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Straftheorien
Straftheori|en,
 
die Theorien über Wesen, Rechtfertigung und Zweck der Strafe. Die absoluten Straftheorien sehen die Rechtfertigung der Strafe im gerechten Schuldausgleich durch Vergeltung oder Sühne (Vergeltungstheorien), die relativen Straftheorien ihren Zweck darin, künftige Straftaten zu verhüten (Präventionstheorien, Prävention). Nicht durchzusetzen vermochte sich die Lehre von der »défense sociale«, die Art und Stärke der Strafe nicht abhängig zu machen sucht von der Schuld des Täters, sondern allein von seiner sozialen Gefährlichkeit.
 
Geschichte:
 
Im Mittelalter herrschte unter dem Einfluss alttestamentarischer und scholastischer Gedankengänge v. a. der Vergeltungsgedanke (Talion). Humanismus, Naturrecht und Aufklärung rechtfertigten die Strafe durch ihre präventive Nützlichkeit. Im Gegensatz dazu vertraten I. Kant, G. W. F. Hegel und F. J. Stahl philosophisch vertiefte Vergeltungstheorien, die das Wesen der Strafe in der Wiederherstellung der durch die Tat verletzten sittlichen, rechtlichen oder göttlichen Gerechtigkeit sahen. Dagegen wollte P. J. A. Feuerbach das Strafrecht nur auf den von der Strafandrohung ausgehenden psychologischen Zwang zur Unterlassung der Tat gründen. Das Eindringen naturwissenschaftlicher und soziologischer Überlegungen in die Auffassung von Verbrechen und Strafe führte Ende des 19. Jahrhunderts zu den Theorien der Spezialprävention der soziologischen Schule (E. Ferri, F. von Liszt), denen die am Vergeltungsgedanken festhaltende klassische Schule (K. Binding) entgegentrat. Während die deutsche Strafrechtswissenschaft nach 1945 überwiegend geneigt war, das Wesen der Strafe als sühnende Vergeltung stärker zu betonen, wurde seit den 60er-Jahren der Strafzweck der Resozialisierung hervorgehoben. Seit Mitte der 70er-Jahre ist dieser Gesichtspunkt wieder in den Hintergrund getreten, weil die Bemühungen, Delinquenten im Strafvollzug zu resozialisieren, nur wenig erfolgreich waren. Seither ist die vorherrschende Straftheorie die Lehre von der positiven Generalprävention, die den Zweck der Bestrafung v. a. darin sieht, die durch die Straftat entstandene soziale Störung zu beseitigen und dadurch die Rechtstreue der Allgemeinheit zu stärken.
 
Literatur:
 
K. Volk: Der Begriff der Strafe in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, in: Ztschr. für die gesamte Strafrechtswiss., Jg. 83 (1971); M. Ancel: La défense sociale (Paris 1985);
 M. Köhler: Der Begriff der Strafe (1986);
 W. Grasnick: Über Schuld, Strafe u. Sprache (1987);
 P. Hoffmann: Vergeltung u. Generalpräventation im heutigen Strafrecht (1995);
 G. Stratenwerth: Was leistet die Lehre von den Strafzwecken? (1995).

Universal-Lexikon. 2012.