Geschlechtsdifferenzierung,
Prozess der Ausprägung der männlichen und/oder weiblichen Geschlechtsmerkmale während bestimmter Entwicklungsphasen eines Lebewesens. Die Geschlechtsdifferenzierung ist nicht identisch mit der Geschlechtsdetermination (Geschlechtsbestimmung); sie beginnt in der Regel erst mit einigem zeitlichem Abstand, beim Menschen z. B. in der 7. Woche der Embryonalentwicklung (und dauert in diesem Fall bis zur Pubertät an). Bei den Wirbeltieren (einschließlich Mensch) wird je nach dem im Genom festgelegten Geschlecht in der zunächst noch undifferenzierten Gonadenanlage entweder die Entwicklung der Rinde (Cortex) oder des Marks (Medulla) gefördert, wodurch aus den Gonadenanlagen entweder Hoden oder Eierstöcke entstehen. Der »Schalter« (englisch testis determining factor, Abkürzung TDF), der die Entwicklungsrichtung entscheidet, wird in einem einzigen Gen, dem TDF-Gen, vermutet, von dem man annimmt, dass es entweder nur auf dem Y-Chromosom liegt oder gegebenenfalls auch auf beiden Chromosomen, dann aber nur in der Kombination XY seine Wirkung entfaltet. Das Wirksamwerden dieses Gens führt zur Ausbildung der Hoden und damit des männlichen Geschlechts; wird es nicht wirksam, wird die Entstehung der Eierstöcke begünstigt. Die differenzierten Gonaden produzieren nun die entsprechenden Geschlechtshormone (Testosteron beziehungsweise Östradiol), die wiederum die Ausbildung der männlichen beziehungsweise weiblichen Geschlechtsmerkmale in Gang setzen. Die Gesamtheit aller Gene, die für die Ausbildung der Geschlechtsmerkmale verantwortlich gemacht werden, wird als AG-Komplex bezeichnet, wobei der A-Komplex (Andro-Komplex) die Differenzierung der männlichen und der G-Komplex (Gyno-Komplex) die der weiblichen Merkmale fördert und kontrolliert. Aus der bei allen Lebewesen vorhandenen bisexuellen Potenz schließt man auf das gleichzeitige Vorhandensein beider Komplexe (AG-Komplex), wobei unter Wirkung (oder Nichtwirkung) des TDF-Gens eben nur einer zur Ausprägung kommt.
Auch bei Pflanzen spielen Hormone (in der Umgebung des Meristems) eine große Rolle bei der Geschlechtsdifferenzierung. Wenn auch kein spezielles Geschlechtsdifferenzierungshormon bekannt ist, so ist doch die Wirksamkeit von Zytokininen, Giberellinen, Auxinen, Äthylen u. a. bei der Geschlechtsdifferenzierung nachgewiesen.
Universal-Lexikon. 2012.