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Rẹcht|fer|ti|gung 〈f. 20〉 das Rechtfertigen, Sichrechtfertigen, Erklärung od. Nachweis berechtigten Handelns, Reinigung von Verdacht ● kannst du etwas zu deiner \Rechtfertigung sagen, vorbringen?
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Rẹcht|fer|ti|gung, die:
1. das [Sich]rechtfertigen:
er hatte nichts zu seiner R. vorzubringen.
2. das Gerechtfertigtsein; Berechtigung:
diese Maßnahme entbehrte völlig der R.
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Rechtfertigung,
1) Philosophie: die rationale Begründung von Einstellungen und Handlungen. Die Möglichkeit der Rechtfertigung im Sinne der Begründbarkeit ist eine wesentliche Voraussetzung für die intersubjektive Verständigung über Werte und Normen.
2) Theologie: die »Gerechterklärung« des Menschen durch Gott. Grundlagen des biblischen Begriffes Rechtfertigung sind ein Gottesbild, das Gott als personales Gegenüber des Menschen und seinen Richter beschreibt, die Frage des Menschen nach dem Heil und der Wunsch, dieses kollektiv (als das von Gott auserwählte Volk), v. a. aber auch individuell zu erlangen. Im Zusammenhang mit der Frage nach dem Weg, die Rechtfertigung zu erlangen, kam es dabei sowohl im Judentum wie auch im Christentum zu einer starken Betonung des ethischen (»Gott wohlgefälligen«) Verhaltens, mit dem der Mensch vor Gottes Gericht bestehen (sich »rechtfertigen«) könne. Mit zunehmender ethischer Sensibilisierung, die ihren Ausdruck im Bewusstsein einer stetig vorhandenen (schuldhaften) Verstrickung in die Sünde fand, trat neben die Überzeugung, die Rechtfertigung durch eigenes rechtes Leben zu erlangen, die Hoffnung auf die göttliche Barmherzigkeit und Vergebung der Sünden bis hin zu der Vorstellung, dass der Mensch allein durch die Tat Gottes zum Heil kommt, Gott gegenüber also keine »Ansprüche« stellen kann und einzig auf die (grundlose) Zuwendung seiner Gnade angewiesen ist.
Im Judentum finden sich beide Vorstellungen, eine strenge Gesetzesfrömmigkeit (z. B. in der pharisäischen Tradition) und eine Rechtfertigung durch die Gnade (z. B. in den Qumrantexten), nebeneinander.
Als originär theologischer Begriff geht Rechtfertigung auf Paulus zurück, der die »Gerechtigkeit Gottes« (Römerbrief 1, 17) in den Mittelpunkt seiner Theologie stellte; »gerecht« ist der Mensch vor Gott allein durch seinen Glauben an Jesus Christus. In ihm hat Gott den Menschen seine Gnade zu ihrem Heil geschenkt, ohne dass diese einen Anspruch auf dieses Geschenk noch ein eigenes Verdienst an seiner Erlangung haben (Römerbrief 3,21 ff.). Der theologische Ansatz des Paulus wurde v. a. durch Augustinus aufgegriffen: Aufgrund der Erbsünde sei der Mensch prinzipiell unfähig zum Guten; nur durch das Kreuz Jesu Christi könne er von Gott Rechtfertigung erlangen, wenn er durch die Vorherbestimmung Gottes (Prädestination) Anteil an der Gnade erhalte. Dadurch aber werde der Mensch innerlich neu geschaffen und frei zum Tun des Guten (Heiligung).
Die augustinische Lehre wurde grundlegend für die mittelalterliche Theologie. Der Gedanke der unverdienten Rechtfertigung trat dabei jedoch zunehmend hinter den Gedanken der im Stande der Gnade zu vollbringenden guten Werke zurück, was in der mittelalterlichen Volksfrömmigkeit Formen einer ausgeprägten, kirchlich sanktionierten Lohn-Leistungs-Ethik annahm. Dagegen traten im Spätmittelalter die Reformatoren auf und stellten, oft im Ergebnis tiefen inneren religiösen Ringens (M. Luther), die Grundaussage der paulinischen Theologie wieder in den Mittelpunkt des theologischen Denkens, die zugleich die Grundaussage der reformatorischen Theologie schlechthin bildet: Der Mensch ist von Gott freigesprochen, obwohl er Sünder bleibt (simul iustus et peccator), und erlangt die subjektive Gewissheit seiner Rechtfertigung allein durch den Glauben an Jesus Christus, ohne dass es dazu zwingend kirchlicher »Vermittlungsinstanzen« bedarf.
Die katholische Rechtfertigungslehre wurde 1547 vom Trienter Konzil formuliert und deckt sich - trotz polemischer Formulierungen - weitgehend mit der der Reformatoren, versteht aber die Rechtfertigung stärker auch als Gerechtmachung des Menschen und betont die die Gnade Gottes (in den Sakramenten) vermittelnde Rolle der Kirche.
Als ein qualitativ neuer Schritt in den Beziehungen zwischen den lutherischen Kirchen und der katholischen Kirche gilt die in Verantwortung des Lutherischen Weltbundes und des Päpstlichen Rates für die Förderung der Einheit der Christen (Päpstliche Räte) erarbeitete und durch ranghohe Kirchenvertreter am 31. 10. (Reformationstag) 1999 in Augsburg unterzeichnete »Gemeinsame Erklärung zur Rechtfertigungslehre«. Diese stellt die Übereinstimmungen in der Rechtfertigungslehre heraus und wird von beiden Seiten als ein weit reichender »Konsens in Grundwahrheiten« beschrieben. Integraler Bestandteil der Gemeinsamen Erklärung ist die »Gemeinsame offizielle Feststellung«, die die erreichten Lehrübereinstimmungen näher erläutert und die noch strittigen Fragen (besonders die Interpretation und Gewichtung der reformatorischen Aussage »allein durch den Glauben« [sola fide]) benennt.
Gerhard Müller: Die R.-Lehre. Gesch. u. Probleme (1977);
H. Küng: R. (Neuausg. 1986);
R. im ökumen. Dialog, hg. v. Harding Meyer u. G. Gassmann (1987);
Zur R.-Lehre, Beiheft 10 zur Ztschr. für Theologie u. Kirche (1998);
Festakt zur »Gemeinsamen Erklärung zur R.-Lehre«. Vollständige Dokumentation der offiziellen Äußerungen. .. hg. v. Luther. Kirchenamt der VELKD (2000).
Weitere Literatur: Lehrverurteilungen.
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Rẹcht|fer|ti|gung, die: 1. das [Sich]rechtfertigen: die R. der Ausgaben, eines Verhaltens; er hatte nichts zu seiner R. vorzubringen. 2. das Gerechtfertigtsein; Berechtigung: diese Maßnahme entbehrte völlig der R.
Universal-Lexikon. 2012.