Akademik

Vitamine
Vitamine
 
[v-; lateinisch vita »Leben« und Amine], Singular Vitamin das, -s, zusammenfassende Bezeichnung für eine Gruppe chemisch sehr unterschiedlicher, v. a. von Pflanzen und Bakterien synthetisierter Substanzen, die für den Stoffwechsel der meisten Tiere und des Menschen unentbehrlich sind, aber vom tierischen und menschlichen Organismus in der Regel nicht synthetisiert werden können und daher entweder ständig mit der Nahrung oder durch Symbiose mit Darmbakterien zugeführt werden müssen. Dabei kann Anzahl (und Menge) der benötigten unterschiedlichen Vitamine je nach Spezies variieren: Vitamin C (Ascorbinsäure) z. B. ist notwendig für Menschen, Affen und Meerschweinchen, nicht jedoch z. B. für Ratten, die es selbst synthetisieren können. Einige Vitamine können vom tierischen Organismus aus bestimmten biologischen Vorstufen, den Provitaminen, in einem letzten Syntheseschritt hergestellt werden, z. B. Vitamin A und seine Derivate (Retinol) aus β-Carotin, Vitamin D (Calciferole) aus 7-Dehydrocholesterin und die Nikotinsäure aus Tryptophan. Für einige Vitamine, besonders Folsäure und Vitamin K2 (Phyllochinon), spielt die Biosynthese durch Darmbakterien eine Rolle.
 
Ein Mangel an Vitaminen kann zu verschiedenen pathologischen Zuständen (Vitaminmangelkrankheiten) führen, jedoch sind bei einigen Vitaminen (Vitamin A und D) auch Störungen und Vergiftungen durch Vitaminüberdosierung (Hypervitaminosen) bekannt. Bei den anderen Vitaminen treten ähnliche Erscheinungen nicht auf, da der menschliche Organismus die Vitamine nicht speichern kann und einen Überschuss meist rasch wieder ausscheidet oder abbaut.
 
Die Vitamine zeigen bereits in kleinsten Dosierungen (1 mg und weniger) biologische Aktivitäten. Ihre biochemische Wirkung konnte in vielen Fällen aufgeklärt werden. Sie beruht v. a. bei den Vitaminen der B-Gruppe auf ihrer Funktion als Coenzyme, so z. B. Vitamin B6 (Pyridoxin; früher Adermin) bei Enzymen, die Umsetzungen an Aminosäuren katalysieren. Vitamin A bildet in Form des Retinals mit dem Eiweißstoff Scotopsin das für den Sehvorgang wichtige Rhodopsin.
 
Die Vitamine werden meist mit einem Buchstaben und/oder einem Trivialnamen bezeichnet und nach ihrer Löslichkeit in die Gruppen der fettlöslichen Vitamine (Vitamine A, D, E, K) und der wasserlöslichen Vitamine (Vitamine der B-Gruppe, Vitamin C) eingeteilt. Auch werden häufig einige weitere Substanzen, die zum Teil ebenfalls als essenzielle Nahrungsbestandteile angesehen werden, zu den Vitaminen gerechnet; u. a. die zum Vitamin F zusammengefassten essenziellen Fettsäuren, die den Vitaminen der K-Gruppe nahe stehenden (fettlöslichen) Ubichinone und das (wasserlösliche) Vitamin P (Rutin), ferner einige Substanzen, die zunächst als Bakterienwuchsstoffe angesehen wurden und heute vielfach zu den Vitaminen der B-Gruppe gezählt werden, besonders p-Aminobenzoesäure (Aminobenzoesäuren), Cholin, Myoinosit (Inosit) und Liponsäure.
 
Vitamine sind in den meisten Nahrungsmitteln, v. a. in frischem Gemüse, Milch, Butter, Eidotter, Leber, Fleisch, Fisch, Getreide, in ausreichender Menge enthalten, sodass bei einer ausgewogenen Ernährung keine Vitaminmangelerkrankungen auftreten. Durch unsachgemäße Lagerung oder Zubereitung der Lebensmittel kommt es jedoch zu einer beträchtlichen Zerstörung der vielfach sauerstoffempfindlichen und hitzelabilen Vitamine (Vitaminverlust): bei Vitamin C und Folsäure bis zu 90 %, bei Vitamin B1 (Thiamin; frühere Bezeichnung Aneurin), Riboflavin, Nikotinsäure und Vitamin B12 (Cobalamin) bis zu 30 %. Vitamin E (Tokopherol) und C büßen bei längerer Lagerung an Aktivität ein. - Ein erhöhter Vitaminbedarf kann u. a. im Wachstumsalter, bei Schwangerschaft, Krankheit und Rekonvaleszenz vorliegen. (Biotin, Pantothensäure)
 
Für die meisten Vitamine sind heute Methoden der Synthese beziehungsweise Partialsynthese bekannt, für eine Vitaminsubstitutionstherapie stehen zahlreiche Vitaminpräparate zur Verfügung. - In großem Umfang werden Vitamine auch in der Landwirtschaft als Zusätze zu Futtermitteln verwendet.
 
Geschichte:
 
Die ersten systematischen Untersuchungen über Vitaminmangelkrankheiten wurden in den 1880er-Jahren durchgeführt. C. Eijkman erkannte den Zusammenhang zwischen dem Auftreten von Beriberi und der Ernährung mit poliertem Reis; er entdeckte 1897 das zunächst Antiberiberifaktor genannte Vitamin B1. 1912 stellte F. G. Hopkins fest, dass eine Diät aus reinen Proteinen, Fetten und Kohlenhydraten sowie Salzen zur Ernährung nicht ausreicht, sondern weitere »akzessorische Ernährungsfaktoren« in kleinen Mengen in der Nahrung enthalten sein müssen. Aufgrund des basischen Charakters des Vitamins B1 schlug C. Funk 1912/13 für diesen Stoff den Begriff »Vit-amin« vor. Sehr bald stellte sich jedoch heraus, dass es zahlreiche weitere Vitamine gibt, die meist keine Amine, sondern Neutralstoffe oder Säuren sind. Trotzdem wurde die Sammelbezeichnung Vitamine beibehalten. - Bis etwa 1930 waren die wichtigsten Vitamine entdeckt. Als letztes Vitamin wurde 1948 das Vitamin B12 entdeckt, dessen Struktur 1955 durch A. Todd aufgeklärt wurde.
 
Literatur:
 
L. Stryer: Biochemie (a. d. Amerikan., 41996);
 A. Krauth: V. u. Mineralstoffe in der Praxis (1995);
 P. Nuhn: Naturstoffchemie. Mikrobielle, pflanzl. u. tier. Naturstoffe (31997);
 
V. Physiologie, Pathophysiologie, Therapie, hg. v. H. K. Biesalski u. a. (1997).
 
Hier finden Sie in Überblicksartikeln weiterführende Informationen:
 
Vitamine: Vorkommen und Funktion
 
Vitamine und Elektrolyte
 

Universal-Lexikon. 2012.