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Hormone
I
Hormone,
 
Bezeichnung für körpereigene Wirkstoffe, auch als »Informationsüberträger« oder »chemische Sendboten« bezeichnet, die spezifisch auf bestimmte Organe einwirken. Die Hormone werden mit dem Blut transportiert, koppeln im Gewebe an für sie spezifische Hormonrezeptoren an und regulieren so zusammen mit dem Nervensystem die Vorgänge des Stoffwechsels und des Wachstums, die Entwicklung und den emotionalen Bereich eines Individuums. Hormone werden meist von besonderen Drüsen (Hormondrüsen) gebildet. Eingeteilt werden die Hormone entweder nach ihrer chemischen Struktur (z. B. Steroid-, Polypeptidhormone) oder nach den produzierenden Organen beziehungsweise Hormondrüsen (z. B. Schilddrüsenhormone) oder aber nach dem Wirkungsbereich (z. B. Geschlechtshormone).
II
Hormone
 
[zu griechisch hormãn »in Bewegung setzen«, »antreiben«], Singular Hormon das, -s, biologische körpereigene Regulatormoleküle, die von innersekretorischen Zellen produziert und in geringen Mengen abgegeben werden, über die Blutbahn und interstitielle Flüssigkeit zu ihren Zielzellen (Erfolgsorganen) gelangen und dort über spezifische Rezeptoren an oder in der Zelle bestimmte physiologische Wirkungen induzieren. Der Begriff Hormon wurde 1905 von E. H. Starling eingeführt. Strukturell können die bisher bekannten Hormone in vier Gruppen eingeteilt werden): 1) Aminosäurederivate (z. B. Adrenalin), zu denen die einfachsten und zuerst entdeckten biogenen Amine gehören; 2) Fettsäureabkömmlinge, z. B. die Prostaglandine, zyklische ungesättigte Fettsäuren; 3) Steroide, zyklische Kohlenwasserstoffderivate auf der Basis des Cholesterins; 4) Polypeptide, Proteine, die meisten und komplexesten Hormone.
 
Auch funktionell lassen sich die Hormonwirkungen in vier Hauptklassen einteilen: 1) kinetische Wirkungen wie Muskelkontraktion (Adrenalin, Oxytocin), Konzentrierung und Verteilung von Pigmenten (Melatonin), Sekretion aus endokrinen Drüsen (ACTH, TSH, LH, Releasinghormone); 2) Stoffwechselwirkungen wie die auf Zellatmung (Thyroxin), Kohlenhydrat- und Proteinhaushalt (Insulin, Glucagon, Glucocorticoide), Elektrolyt- und Wasserhaushalt (ADH, Aldosteron), Calcium- und Phosphathaushalt (Parathormon, Calcitonin, Vitamin D3); 3) morphogenetische Wirkungen wie die Induktion von Differenzierungsprozessen während der Embryonalentwicklung, z. B. der Geschlechtsdifferenzierung durch Androgene und Östrogene, weiterhin u. a. Wachstum (Wachstumshormon), Mauser, Häutung, Fellwechsel (Thyroxin, Corticosteroide, Ecdyson), Metamorphose (Thyroxin), Gonadenreifung (FSH), Entwicklung sekundärer Geschlechtsmerkmale (Östrogene, Androgene); 4) Wirkungen auf das Verhalten wie trophische Wirkungen auf die Entwicklung neuraler Systeme (Östrogene, Progesteron, Androgene), Empfindlichkeit für spezifische Reize (Prolactin).
 
Einige Hormone zeigen mehrere funktionelle Wirkungen (z. B. Thyroxin). Dies ist möglich, da die Hormone ihre Endwirkung nicht direkt induzieren, sondern Intermediärprozesse einleiten, die in Abhängigkeit vom Zelltyp beziehungsweise Gewebe sehr unterschiedlich sein können. Man unterscheidet zwei verschiedene zelluläre Wirkungsmechanismen: Fettlösliche Hormone durchdringen die Zellmembran und reagieren mit einem intrazellulären Rezeptor zu einem aktiven Komplex, der im Zellkern die genetische Aktivität und damit auch die Protein- und Enzymproduktion verändert (Steroide und Schilddrüsenhormone). Dieser Wirkungsmechanismus verläuft langsam und dauert lange an. Hingegen können Hormone mit geringer Fettlöslichkeit die Zellmembran nicht durchdringen (Peptide, Catecholamine), sondern reagieren mit in der Zellmembran lokalisierten Rezeptoren zu einem Komplex, der über intrazelluläre »second messenger« die Zellantwort induziert. Die hohe Selektivität der Hormonwirkung wird erreicht, indem jedes Hormon nur mit bestimmten Rezeptoren in Wechselwirkung treten kann, die wiederum nur an bestimmten Zellen beziehungsweise Geweben vorhanden sind.
 
