissance de la clinique. .. (1963; deutsch Die Geburt der Klinik. Eine Archäologie des ärztlichen Blicks); Les mots et les choses. .. (1966; deutsch Die Ordnung der Dinge. Eine Archäologie der Humanwissenschaft); L'ordre du discours (1971; deutsch Die Ordnung des Diskurses); Surveiller et punir. .. (1975; deutsch Überwachen und Strafen. Die Geburt des Gefängnisses).
 
Ausgaben: Von der Subversion des Wissens, herausgegeben von H. Seitter (1979, Auswahl); Schriften, herausgegeben von D. Defert u. a., auf 4 Bände berechnet (2001 ff.).
 
Literatur:
 
C. Kammler: M. F. (1986);
 H. L. Dreyfus u. P. Rabinow: M. F. Jenseits von Strukturalismus u. Hermeneutik (a. d. Engl., 21994);
 G. Deleuze: F. a. d. Frz., Taschenbuchausgabe 21995);
 James Miller: Die Leidenschaft des M. F. (a. d. Amerikan., 1995);
 U. Marti: M. F. (21999);
 H. Fink-Eitel: M. F. zur Einführung (31997);
 
M. F. Eine Einführung in sein Denken, hg. v. M. S. Kleiner (2001).

Universal-Lexikon. 2012.