Spezialisierte Gewebe zur Hormonbildung, die endokrinen Drüsen, (z. B. Schilddrüse, Hypophyse, α- und β-Zellen der Bauchspeicheldrüse, Nebennierenmark, -rinde) sind strukturell uneinheitlich. Im Gegensatz zu den exokrinen Drüsen (Speicheldrüsen, Brustdrüsen, enzymsezernierende Zellen des Pankreas u. a.), die für ihre Sekrete spezielle Ausbildungsgänge gebildet haben, werden die Hormone der endokrinen Drüsen direkt in den extrazellulären Raum abgegeben und diffundieren anschließend in das Blut. Die wirksame Konzentration liegt bei 10-10 bis 10-12 mol/l. Die Sekretionsrate endokriner Gewebe wird durch einen negativen Rückkopplungsmechanismus reguliert, d. h., die Konzentration des Hormons selbst oder die Antwort des Zielgewebes wirkt hemmend auf die Synthese beziehungsweise Sekretionsrate der entsprechenden Hormondrüse.
 
Das Hormonsystem (endokrines System) steht in enger Beziehung zum Nervensystem. Dies zeigen u. a. Substanzen (z. B. das Adrenalin), die sowohl als Hormon als auch als synaptischer Überträgerstoff (Neurotransmitter) wirken. Das Hormonsystem kann neben dem Nervensystem als ergänzendes Koordinationssystem angesehen werden. Im Vergleich zum Nervensystem erfolgt die Aktivierung jedoch langsamer (Sekretion, Transport durch die Blutbahn), sodass es v. a. für länger andauernde Regelfunktionen geeignet ist: Aufrechterhaltung der Blutosmolarität und des Blutzuckerspiegels, Regulation der Stoffwechselaktivität, der sexuellen Aktivität und der Fortpflanzungszyklen sowie von Verhaltensänderungen.
 
Bei niederen Tieren (Schwämmen, Plattwürmern) liegen sekretorische Nervenzellen (neurosekretorische Zellen) vereinzelt im Nervensystem. Ihre Sekrete werden über die Axone transportiert und direkt in das Blut beziehungsweise in die Hämolymphe abgegeben. Mit phylogenetischen Höherentwicklung erfolgt eine Zentralisierung der neurosekretorischen Zellen und die Ausbildung von Neurohämalorganen, bei denen die sekretausscheidenden Nervenendigungen in direktem Kontakt mit Blutgefäßen stehen, z. B. bei Krebsen (Sinusdrüsen), Insekten (Corpora cardiaca) und Wirbeltieren (Neurohypophyse). Gleichzeitig hat sich eine Hierarchie des Hormonsystems herausgebildet, deren morphologische und funktionelle Aufklärung ein bedeutendes Gebiet der heutigen Hormonforschung ist. Bei Wirbeltieren ist das übergeordnete Regulationszentrum das hypothalamisch-hypophysäre System: Der Hypothalamus als zentraler Knotenpunkt des Nerven- und Hormonsystems produziert in kleinen Nervenzellen (Neurosekretion) fünf stimulierende und drei hemmende Peptidhormone (Releasinghormone), die über ein Pfortadersystem zu den hormonbildenden Zellen der Adenohypophyse geleitet werden und die Sekretion der Adenohypophysenhormone steuern. Die Adenohypophyse ihrerseits bildet sechs Hormone: fünf glandotrope Hormone (FSH, LH, LTH, TSH, ACTH), die wiederum die Aktivität peripherer Hormondrüsen (Gonaden, Schilddrüse, Nebennierenrinde) regulieren, und ein effektorisches Hormon (Somatotropin), das eine direkte Wirkung im Organismus hat.
 
Die Hormone (englisch auch »first messenger« genannt) werden zusammen mit den Pheromonen (intraspezifische Kommunikation zwischen Individuen), Neurotransmittern (synaptische Erregungsübertragung) und sekundären Botenstoffen (»second messenger«, intrazelluläre Signalübermittlung) als chemische Botenstoffe bezeichnet. Eine eindeutige Klassifizierung ist häufig problematisch. So wurden Stoffe mit Hormonwirkung, für die jedoch kein spezielles endokrines Organ gefunden wurde, als Gewebshormone bezeichnet. Einige Hormone (Parahormone) wirken lediglich lokal in unmittelbarer Nähe ihres Bildungsortes. Solche Parahormone können sogar auf die Zellen, aus denen sie selbst stammen, einwirken (autokrine Wirkung).
 
 
Weitere Informationen zu diesem Thema finden Sie v. a. auch in den folgenden Artikeln:
 
Doping · Empfängnisverhütung · Geschlechtshormone · Gewebshormone · Glucocorticoide · Gonadotropine · Hypothalamus · Mineralocorticoide · Pflanzenhormone · Pheromone · sekundäre Botenstoffe
 
Literatur:
 
R. Reinboth: Vergleichende Endokrinologie (1980);
 L. Crapo: H. Die chem. Boten des Körpers (a. d. Amerikan., 31988);
 R. Hall u. D. C. Evered: Endokrinologie (a. d. Engl., 1994);
 H. von Faber u. H. Haid: Endokrinologie. Einf. in die Molekularbiologie u. Physiologie der H. (41995).
 
Hier finden Sie in Überblicksartikeln weiterführende Informationen:
 
 
Hormone: Funktion und Arbeitsweise
 
Hormone, Elektrolyte, Mineralstoffe (Normwerte)
 

Universal-Lexikon. 2012.